„Mit Ihnen zusammen bin ich dankbar, dass wir einen Papst haben: Habemus papam. Ich freue mich über diesen Papst namens Leo. Ich hoffe, dass er uns an der Hand des Augustinus tiefer in den Glauben hineinführt.“
Erzbischof Dr. Stefan Heße
Es gilt das gesprochene Wort!
(1. Les.: Apg 15, 1-2.22-29; 2. Les.: Offb 21, 10-14.22-23; Ev.: Joh 14, 23-29)
Habemus papam - am 8. Mai dieses Jahres, plötzlich weißer Rauch, abends gegen 19.10 Uhr hat einer der Kardinäle (Kardinal Mamberti) in Rom von der Loggia des Petersdomes diese zwei Worte verkündet: Habemus papam: wir haben einen Papst! Bleiben wir in einem ersten Schritt genau dabei: wir haben einen Papst. Der bisherige Papst Franziskus war am Ostermontag dieses Jahres gestorben; er wurde in einer bewegenden Trauerfeier beigesetzt; dann begannen die Beratungen der Kardinäle und schließlich das Konklave. Vom Tod des letzten Papstes bis zu diesem Habemus papam war der Stuhl des Papstes leer: Sedisvkanz, die Zeit ohne Papst.
Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Messfeiern in dieser Zeit, in der kein Papstname erwähnt wurde. Bevor wir genauer erfahren, wer der neue Papst konkret ist, ist bedeutsam, dass wir einen Nachfolger Petri haben, dass der Stuhl des Petrus nicht mehr leer ist. Indem wir einen neuen Papst haben, haben wir einen neuen Petrus, einen Menschen, der den Petrusdienst von damals heute weiterführt. Natürlich folgt der jetzige Papst auf den vorherigen, aber jeder einzelnen neue Papst ist Nachfolger von Petrus selbst. Es ist ein Spezifikum unserer römisch-katholischen Kirche, diesen Petrusdienst durch die Geschichte bis heute weiterzuführen. Übrigens gibt es in der Geschichte unserer Kirche ein berühmtes Zeugnis des ersten Papstes Leo, von Leo dem Großen. Er hat das Konzil von Chalcedon mitvorbereitet und eine kluge christologische Formulierung eingebracht, die offenbar die Theologen des Ostens so sehr beeindruckt hat, dass sie geantwortet haben: „durch Leo hat Petrus gesprochen“. Genau das ist es: im Dienst von Papst Leo setzt sich der Dienst des Petrus in der Kirche von heute fort. Dieser Petrus von damals und von heute soll und muss den Glauben an Christus, den Sohn Gottes wachhalten. Sich auf den Papst zu beziehen, ja ihm zu vertrauen, einmal nach Rom zu reisen und ihn zu erleben – all das findet seinen tiefsten Sinn nur darin, dass dieser Papst wie Petrus für die Kirche das Zeugnis zu Jesus dem Sohn Gottes garantiert. Es geht um nicht weniger als um den Absolutheitsanspruch Jesu als Sohn Gottes.
Habemus papam - das bedeutet in einem zweiten Schritt ganz konkret: Habemus Leonem. Wir haben einen Papst namens Leo XIV. Dieser Leo ist der 267. Nachfolger des heiligen Petrus. Am 14. September 1955 wurde er in Chicago als Sohn von Eltern mit französisch-spanisch-italienischen Wurzeln zur Welt gebracht. Mit seinen 69 Jahren wirkt er für einen Papst relativ jung. Er hat Mathematik und Philosophie studiert, trat dann in die Ordensgemeinschaft der Augustiner ein, also dem Orden, dem Martin Luther angehörte. Wir haben damit nach dem Jesuiten Franziskus wieder einen Ordensmann als Papst. 1982 wurde er zum Priester geweiht; ein paar Jahre später machte er seinen Dr. in Theologie in Rom und wirkte dann in seinem Orden als Professor, Oberer, schließlich als Kirchenrechtler im Erzbistum Trujilo. Von 2001 bis 2013 war er Oberer des weltweiten Augustinerordens. Am 3. November 2014 wird er von Papst Franziskus zum Bischof ernannt und zum apostolischen Administrator von Chiclayo in Peru. Zu Beginn des Jahres 2023 ruft Papst Franziskus Robert Francis Prevost OSA schließlich nach Rom und beauftragt ihn, die Behörde für die Bischöfe zu leiten.
