Es gilt das gesprochene Wort
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kommunionkinder,
das Brot, das wir heute verehren, gibt uns eine ganze Menge von Fragen auf. Das war schon im Alten Bund so. Wir haben es in der ersten Lesung gehört. Die Israeliten sind unterwegs. Es gibt das Manna und dann heißt es dort im Text ganz schlicht und einfach: Ein Brot, das sie nicht kann-ten. Im Neuen Bund: Jesus gibt sein Fleisch und sein Blut und wiederum die Frage: Wie kann er uns denn das zu essen geben? Und das gleiche begegnete uns in der Lesung des heutigen Festtages vom heiligen Apostel Paulus: Ist der Kelch, den wir trinken, Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir essen, Teilhabe am Leib Christi?
Immer wieder Fragen. Und wenn wir die Fragen ernst nehmen, dann müssen wir sagen, wir haben, was die Eucharistie anbelangt, mehr Fragen als Antworten. Und zwar deswegen, weil das Brot, das wir heute verehren, unseren Horizont übersteigt. Weil es viel größer ist. Weil es ganz anders ist als herkömmliches Brot und als all das, was wir kennen. Deswegen ist es gut, dass wir fragen. Aber die Kirche bietet uns noch ganz andere Wege an, wie wir dieses Brot besser verstehen, wir es besser ergreifen können.
Das Erste, was uns die Kirche anbietet: Wir verehren dieses Brot jeden Tag. In jeder unserer Kirchen gibt es einen Tabernakel. Ihr kennt das, liebe Kinder. Ihr habt es wahrscheinlich im Kommunionunterricht angeschaut. Dieses Schatzkästlein, wo die Hostien aufbewahrt werden nach der Messe und wo immer eine Kerze brennt. Deswegen nennen wir sie das Ewige Licht. Unsere Tabernakel sind oft sehr wertvoll und schön gestaltet, künstlerisch sehr ansprechend. Sie gibt es in jeder Kirche. Und das wichtigste ist, dass der Tabernakel nicht verweist. Der Bischof besucht regelmäßig die Pfarreien und hält Visitation. Eine der Aufgaben, die er bei der Visitation hat, ist bewusst in den Tabernakel zu schauen. Und da erlebe ich manchmal blaue Wunder. Die Kelche sind angelaufen, schmutzig. In den Schalen sind nicht nur ein paar Hostien, sondern viele Krümel. Die kleinen Velen, die Mäntelchen über dem Kelch, sind manchmal speckig. Es kann passieren, wenn der Bischof unangemeldet in eine Kirche kommt, dass er feststellen muss, das Ewige Licht brennt nicht mehr.
Liebe Schwestern und Brüder, das sind für mich als Bischof Alarmzeichen. Ich denke mir, wenn das schon so aussieht, dann kann mit der Verehrung der Eucharistie dort nicht allzu viel los sein. Aber wenn ich in eine Kirche komme, wo der Tabernakel sauber ist, wo die Tücher gewaschen sind, wo die Kelche gepflegt sind, wo vielleicht eine Blume davor steht. Und zwar nicht so ein Immergrün, sondern etwas Schönes aus dem Garten, etwas Frisches, etwas Blühendes – dann gewinne ich ganz schnell den Eindruck, hier kümmert sich jemand darum. Hier steht die Eucharistie im Mittelpunkt. Hier wird sie verehrt. Aber das sind nur äußere Zeichen. Viel wichtiger ist es, wenn wir Christus, der im Brot bleibend unter uns ist, verehren. Wenn wir mit ihm in Kontakt treten. Deswegen gibt es bei uns die gute Tradition, dass man vor dem Tabernakel eine Kniebeuge macht als Zeichen der Verehrung. Dass man ein kleines Gebet spricht oder dass man im besten Fall einfach beim Tabernakel ein bisschen verweilt.
