„Weihnachten und die Öffnung der Heiligen Pforte haben ein und dieselbe Botschaft: der Zugang zu Gott ist nicht vermauert und verbarrikadiert, sondern unser Gott öffnet sich, gibt sich zu erkennen und wünscht nichts sehnlicher, als dass wir den Weg zu ihm finden und den Kontakt mit ihm halten.“
Erzbischof Dr. Stefan Heße
Es gilt das gesprochene Wort!
„Machet die Tore weit, und machet die Türen in der Welt hoch“ - gleich zweimal habe ich in dieser Adventszeit den Chor aus Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrern unserer Sophie-Barat-Schule und des Niels-Stensen- Gymnasiums mit diesem mächtigen Choral gehört: „Machet die Tore weit, und machet die Türen in der Welt hoch“.
Im Advent haben wir uns darin eingeübt, nicht zuletzt durch die Türchen, die Tag für Tag an einem klassischen Adventskalender geöffnet werden.
An Weihnachten hat Gott die Tür zu sich weit aufgerissen. Sein Sohn ist einer von uns geworden und auf diese Erde gekommen. Dieser neugeborene Christus steht ganz für die Verbindung zu Gott. Deswegen sagt er von sich selbst unter anderem: „Ich bin die Tür“ (Joh 10,9). In ihm haben wir „Zugang zum Vater“ (Eph 2,18).
Deswegen hat Papst Franziskus das Heilige Jahr mit der Christmette an diesem Weihnachtsfest im Petersdom in Rom feierlich eröffnet und dabei dreimal an die sogenannte Heilige Pforte geschlagen, die sich dann von innen geöffnet hat. Weihnachten und die Öffnung der Heiligen Pforte haben ein und dieselbe Botschaft: der Zugang zu Gott ist nicht vermauert und verbarrikadiert, sondern unser Gott öffnet sich, gibt sich zu erkennen und wünscht nichts sehnlicher, als dass wir den Weg zu ihm finden und den Kontakt mit ihm halten.
Mit dieser Perspektive lässt sich leben und sterben. Der Heilige Stefanus, dessen Fest wir gleich am zweiten Feiertag begangen haben, stirbt mit den Worten auf den Lippen: „Ich sehe den Himmel offen“.
Vor einigen Jahren habe ich einmal im Urlaub in Frankreich in einem Museum eine Marienfigur bestaunt. Sie gehörte zur Gattung der vierge ouvrante. Wir übersetzen das gewöhnlich mit Schreinmadonna, wörtlich muss es wohl heißen: eine sich öffnenden Marienfigur. Sie ist so konstruiert, dass man sie aufklappen kann und dann meist schöne Gemälde von einzelnen Glaubensgeheimnissen findet, die Maria in ihrem Inneren erwogen hat. Es gab diese Figur sogar als Tabernakel: im Innern der Muttergottes wurde die Eucharistie aufbewahrt, also der Leib dessen, den Maria in ihrem Schoß getragen und dann zur Welt gebracht hat. Maria ist selber wie eine Pforte, die sich weit öffnet, um Christus in sich hineinzulassen. Damit wird Maria mir am Beginn des Heiligen Jahres zu einem guten Vorbild: Nicht nur Gott öffnet sich, sondern ich öffne ebenso mein Herz und mein ganzes Leben für ihn, damit er zu mir kommen kann. Die Heilige Pforte erinnert also nicht nur an Gott, sondern sie ist auch ein Bild für mein eigenes Leben: ich öffne mich wie eine Pforte und lassen ihn in mein Leben eintreten.
Bei mir klopft aber nicht nur Gott an. Immer wieder sind es Menschen, die anklopfen und den Kontakt, das Gespräch, die Begegnung, Unterstützung und Hilfe suchen. Papst Franziskus hat zum Heiligen Jahr uns allen die „Türen der Gastfreundschaft“ ans Herz gelegt (Bulle zum Hl. Jahr 13). Keiner soll vergeblich klopfen: Kranke, junge Menschen, Migranten, alte, Milliarden von Armen… Denn: „ich war fremd (ich habe bei euch angeklopft) und ihr habt mich aufgenommen“ (Mt 25, 35). Schön, dass Papst Franziskus neben den Heiligen Pforten an den großen Basiliken in Rom eine weitere in einem Gefängnis eröffnet hat. Gerade den Gefangenen soll dadurch die Möglichkeit von Vergebung und Versöhnung aufleuchten.
Wir gehen in das Jahr 2025 herüber, das Heilige Jahr. Möge es für uns alle ein Jahr werden, in dem wir möglichst viele Türen offenhalten: die Tür meines eigenen Lebens und Herzens, die Tür zu Gott, die ich jeden Tag in Gebet und Sakrament neu durchschreiten kann, und die Tür zu meinen Mitmenschen.