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Predigt

Predigt anlässlich der Niels Stensen Pilgerreise

09. September 2016
St. Marien-Dom in Hamburg

Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Schwestern und Brüder,

zwei Jahre, also nicht besonders lang, ist Niels Stensen hier bei uns in Hamburg gewesen, 1683 bis 1685. Damals war es eine ziemlich kleine katholische Gemeinde hier vor Ort, ganz wenige Katholiken, und zu allem Überfluss heillos zerstritten, so dass Niels Stensen zwischen die Fronten geriet und wahrscheinlich auch deswegen nach so kurzer Zeit schon weg war und in Schwerin eine neue Herausforderung, eine neue Aufgabe für sich gefunden hat. Das werden Sie alles sicher im Laufe der nächsten Tage noch weiter erfahren, wenn Sie diesem Seligen auf seiner Spur folgen.

Heute ist Hamburg immer noch eine Diaspora, obwohl das Bistum wächst. Das Erzbistum hat gerade bei der jüngsten Statistik die Marke von 400 000 Katholiken überwunden. Aber um es gleich ehrlich zu sagen, wir wachsen hier in Hamburg nicht deswegen, weil wir so missionarisch wären und weil alle Welt sagt: „Mein Gott, bei denen muss ja was los sein. Das machen wir auch“. Wir wachsen, weil viele Menschen in unsere Stadt ziehen, und zwar viele fremdsprachige Katholiken. Ein Drittel der Katholiken hier in Hamburg kommt aus anderen Ländern und spricht andere Sprachen. Wenn Sie am Sonntagmittag hier um 12.00 Uhr den Mariendom besuchen, dann ist er voll mit Portugiesen und ein paar Stunden später mit Kroaten. An den großen Feiertagen Ostern oder Weihnachten geht es hier rein und raus in den verschiedenen Sprachen. Für mich als neuer Bischof hier in Hamburg ist es auch ein Lernprozess, dass die Katholiken anderer Muttersprache genauso meiner Sorge bedürfen wie die Deutschen. Das ist ein großes Plus der katholischen Kirche, dass wir keine Nationalkirche sind in verschiedenen Sprachgruppen, sondern eine Universalkirche. Deswegen ist der katholische Bischof immer für alle da, egal welche Sprache sie sprechen.

In den eineinhalb Jahren, die ich jetzt hier bin, habe ich schon viel kennengelernt. Aber ich lerne auch immer wieder Neues kennen. Fünfzig Jahre habe ich im Rheinland gelebt und ich muss Ihnen sagen, hier ist eigentlich alles anders. Aber das macht das Ganze spannend. Wenn man immer im selben Fahrwasser und Trott ist, dann wird es irgendwann eingefahren und ich freue mich darauf, dieses Bistum, diese Menschen, diese Situation immer weiter kennenlernen zu können. Auch wenn ich noch nicht sagen kann, dass Hamburg meine Heimat ist, Köln ist es nicht mehr. Hamburg ist aber für mich schon ein gutes Zuhause geworden und ich bin froh, hier Bischof sein zu dürfen in dieser spannenden Situation, weil ich glaube, dass wir hier in Hamburg etwas erleben, was in vielen Teilen Deutschlands noch auf uns zukommen wird.

Neulich bekam ich eine Landkarte vom Bonifatiuswerk aus Paderborn zugeschickt über die konfessionelle Landschaft in Deutschland. Da fiel mein Blick natürlich direkt auf das Erzbistum Hamburg und darunter stand dann sehr klar: 7 % Katholiken. In Hamburg sind es ein paar mehr, aber auf das ganze Bistum gerechnet, kommen wir etwas tiefer, bei diesen 7 % raus, weil zu unserem Bistum ja auch der mecklenburgische Teil gehört, und dort sind nur 3 % der Bevölkerung katholisch, 17 % evangelisch und der Rest nichts. In Passau, um einmal einen kleinen Vergleich zu bieten, sind es nicht 7 sondern 70 %. Deutschland ist sehr bunt und sehr verschiedenartig, auch was die Konfessionen anbelangt. Wir sind nicht nur als Katholiken in der Diaspora, sondern wir leben hier oben als Christen in der Diaspora. Hier in Hamburg sind gerade mal 40 % der Menschen getauft, 60 % nicht. Und wie gesagt, in Mecklenburg 20 zu 80. Aber ehrlich gesagt, deswegen müssen wir hier nicht Trübsal blasen. Das brächte sowieso nichts. Ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass Diaspora nicht einfach Minderheit bedeutet oder gar Minderwertigkeit, sondern dass Diaspora auch etwas ist, was Stärke hat, dass Diaspora eine kirchliche Situation ist mit großer Kraft. Ehrlich gesagt, auch wenn wir eine kleine Ortskirche sind, in allen Teilen unseres Erzbistums nehme ich wahr, dass man auf uns baut, dass man mit uns rechnet, und dass wir eben nicht wie die Letzten der Mohikaner aufgefasst werden. Einen Vorteil, den wir hier oben haben; wir haben wenige Ballast. Aus meiner Zeit als Generalvikar in Köln hatte ich immer wieder die Frage: Wie können wir uns von diesem und jenem befreien, weil man auch da gar nicht mehr die Kraft hat, das alles zu tragen und zu bewerkstelligen. Hier haben wir weniger, weniger Geld, weniger Personal, weniger Stellen, weniger Gebäude. Das macht frei. Manches Mal denke ich an das Wort Jesu: „Nehmt nichts mit auf den Weg“. Ich glaube ganz im Sinne unseres jetzigen Papstes – die Kirche der Gegenwart soll mobil sein. Und ich erlebe uns als ziemlich immobil, vielleicht auch wegen der vielen Immobilien, die es da gibt. Und die dann leider oft an der falschen Stelle stehen, jedenfalls nicht da, wo das Leben spielt.