In unserem Nachbarland Polen habe ich einmal erlebt, dass Menschen an der Kirche vorbei kamen. Es waren Männer. Sie gingen nicht in die Kirche hinein, aber sie zogen vor der Kirche den Hut. Ein Zeichen der Verehrung. Ob Sie vor der Kirche den Hut zögen? Das sind ja alles kleine Zeichen. Wenn man nicht mehr knien kann, dann tut es auch das Stehen oder Sitzen. Dann soll man sich nicht verrenken, oder seinen Knien schaden. Wichtig aber ist, dass wir mit dem Allerheiligsten in Kontakt treten. Dass Christus nicht allein bleibt. Dass wir nicht allein bleiben. Dass wir zusammen kommen. Deswegen empfehle ich Ihnen ruhig einmal, wenn Sie können, die Kirche aufzusuchen. Unsere Vorfahren haben dann einfach von der Besuchung gesprochen, vom Besuch. Machen Sie doch einfach einmal ganz bewusst bei Christus einen Besuch und gönnen Sie sich ein paar Minuten des Gebetes und der Stille, um mit Jesus zu zweit zusammen zu sein. Dann brauchen Sie kein Gebetbuch, sondern lassen Sie Ihr Herz sprechen und kommen mit Jesus in Kommunikation.
Liebe Schwestern und Brüder, Christus ist immer da. Ich habe den Eindruck, er ist immer da, damit wir immer tiefer in das Geheimnis der Eucharistie hineinfinden. Wir schnallen das eben nicht auf einmal, sondern wir brauchen vielleicht ein ganzes Leben, um immer tiefer rein zu kommen. Deswegen gibt Christus uns Zeit. Er lässt sich mit uns Zeit. Ich finde das etwas ganz Wichtiges und Schönes. Christus lässt uns Zeit, damit wir ihn immer besser kennenlernen können. Wenn man manchmal mit Leuten zusammen kommt, die in der eucharistischen Anbetung geübt sind, dann sagen sie einem: Je länger ich das tue, umso schöner wird es, umso tiefer komme ich rein. Ich habe eben gesagt, wir knien dann meistens vor der Monstranz, vor dem Tabernakel als ein Zeichen der Ehrfurcht. Ihr Kinder kennt vielleicht einen Ausdruck, den wir manchmal im Deutschen gebrauchen, wenn wir etwas besonders gut machen wollen. Dann sagen wir schon einmal: Da musst du dich jetzt besonders hereinknien. Also, wenn du etwas besonders gut machen willst, wenn du etwas besonders intensiv verstehen willst. Stellt euch vor, ihr habt eine Hausaufgabe und am Anfang kapiert ihr gar nichts. Dann sagt Mama oder Papa: Da musst du dich jetzt mal besonders reinknien, damit du das verstehst. Da musst du besonders viel Mühe aufwenden. Da musst du besonders stark dabei sein. Könnte es nicht so sein, dass wenn wir da vor dem Allerheiligsten knien, wir uns förmlich in Christus hineinknien, um ihn immer besser zu verstehen, um ihm immer mehr auf die Spur zu kommen? Das Knien ist ja eine Haltung, in der wir runtergehen. Damit erinnert uns das Knien daran, dass Jesus an dem letzten Abend, an dem er mit seinen Jüngern das Abendmahl gehalten hat, ihnen auch die Füße gewaschen hat. Das hat er getan, in dem er vor den Jüngern kniete. Wer sich vor der Eucharistie klein macht, wer sich in Christus hineinkniet, der wird auch fähig werden, den Dienst der Liebe dem anderen gegenüber zu tun.
Am Donnerstagabend bei unserer Prozession am Mariendom in Hamburg, die leider dann zwischendurch durch einen Wolkenbruch unterbrochen wurde, da waren auch die Schwestern von Mutter Teresa mit dabei. Sie kommen zum großen Teil aus Indien. Aber jetzt sind dort auch einige Deutsche, die in Hamburg wirken. Man erkennt sie an ihrem weißen Sari, an dem typischen indischen Gewand. Diese Schwestern halten ganz regelmäßig eucharistische Anbetung. Gleichzeitig sind sie aktiv an einem sozialen Brennpunkt und kümmern sich um die Ärmsten von Hamburg, um die Obdachlosen, Männer und Frauen, die zu ihnen kommen. Irgendwo wird erzählt, dass eine Schwester deswegen mit Mutter Teresa Kontakt aufgenommen hat vor vielen Jahren und gesagt hat, wir haben hier so viel zu tun. Die Armen sind so zahlreich. Bitte Mutter Teresa ändere ein wenig unsere Ordensregel und erlasse uns die Zeit des Gebetes. Die muss kleiner werden, damit wir mehr Zeit haben für die Armen. Diesen Überlegungen hat Mutter Teresa einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie hat gesagt: Wenn ihr so viel zu tun habt, dann betet bitte nicht weniger, sondern betet mehr. Betet intensiver. Denn das hilft euch. Den Jesus, den ihr in der Hostie, den ihr im Tabernakel findet, wenn ihr den anschaut, und nur wenn ihr das ausreichend tut, dann werdet ihr Jesus im Mitmenschen erkennen. So wie Jesus gesagt hat: Was ihr einem meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan. Also, liebe Mitchristen, knien Sie sich in Jesus rein. Beten Sie sich förmlich in Jesus rein, in dieses Geheimnis der Liebe, um dem auf die Spur zu kommen, um dann aus der Anbetung herauszugehen und den Liebesdienst einander zu tun. Dafür muss man nicht in den Orden von Mutter Teresa eintreten, sondern uns bietet der Alltag von morgens bis abends x Gelegenheiten, wo wir kleine oder größere Zeichen der Liebe setzen können.
