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Predigt

Predigt zur Pfarreigründung St. Knud

28. Februar 2021
Kirche St. Ulrich zu St. Peter Ording

Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Schwestern und Brüder,

sowohl die Lesung als auch das Evangelium haben uns heute Morgen in die Höhe mitgenommen. Hoch auf einen Berg. Ich vermute, wären diese Schrifttexte aus dem Alten und aus dem Neuen Testament heute nicht an der Reihe, dann wären sie wahrscheinlich von Ihnen hier nicht ausgewählt worden. Die Gegend, in der wir hier sind, ist doch ziemlich flach und Berge gibt es hier nicht. Die höchsten Erhebungen sind die Uwe-Düne auf Sylt oder der Sandesberg mit etwas über 50 m. Ansonsten ist das hier Marschland, Geest. Hier gibt es Halligen, hier gibt es Inseln, hier ist es platt, hier braucht es Sperrwerke, aber eben keine Seilbahnen, um irgendwie auf Berge zu kommen. Überall in den katholischen Gottesdiensten ist am zweiten Fastensonntag von diesen beiden Bergen die Rede und deswegen will ich Sie mitnehmen auf diese Berge.

Manchmal ist es ja ganz gut, wenn man sozusagen aus der flachen Ebene ein wenig nach oben geht auf die Berge. Im Übrigen wirbt man hier ja damit, dass wir ganz oben in Deutschland sind und deswegen können Sie das als neue Gemeinde ja auch sein. Ganz oben auf diesen beiden Bergen, von denen hier die Rede ist. Im Alten Bund war es der Berg Morija. Abraham soll seinen Sohn darbringen, opfern. Die Geschichte gewinnt eine Dramatik bis hin zu dem Punkt, dass er schon das Messer gezückt hat, den Jungen opfern will, d. h. er hält Gott nichts vor. Er gibt ihm alles und Gott sei Dank greift der Engel ein. Diese Geschichte aus dem Buch Genesis ist sehr verschieden gedeutet worden, aber eine der wichtigsten Deutungen dürfte wohl darin bestehen, dass Gott kein Menschenopfer will. Es gab wohl damals im Umfeld Israels andere Kulte, die haben Kinder, die haben Menschen geopfert für Götter und genau das will Gott nicht. Das will er auch heute nicht. Kein Mensch darf einen anderen Menschen opfern. Kein Mensch darf einen anderen Menschen fertig machen und gegen sein Leben vorgehen, sondern das Leben hat einen Wert, den wir von Gott bekommen haben und den wir nur Gott zurückgeben können.

Liebe Schwestern und Brüder, dieser Abraham ist ein Mensch des Vertrauens. Sein Vertrauen geht bis an die Spitze. Er vertraut diesem Gott. Dieses Vertrauen geht dann soweit, dass Gott auf eine ganz wunderbare Art und Weise eingreift. Ganz lapidar sagt die Erzählung, dass sich da ein Widder im Gestrüpp verheddert hat. Dann wird der Widder an Stelle des jungen Isaak geopfert. Für mich ist dieser Widder wie ein Vorausbild auf Jesus. