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Predigt

Predigt in der Osternacht

31. März 2024
St. Marien-Dom Hamburg

"Niemand, der sich Christ nennt, darf die Not des Bruders und der Schwester, die vor Knechtschaft und Unterdrückung flieht, unberührt lassen. Völlig inakzeptabel ist es für Christen, menschenverachtenden Ideologien anzuhängen. Hierzu haben wir Bischöfe uns deutlich positioniert."

Erzbischof Dr. Stefan Heße

Es gilt das gesprochene Wort!

 

(Bezugstext zur Predigt: Ex 14,15-15,1)

„Niemand soll in dieser Nacht schlafen, sondern wach bleiben bis zur Morgenröte“. So fordert uns der heilige Hippolyt, einer der frühen Lehrer der Kirche auf. Um nun in dieser österlichen Nacht nicht einzuschlafen, haben sich die Christen versammelt und eine Liturgie gestaltet, die bis heute fasziniert. Dazu gehören die alten Texte des ersten Testamentes, allen voran der Bericht über den Exodus. Er schildert die Erinnerung an den Auszug des Volkes Israels aus der Knechtschaft in Ägypten in die Freiheit.

Wenn ich diesen Text höre, dann denke ich unweigerlich an die vielen Menschen, die heute auf ihrem Exodus unterwegs sind: aus Afrika, aus Mexiko, aus der Ukraine ... Weltweit sind es über 100 Millionen Menschen, die getrieben von Not und Terror, von Krieg ihre Sklavenhäuser verlassen und sich auf einen Weg in die Freiheit machen, der wahrlich kein Spaziergang ist. Die Dramatik, die das biblische Buch berichtet, ist auch diesen Menschen nicht fremd. Die Angst: Schaffe ich das? Komme ich ans Ziel? Das bedrohliche Wasser, das sich rechts und links von einem auftürmt. Die Angst, dass jemand nachsetzt. Dass man im Schlamm und Geröll hängenbleibt und nicht ins „gelobte Land“ findet. Es fällt mir nicht schwer, das Schicksal von so vielen Menschen heute in diesem alten Text wiederzufinden.

Mit dem Durchzug durch das Rote Meer ist die Geschichte des Auszugs aus Ägypten noch lange nicht zu Ende. Danach irrte das Volk Israel 40 Jahre durch die Wüste unter widrigen Umständen. Auch das ist eine Erfahrung von Flüchtenden heute. Die Wüste, das sind die abweisenden und verschlossenen Herzen so vieler, die nach Remigration rufen und die Exilierten vor die Türen setzen wollen. Liebe Schwestern und Brüder, es braucht kluge politische Lösungen in der Migrationsfrage – das steht außer Frage. Erschreckend ist dabei die Härte und Menschenverachtung, die uns heute wieder einholt. Niemand, der sich Christ nennt, darf die Not des Bruders und der Schwester, die vor Knechtschaft und Unterdrückung flieht, unberührt lassen. Völlig inakzeptabel ist es für Christen, menschenverachtenden Ideologien anzuhängen. Hierzu haben wir Bischöfe uns deutlich positioniert.

Diesen Text dürfen wir sodann auch auf uns selber beziehen, wenn auch in einem übertragenen metaphorischen Sinn: Auch wir stecken bisweilen in Sklavenhäusern, in Abhängigkeiten, in unguten Bindungen und sehnen uns nach Freiheit. Oft genug machen wir uns auch in unserem Leben auf einen derart waghalsigen Exodus und wissen um den Feind im Nacken, die Wasserwände rechts und links neben uns und den Morast unter uns, die Wüstenlandschaft um uns herum. Der Exodus ein Bild für unser Leben.

Wenn gerade diese Lesung in jeder Osternacht vorgetragen wird, dürfen wir darin ein Sinnbild für die Taufe sehen. Du ziehst aus dem alten Land deines Lebens aus, tauchst in das Wasser und kommst in ein neues Land. Der Exodus wird in der Literatur der frühen Christen, der sogenannten Kirchenväter (etwa Origenes, Terutullian, Ephräm oder Augustinus) auch herangezogen, um die Taufe theologisch auszudeuten. Das Wasser des Roten Meeres kann auf das Taufwasser bezogen, der Durchgang durch das Wasser als Bild des Taufgeschehens gedeutet werden. Der Gedanke, die Taufe im Sinnbild des Durchzugs durch das Rote Meer zu sehen, wurde in den antiken Kirchen auch räumlich umgesetzt: etwa in großen Taufbecken, in denen die Täuflinge wirklich durch das Wasser hindurchgehen konnten. Johannes Chrysostomus (Bischof von Konstantinopel 349-407) ruft in einer seiner Taufkatechesen den Neugetauften zu: „Mensch, du hast Ägypten verlassen, suche nicht von neuem Ägypten und die Bosheit Ägyptens auf!“ (in bapt. Hom. 2/4,24)

In dieser Osternacht entschließen sich mehrere Erwachsene, diesen Schritt zu tun. Es ist ihr persönlicher Exodus, ihr Durchzug durch ihr Rotes Meer, heraus aus ihrem Ägypten, hinein in das gelobte Land Gottes. Sie tun diesen Schritt in dieser Nacht bewusst. Und wir alle erneuern ihn in unserem Taufbekenntnis.

 

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