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Predigt

Predigt im Gedenkgottesdienst im Marienkrankenhaus

Veröffentlicht am: 7. Juni 2025
Marienkrankenhaus Hamburg

Es gilt das gesprochene Wort!

(Les.:  Mt 5, 3-12 )

Die Brandkatastrophe, die sich hier im Marienkrankenhaus in der Nacht vom vergangenen Samstag auf den Sonntag ereignet hat, hat eine Wirklichkeit ans Licht gezerrt, die wir gerne vermeiden und ausblenden: Unsere radikale Verletzlichkeit. Vier alte, hilflose Menschen mussten sterben.

Jesus will in diese Realität der Zerbrechlichkeit hineinsprechen und hineinwirken. Jesus spricht nicht für Idealmenschen, im Gegenteil, die haben es bei ihm schwer. Jesus wendet sich den Kranken, den Armen, den Ausgestoßenen zu, eben denen die verletzt, bedroht, am Rand ihrer Existenz stehen. Die Seligpreisungen, die wir gerade gehört haben, wollen in solche Situationen hereinsprechen. Sie wollen nicht verklären oder verharmlosen, sondern sind Offenbarung Gottes für die menschlichen Situationen, wo das „Leben brennt“ – buchstäblich und existenziell. Sie zeigen: das Reich Gottes beginnt nicht dort, wo Menschen stark sind und alles selbst im Griff haben, sondern wo Gott schwache, trauernde, hungernde, barmherzige Menschen im Blick hat, wo er sie trägt, und sie auf ihn setzen.

Ich will versuchen, dies an drei der Seligpreisungen kurz aufzuzeigen:

1. „Selig, die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“ 
Die Leidtragenden, das sind die vier Menschen, die sterben mussten; das sind die Verletzten, die Patienten, die fluchtartig in der Nacht ihre Zimmer räumen mussten; das sind die Helferinnen und Helfer aus dem Haus, von der Feuerwehr und Polizei: Sie alle tragen das Leid. Sie haben es in jener Nacht förmlich in die Hand nehmen müssen und getragen, ihr Leid. Und viele werden dieses Leid weitertragen müssen. Helferinnen und Helfer, Seelsorgerinnen und Seelsorger, nicht zuletzt Angehörige und Freunde werden Sie dabei hoffentlich begleiten.
Unser aufrichtiger Dank gilt allen Einsatzkräften, die in dieser schweren Nacht mit Mut, Mitgefühl und unermüdlichem Einsatz für andere da waren.
Sie sollen getröstet sein: das nimmt nicht den Schmerz, das macht das Geschehene nicht ungeschehen. Trost will dieses Leiden begleiten, nicht vergessen, es teilen, zur Seite stehen, aushalten, auch fragend und klagend.

2. „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen“
Mitten in dem zerstörerischen Feuer brannte ein anderes Feuer, das Feuer der Barmherzigkeit – in den Händen, den Augen, den Schritten und Taten der Rettungskräfte, der pflegenden, der Seelsorger. Sie trugen Menschen hinaus, riskierten ihr eigenes Leben. Das war professionelle Hilfe; das ist aber auch: Selbstlosigkeit, Einsatz,  Rettung – eben Barmherzigkeit, also eine Herzlichkeit, ein Mitgefühl, das tiefer nicht gehen kann. 
Das hebräische Wort für Barmherzigkeit spricht von den Eingeweiden (rachamim). Barmherzigkeit  ist also kein oberflächliches Gefühl, sondern die tiefste und schönste Regung eines Menschen. Ohne solche tiefe Barmherzigkeit geht menschliches Leben nicht.

3. „Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden“
Nach dem Schock kommt die Frage: wie konnte das passieren? Wer hat versagt? Welche Strukturen passten nicht? Ja, wer trägt die Schuld?
Die Seligpreisung spricht von der Gerechtigkeit. Der Hunger danach ist berechtigt. Gerechtigkeit ist mehr als Entschädigung: Sie bedeutet Wiederherstellung von Würde und Schutz, gerade für die, die sich nicht selbst schützen können. Dieser Durst darf nie in unserer Gesellschaft erlöschen. Danach müssen wir uns immer sehnen und ausstrecken, nach einer Gerechtigkeit, die dem einzelnen gerecht wird, einer Gerechtigkeit mit Gesicht.

Er darf niemals verbitterten. Der Durst nach Gerechtigkeit – so heilig und notwendig er ist – birgt eine geistliche Gefahr: Löst er sich vom Fundament der Liebe, droht er zu verrohen in einen unbarmherzigen Eifer, der nicht mehr heilt, sondern verurteilt. Dann verliert die Gerechtigkeit ihr menschliches Antlitz und wird zur kalten Kategorie. Die Gerechtigkeit, die Christus seligpreist, sucht nicht bloß Ausgleich, sondern Erneuerung; sie richtet nicht nur, sondern richtet auf. Darum darf unser Sehnen nach Gerechtigkeit nie vom Geist der Barmherzigkeit getrennt sein – sonst verfehlt es das Heil, nach dem es dürstet.

Liebe Gemeinde,
diese Seligpreisungen sprechen auch über eine andere Welt, sprechen von der Seligkeit des Himmels. Sie sprechen aber auch von und in diese Welt hinein. Sie sind eine göttliche Zusage an uns: wo du trauerst, wo du barmherzig bist, wo du fragst und dich nach Gerechtigkeit sehnst – dort bin ich. Die Verstorbenen und die Verletzten bleiben in Gottes und in unser Herz eingeschrieben. Sie und die Helfenden bleiben getragen und getröstet. Und wir alle bleiben gerufen, nicht zu vergessen, sondern die größere Gerechtigkeit zu suchen und immerfort nach ihr zu dürsten.

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