Als Christen engagieren wir uns aus unserem Glauben heraus. Der christliche Glaube ist persönlich, aber nie privat. Die Entscheidung für den Glauben ist persönlich. Aber das Glaubensleben wird damit nicht ins „stille Kämmerlein“ verwiesen. Das Engagement der Christen ist keine Privatsache. Wir glauben an die Menschenfreundlichkeit Gottes. Und wir sind davon überzeugt, dass diese Menschenfreundlichkeit Gottes auch in unserem Handeln zum Ausdruck kommen muss.
„Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ So spricht Jesus nach dem Johannes Evangelium über sein Selbstverständnis als guter Hirte der Menschen.
Das Leben in Fülle: Wie viele Menschen sind weit entfernt von einer solchen Perspektive für ihr Leben?
Das Gegenbild zu einem Leben in Fülle formuliert Papst Franziskus in seinem wohl provokantesten Satz: „Diese Wirtschaft tötet.“ Das Wort aus seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ ist zur Schlagzeile geworden für eine Kritik an der absoluten Autonomie der Märkte.
Wir sagen: Menschen dürfen nicht ausgegrenzt und wie Müll behandelt werden. Die Wirtschaft muss die Würde jedes Menschen beachten und auf das Gemeinwohl ausgerichtet sein.
Das sind keine neuen Aussagen. Sie prägen die Katholische Soziallehre von Anfang an.
Und in der Ökumene der Kirchen ist bereits in den 1980er Jahren ein Konziliarer Prozess entstanden. Zentrale Ziele sind Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung.
Ein Thema liegt mir besonders am Herzen. In der Deutschen Bischofskonferenz bin ich mit den Fragen der Flüchtlingshilfe befasst. Natürlich in Deutschland. Aber die globale Herausforderung des Themas Flucht ist nicht zu übersehen.
Weltweit sind mehr als 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Die meisten sind Vertriebene im eigenen Land oder leben in den Flüchtlingscamps der Nachbarstaaten. Nicht wenige aber machen sich auch auf den Weg in weit entfernte Länder.
Ohne eine politische Lösung der Konflikte in Syrien, Irak und auch in Teilen Afrikas kann es keine Überwindung der Fluchtursachen geben. Es ist dringend notwendig, friedensstiftende Maßnahmen in den Herkunftsländern zu unterstützen.
Zur nachhaltigen Fluchtursachenbekämpfung gehören nicht zuletzt auch faire Handelsbeziehungen, Bildungs- und Arbeitsperspektiven in den Herkunftsländern sowie wirksamer Klimaschutz.
Um der Probleme Herr zu werden, bedarf es größerer Anstrengungen und vermehrter gemeinsamer Bemühungen der Staatengemeinschaft.
Aber gerade im vergangenen Jahr scheint eine gegenläufige Entwicklung Fahrt aufgenommen zu haben. In den westlichen Ländern, die über Jahrzehnte hinweg als Stützen eines kooperativen internationalen Systems in Erscheinung getreten sind, macht sich Müdigkeit breit und ein Gefühl der Überforderung angesichts der Gefahren und Probleme.
Die Vorstellung, man solle sich auf sich selbst (und nur auf sich selbst!) besinnen, sich auf niemand anderen verlassen und der Welt den Rücken zukehren, gewinnt an Boden. Was sonst bedeuten der starke Zuspruch für rechtspopulistische Bewegungen (auch in Deutschland), die Entscheidung der britischen Bevölkerung für den Austritt des Landes aus der EU und der Sieg des „America first“-Kandidaten Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl in den USA?
Diese Ereignisse haben eines gemeinsam: den Willen zum Rückzug aus gemeinsamer internationaler Verantwortung und die Konzentration auf die eigenen Probleme und Interessen. Stets bläst der Wind dabei den Flüchtlingen und Migranten besonders ins Gesicht. Sie drohen als erste Opfer des neuen nationalstaatlichen Revivals und nationalistischer Stimmungen zu werden.
Der G20-Gipfel ist ein sichtbarer Ausdruck der Globalisierung. Der Gipfel muss auch ein Schritt werden in der Entwicklung globaler Verantwortung. Auch wenn es aktuell nationale Interessen wieder stärker betont werden, darf es kein Zurück auf dem Weg zur Entwicklung einer globalen Verantwortung geben.
Ich halte es für sehr wichtig, dass es diese Gipfeltreffen gibt. Sie bieten immer auch die Chance, mehr für den Erhalt der Lebensgrundlagen aller Menschen zu tun und das Leben der benachteiligten Menschen zu verbessern.
Deshalb formulieren wir unsere Hoffnungen und Erwartungen an die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer.
Ich bin überzeugt davon, dass die Staats- und Regierungschefs dieser Länder das Antlitz der Erde verändern können. Zum Besseren.