(Evangelium vom 5. Sonntag im Jahreskreis B: Mk 1,29-39)
Liebe Schwestern und Brüder im Erzbistum Hamburg,
es muss für Simon Petrus ein merkwürdiger Moment gewesen sein, von dem das heutige Evangelium berichtet: Erst wird er von Jesus gerufen und folgt ihm auf Schritt und Tritt nach. Er erlebt mit, wie Jesus von Scharen umringt wird und Kranke rund um die Uhr heilt. Doch dann, an einem Morgen, steht Jesus in aller Frühe auf und geht allein an einen einsamen Ort. Er geht einfach weg, ohne ein Wort zu sagen, – er, für den die Jünger gerade erst alles stehen und liegen gelassen haben und dem sie begeistert folgen. Sofort suchen sie ihn und finden ihn bei nichts anderem als dem Beten. Sie halten ihm vor, dass alle ihn suchen. Doch Jesus rechtfertigt sich nicht. Stattdessen blickt er nach vorne, denn er hat eine Mission: „Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort verkünde; denn dazu bin ich gekommen.“ (Mk 1,38)
Liebe Schwestern und Brüder,
ich beobachte hier wie auch an anderen Stellen im Evangelium einen Dreiklang bei Jesus: Er heilt - er betet - er bricht auf.
Jesus verkündet die frohe Botschaft und lässt dies die Menschen auch spüren; dann ist er immer wieder der stille Beter. Dafür nimmt er sich offenbar ausgiebig Zeit. Er geht in die Einsamkeit und stellt sich in Gottes Gegenwart. Aber er bleibt nicht lange an ein und demselben Ort, sondern bricht wieder auf und ist unterwegs in andere Dörfer und Städte. Das ist seine Mission, auf Deutsch, seine Sendung. Auf diese Mission nimmt Jesus seine Jünger mit.
Dieser Einladung zur Nachfolge verdanken wir unseren Glauben. In diesen Tagen feiern wir das Fest des Heiligen Ansgar, unseres Bistumsgründers. Er hat sich im neunten Jahrhundert von Frankreich kommend in den Norden aufgemacht, um das Evangelium zu verkünden. Im Laufe der Kirchengeschichte haben es ihm viele gleich getan. Heute ist der Aufbruch, sind das Loslassen und Losgehen unser Auftrag. Das muss nicht gleich eine weite Reise bedeuten. Das beginnt in unserem Alltag, in Gemeinde, Familie, Freundschaft, Beruf.
Liebe Schwestern und Brüder,
„Herr, erneuere deine Kirche und fange bei mir an“. Mit dieser Bitte haben wir vor rund eineinhalb Jahren unseren Erneuerungsprozess begonnen. Die wirtschaftliche Lage unseres Erzbistums ist sehr schwierig. Zur Abwendung größerer Schäden sind weitreichende Entscheidungen notwendig. So mussten wir bereits die Aufgabe einiger Schulen beschließen. Wir mussten das tun, obwohl dort gute Arbeit gemacht wird und sie wertvolle pastorale Orte sind. Das verletzt und empört viele Menschen. Die Entscheidungen schmerzen – auch mich.
Gleichzeitig träumen wir von einem Aufbruch, einer Lebendigkeit unserer Gemeinden und Orte kirchlichen Lebens. Ich bin überzeugt: Wir können hier im Norden eine lebendige Kirche sein, eine Kirche mit einer Mission – auch mit weniger finanziellen Mitteln. Wir müssen darum alles, was wir künftig verändern, auf dieses Ziel, auf unsere Sendung hin gestalten. Dazu haben wir in den letzten Monaten einen Pastoralen Orientierungsrahmen geschrieben: einen Rahmen, der unserem Aufbruch und unserer Mission Richtung gibt.
Ich habe mich bewusst für das Wort Rahmen entschieden. Der Text ist kein Generalplan für alles und jeden im Erzbistum. Im Gegenteil: Jede und jeder hat eine individuelle Berufung. Ich bin dankbar für diese große Vielfalt. Der Rahmen sagt darum, wie wir unseren Aufbruch weiter gestalten wollen, nämlich gott- und menschennah, aufsuchend, vernetzend, weltkirchlich und solidarisch.
Der Dreiklang von Heilung, Besinnung und Aufbruch, von dem das heutige Evangelium berichtet, prägt auch unseren Orientierungsrahmen. Mit Jesus wollen wir den Menschen nahe sein. Wir wollen uns nicht in unseren Gebäuden verstecken, sondern rausgehen zu den Menschen am Rand, mit ihnen leben und von ihnen lernen. Wie Jesus wollen wir uns immer wieder Zeiten nehmen, in denen wir uns für Gott öffnen und unserer Berufung nachspüren. Mit Jesus wollen wir aufbrechen, uns mit anderen vernetzen und solidarisch in der Einen Welt am Wachsen des Reiches Gottes mitwirken.
Liebe Schwestern und Brüder,
viele Gläubige aus unseren Diözesangremien, aus unseren Pastoralen Räumen, aus den Verbänden und Einrichtungen haben am Pastoralen Orientierungsrahmen mitgearbeitet. Ich möchte allen dafür ganz herzlich danken! Die Arbeit an diesem Rahmen hat zu zahlreichen Begegnungen und Glaubensgesprächen geführt und damit schon den Geist der Erneuerung geatmet.
Ich lade Sie ein, unseren Pastoralen Orientierungsrahmen zu lesen, zu diskutieren und zu leben: in Ihren Gemeinden und den Orten kirchlichen Lebens, in Ihren Verbänden, der Caritas, unseren Schulen und KiTas, ja in möglichst vielen Kreisen unseres weiten Erzbistums. Er ist die Grundlage für unseren Aufbruch und damit auch für die wirtschaftliche Ausrichtung in den nächsten Jahren.
Wir haben eine Sendung, gehen wir weiter!
Dazu segne uns alle der allmächtige und barmherzige Gott:
der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.
Hamburg am Fest des Hl. Ansgar, dem 3. Februar 2018
+ S t e f a n
Erzbischof von Hamburg