Liebe Schwestern und Brüder, die Menschen hier oben im Norden, so erlebe ich das, sind unserer Kirche gegenüber nicht abgeneigt. Die wissen eigentlich so gut wie gar nichts, und deswegen haben sie auch wenige Vorurteile. Im Gegenteil manchmal wundern sie sich, dass es überhaupt noch hier und da Katholiken gibt. Vor einiger Zeit bin ich mit dem Fährschiff nach Amrum zur Firmung übergesetzt. Nach ein paar Jahren war der Pfarrer froh, dass endlich fünf Firmlinge zusammengekommen sind. Mein Vorgänger hat auf Helgoland übrigens einmal einen alleine gefirmt. Helgoland gehört ja genauso zu uns wie Amrum, Föhr, Sylt. Wir haben sechs Inseln. Wir fuhren mit dem Schiff rüber und dann sah ein Bediensteter im Bordrestaurant den Pfarrer und mich. Er erkannte uns am Kragen und meinte, ob wir von der Kirche wären. Ich habe uns dann vorgestellt, und als er hörte „katholisch“, da meinte er: Gibt es hier Katholiken? Wirklich? Immerhin auf Amrum eine Gemeinde von 100-150 Katholiken. Kleine Gemeinden, kleine Kirchen - dieser Dom ist schon eine der Großen - aber damit auch eine Nähe. Wenn ich bedenke, wie weit der Bischof in einer flächenmäßig großen Diözese von seinen Gemeinden weg ist, dann kann ich nur sagen: Der Bischof von Hamburg hat die Möglichkeit, nah bei den Gemeinden zu sein. Ich will nicht sagen, dass ich jeden kenne. Aber ich kenne viele wieder und weiß bei manchen, wo ich sie so ungefähr hin-stecken muss. Diese persönliche Nähe, die nicht nur zwischen dem Bischof und seinen Gemeinde gilt, sondern auch in den Gemeinden – man kennt sich hier als Katholiken – das ist ein großes Plus. Etwas, das Sie wahrscheinlich auch in Dänemark wieder erleben werden, das gibt es auch hier bei uns. In vielen Gemeinden versammelt man sich nach dem Sonntagsgottesdienst noch zum Kirchenkaffee. Man fährt nicht einfach wieder direkt nach Hause, sondern man bleibt, jedenfalls dann und wann, zusammen und tauscht sich aus und begegnet sich. Dadurch kennt man sich und manchmal denke ich an dieses schöne Wort Jesu: „Ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich“. Das ist hier greifbar und spürbar. Und weil wir so Wenige sind, liebe Schwestern und Brüder, kommt es auf jeden Einzelnen an. Damit wird mir deutlich: Die Kirche lebt nicht von Strukturen, die Kirche lebt nicht von äußeren Mitteln. All das mag hilfreich und gut sein, aber die Kirche lebt zuallererst von Personen, von Menschen. Alles in der katholischen Kirche ist zuallererst persönlich und personal. Deswegen muss ich als Bischof nach diesen eineinhalb Jahren hier sagen, die größte Priorität hat für mich die Stärkung dieser Person, modern sprechen wir von Personalentwicklung. Das tut man in Unternehmen so. Das macht unsere Personalabteilung aus gutem Grund so. Aber das gilt eigentlich für jeden Christen. Im Grunde kommt es darauf an, dass die einzelnen Christen entwickelt werden, oder sich entwickeln. Das heißt, dass jeder Einzelne von uns das hebt, was er in seiner Taufe empfangen hat und realisiert, welch großer Schatz das ist, den wir da haben. Liebe Schwestern und Brüder, wenn es uns dann noch gelingt, in das Leben der Menschen hineinzukommen, hinzugehen und dazu sein, wo die Menschen sind, um an ihr Leben anzuschließen. Wenn wir ihnen dann noch ein bisschen von Gott, von seiner Größe und Liebe, ins Leben bringen können, dann sind wir Kirche in der Diaspora, die sich nicht versteckt, sondern die ist wie der Sauerteig, der den ganzen Teig durchsäuern möchte. Wir brauchen gar nicht so viele zu sein. Die Masse allein macht es ja nicht, sondern die Qualität. Damit sind wir bei unserem Glauben. Ich bin der Überzeugung, dass ein Mann wie Niels Stensen das damals schon gespürt und erlebt hat, und dass er deswegen nicht unbedingt immer den großen Erfolg hatte. Aber dass von innen her der Glaube herausging in allem, was dieser Mann getan, gesagt und gedacht hat. Das war ein sehr kreativer Kopf, der nicht nur gepredigt hat, sondern der die Menschen besucht hat, der ihnen begegnet ist und der Gott sei Dank über viele Fertigkeiten verfügte und die Menschen in ihrer Breite ansprechen konnte, als Wissenschaftler, als Geologe, als Mediziner. Diese vielen Wege, die dieser Mann in sich vereinigt hat, die müssen wir heute gehen, um die frohe Botschaft zu den Menschen zu bringen und ihnen das weiterzugeben, was uns erfüllt. Wir haben das eben im Evangelium gehört. Wovon das Herz voll ist, davon läuft der Mund über. Wenn das Herz aber leer ist, dann läuft auch nichts über. Deswegen diese Personalentwicklung vom Herzen her. In Schwerin werden Sie es sehen, das Symbol, was für Niels Stensen steht, ist das Herz mit dem Kreuz drin. Über dem Bischofssitz ist mein Wappen und in einem der Felder ist das zu sehen. Das Stensenherz, das für diesen Mann steht und für sein Leben. Wovon das Herz voll ist, läuft der Mund über. Amen.

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