Heute an Fronleichnam gibt uns die Kirche noch einen ganz besonderen Impuls, nämlich mit der Prozession. Wir bleiben nicht vor dem Tabernakel. Wir bleiben auch nicht einfach nur zur Messe, sondern wir halten eine Prozession. Wir stehen auf und wir machen uns auf den Weg. Förmlich geht die Prozession an Orte, wo wir üblicherweise eigentlich nicht zum Gottesdienst zusammen kommen. Normalerweise gehen wir raus in unsere Städte, in die Dörfer, über die Straßen, da wo das Leben ist, da wo die Menschen sind. Liebe Schwestern und Brüder, für mich ist das immer ein ganz großes Zeichen. Der Gott, an den wir glauben, der will sich nicht verschließen, der will nicht für sich bleiben, sondern unser Gott, und das haben wir letzten Sonntag ausdrücklich gefeiert, ist ein Dreifaltiger. Das heißt, der ist Beziehung, der ist Kontakt, der ist Freundschaft, der ist Gemeinschaft. Deswegen geht unsere Prozession eigentlich raus. Sie geht zu den Menschen, um deutlich zu machen: Gott ist für euch da. Gott will mit euch in Berührung sein. Das ist manchmal nicht so ganz angenehm. Am Donnerstagabend in Hamburg in St. Georg, wenn man da so an den Restaurants vorbei geht, ist das schon ein bisschen komisch, wenn die Leute da sitzen und essen und ihr Bierchen trinken und wir kommen mit der Prozession. Sehr ungewohnt für viele, die denken, hat der neue Bischof aus Köln den Karneval in den Norden gebracht. Aber ehrlich gesagt, auch bei der Fronleichnamsprozession in Köln erleben Sie ähnliches. Da ist es ja Feiertag. Und wenn man an Fronleichnam morgens durch die Kölner Innenstadt zieht, dann sitzen die Leute beim Frühstück oder beim Brunch im Kaffee oder Restaurant und die Prozession zieht an ihnen vorbei. Am Donnerstagabend gibt es dann schon mal ein paar Rufe, die von den Balkonen herunterschallen und die uns Katholiken dann treffen sollen. Damit muss man rechnen. Aber damit hat auch Christus gerechnet. Und er hat sogar noch mit viel mehr gerechnet. Der hat sich eben nicht zurückgehalten, sondern ist rausgegangen und sein Weg führte letztlich ans Kreuz und das war noch viel unangenehmer. Da ist das, was wir bei Prozessionen erfahren, harmlos und Spielerei.
Liebe Schwestern und Brüder, ein großes, ein schönes, ein wichtiges Fest – dieses Fronleichnamsfest. Deswegen ist es gut, dass wir das heute hier sozusagen nachfeiern, am Sonntag nach Fronleichnam. Ein Fest, das uns hineinführt in den Kontakt mit Jesus, in die Verehrung, in die Anbetung, einfach ins Dasein, ins Verweilen bei Jesus. Ein Fest, das uns immer tiefer in die Liebe Jesu hineinführen möchte. Knien wir uns in seine Liebe rein. Ein Fest, das deutlich macht, Gott ist auf Beziehung aus. Unser Gott will in Kontakt treten. Und zwar nicht nur mit uns, sondern mit allen. Wir dürfen das vielen Menschen bekannt und deutlich machen. Amen.