Wir werden ihn und seine Persönlichkeit in den nächsten Jahren sicher intensiver kennen lernen können. Von denen, die ihn kennen, wird er als besonnen, nüchtern, innerlich gesammelt, geistlich, bescheiden, sehr gescheit und erfahren beschrieben; und das als Wissenschaftler, als Seelsorger und als Mensch mit Leitungserfahrung. Mit diesen Grundeinstellungen beginnt Papst Leo seinen neuen Dienst.
Wie jeder Papst sucht er sich einen Namen: Leo, bereits der 14. damit knüpft er offenbar bewusst an Leo XIII. an, der zwischen 1878 und 1903 als Papst die Kirche leitete. Er ist bis heute herausragend, vor allem für seine erste große Sozialenzyklika RERUM NOVARUM (1891). Damit hat er vor gut 130 Jahren eine Antwort auf die soziale Frage geben wollen und eine Brücke zwischen Leben und Glauben, zwischen Gesellschaft und Kirche geschlagen. Papst Leo XIV. sieht weiterführende Herausforderungen in der Gegenwart: die Digitalisierung, vor allem die künstliche Intelligenz, die Bewahrung der Würde des Menschen, die globale Migration, die Umweltkrise, ein dramatischer Anstieg sozialer Ungleichheit, Themen wie Gerechtigkeit und den Wert der Arbeit. Offenbar ist es ihm ein Anliegen auf diese Herausforderungen zu antworten. Vielleicht ist noch sein erstes Wort auf der Loggia des Petersdoms im Ohr: „La pace sia con voi“ - der Friede sei mit euch! Wie sehr wünschen wir uns, dass die Kriege in der Ukraine und in Gaza und an vielen anderen Orten auf dieser Erde beendet sind! Wie sehr wünschen wir uns, dass auch zwischen Völkern und zwischen Menschen eine umfassende Ordnung des Friedens existiert; dazu Wohlfahrt, Gerechtigkeit, Versöhnung, Respekt. All das steckt in diesem umfassenden Frieden, in diesem göttlichen Schalom drin. Das ist offenbar die große Vision, mit der Papst Leo sein Amt beginnt.
Und schließlich ein drittes: Bisher schrieb Kardinal Prevost stets das Kürzel seiner Ordensgemeinschaft hinter seinen Namen: OSA (Ordo Sancti Augustini). Wir haben nicht nur einen Papst, wir haben nicht nur einen Leo, wir haben einen Augustiner. Schon in seiner ersten Predigt hat er dieses berühmte Wort des heiligen Augustinus zitiert: „Mit euch bin ich Christ, für euch bin ich Bischof!“ Er ist sich also offenbar sehr bewusst, dass er einen Dienst in der Kirche übernommen hat, der für sie konstitutiv ist, den wir nicht Weg nivellieren können. Zur katholischen Kirche gehört das Amt; ohne Diakone, Priester und Bischöfe gibt es keine katholische Kirche! Aber mit diesem Wort des heiligen Augustinus macht er deutlich, dass jedes Amt in die Gemeinschaft aller Gläubigen eingeordnet ist. Kein Amtsträger hört auf, Christ zu sein. Die Taufe und Firmung sind die höchsten Geschenke eines jeden Christen. Geweiht wird man nie für sich selbst, sondern immer im Dienst und zum Dienst für andere: für euch bin ich Bischof. Man darf darin sicher ablesen, dass es Papst Leo ein Anliegen ist, die Synodalität der Kirche weiter durchzubuchstabieren und mit Leben zu füllen. Wir dürfen gespannt sein, ob und wie Papst Leo das Denken des Augustinus und seine geistliche Grundhaltung der ganzen Kirche nahebringt, in etwa so wie Papst Franziskus die Spiritualität des heiligen Ignatius stärker in die gesamte Kirche hineingebracht hat.
Mit Ihnen zusammen bin ich dankbar, dass wir einen Papst haben: Habemus papam. Ich freue mich über diesen Papst namens Leo. Ich hoffe, dass er uns an der Hand des Augustinus tiefer in den Glauben hineinführt. Gott segne Papst Leo und die ganze Kirche!