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Predigt

Predigt zur Chrisammesse

14. April 2025
St. Marien-Dom in Hamburg

„Der gefüllte Kelch erinnert uns Tag für Tag an Gottes Nähe, an Christi Gegenwart in Kirche und Welt.“

Erzbischof Dr. Stefan Heße

Es gilt das gesprochene Wort!


(1. Les.: Jes 61, 1-3a.6a.8b-9 ; 2. Les.: Offb 1, 5-8; Ev.: Lk 4, 16-21)

 

Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, liebe Diakone,
liebe Ministrantinnen und Ministranten,
liebe Schwestern und Brüder!

Manchmal höre ich bei der Verteilung der verschiedenen Dienste unter den Messdienern in der Sakristei: „Ich mache heute Kelch“. Der Messdiener meint damit, dass er bei der Gabenbereitung den Kelch zum Altar trägt und nach der Kommunion wieder zurück zum Gabentisch bringt. Es ist wohl etwas Besonderes, den Kelch tragen zu dürfen.

Und so ist es kein Zufall, dass der Kelch in der Regel etwas Kostbares ist. Er ist kein Pappbecher, kein Blechnapf und auch kein einfaches Weinglas. Gewöhnlich hat er eine stattliche Größe, ein gewisses Fassungsvermögen und ist aus einem kostbaren Material gefertigt. Der Kelch ist nach oben geöffnet, oft weit ausladend und steht seinem Wesen nach für Offenheit und Empfangen. Alle diese Eigenschaften eines Kelches machen ihn zu mehr als nur einem schönen Behältnis. Der Kelch ist durch seine Gestaltung ein Symbol, das heute ein wenig zu uns sprechen kann.

In einem alten Mariengebet, der lauretanischen Litanei, wird Maria als Kelch des Geistes bezeichnet und als Kelch der Hingabe. Der Kelch sagt uns etwas über uns selbst: Wie der Kelch aufnahme- und abgabebereit ist, so soll jeder Christ sein. Der Christ, der Mensch – auch der Priester – soll offen und empfänglich sein wie ein Kelch und auch bereit, abzugeben und weiter zu schenken. Der offene Kelch kann mich Tag für Tag daran erinnern.

Der Kelch steht für unser Leben mit allem, was darin enthalten ist: das Süße und das Bittere des Lebens, das Erfrischende und das Betörende – alles fließt zusammen, gehört dazu. Den Kelch zu umfassen, anzunehmen und auszutrinken, bedeutet, sein Leben zu bejahen – so wie es sich zugetragen hat, die eigenen Lebenserfahrungen zu akzeptieren.

In der Vertonung des 23. Psalms singen wir immer wieder: „Du hast mein Haupt getränkt, gesalbt mit Freudenöl, den Kelch mir eingeschenkt, hoch voll zur Lust der Seele“ (GL 421, 4.)

Jesus spricht zwei Mal im übertragenen Sinne vom Kelch. Bei seiner Gefangennahme entgegnet er seinen Jüngern: „Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir der Vater gegeben hat?“ (Joh 18, 11). Vorher hatte er in Getsemani im Gebet gerungen und den Vater angerufen: „Mein Vater, wenn es möglich ist, möge dieser Kelch an mir vorübergehen; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ (Mt 26, 39) Die dritte Strophe des Liedes „Von guten Mächten“ greift dieses Bild auf:

„Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
Des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
So nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
Aus deiner guten und geliebten Hand.“

Dietrich Bonhoeffer schrieb diese Zeilen 1944, wenige Tage vor Weihnachten im Gefängnis in Berlin-Tegel. Das Kriegsende nahte, doch er hatte bereits die Vorahnung, dass er dieses nicht mehr erleben werde. In der vergangenen Woche konnten wir seinen 80. Todestag begehen.

Das Vertrauen darauf, dass bei aller Bitterkeit und Härte, die das Leben bringen kann, Gott treu und liebend an unserer Seite bleibt, kann eine tiefe Gelassenheit schenken, die über unsere menschliche Angst hinausträgt.

Wenn zu einem feierlichen Anlass ein Toast gesprochen wird, dann steht das Erheben des Glases auf das Wohl einer Person in genau dieser Bedeutung: Der Mensch und sein Leben werden hochgehoben – eine Geste des Dankes und des Segnens.

Die Eucharistie ist die große Feier der Danksagung. Die Geste des Erhebens des Kelches begegnet uns auch hier: Wir füllen den Kelch mit den Gaben der Erde, dem Wein, Sinnbild dessen, was unsere Erde und unser menschliches Tun zu geben haben, Sinnbild des Lebens, Bild des Menschen. Wir erheben den Kelch. Gottes Geist wandelt die menschlichen Gaben und Bruchstücke in seine göttliche Fülle. Der gefüllte Kelch erinnert uns Tag für Tag an Gottes Nähe, an Christi Gegenwart in Kirche und Welt. Wir können sie Tag für Tag empfangen und weitergeben: Nehmt und esst, nehmt und trinkt! Die Kirche lebt aus der Eucharistie. Der große Kelch enthält Trank für alle.

Für uns Priester wird im Kelch unsere priesterliche Berufung greifbar. Wir sind Repräsentanten Jesu Christi. Er ist unter uns gegenwärtig. Wir dürfen ihn darstellen und ihm unsere Stimme geben, unser Leben zur Verfügung stellen.

Jeder Kelch hat einen Fuß. Er muss stabil stehen können, um den kostbaren Inhalt nicht zu verschütten. Auch das ist ein Bild für mich: Ich brauche Standfestigkeit, festen Boden unter den Füßen, Stabilität. Gerade in Zeiten großer Veränderungen in der Gesellschaft, in der Politik und auch in der Kirche braucht es Stütze und Halt. Der Kelch stellt mich vor die Frage: Worauf stehe ich? (Durchaus im doppelten Sinn des Wortes.) Was mir Halt gibt, ist mein Vertrauen auf Gott, mein Glaube. Stehe ich auf ihm? Gilt meine Liebe ihm? Ihm zuerst? Setze ich meine Hoffnung auf Gott allein?

Aus jeder Eucharistiefeier ist uns der Kelch vertraut, egal ob wir im Messdieneramt sind oder Priester und Diakone oder als Mitfeiernde. Oft haben Priester ihren Kelch, manchmal eine kostbare Gabe der Eltern, manchmal von einem Mitbruder vererbt. Für den Priester ist der Kelch wie ein Erkennungszeichen. Manchmal finden wir auf dem Grabstein eines Priesters neben dem Geburts- und Todesdatum die Priesterweihe, symbolisiert durch einen Kelch. Bei den Bischofsgräbern in der Gruft können wir das sehen. Ein schöner Hinweis auf das himmlische Mahl, auf das wir hoffend zugehen.

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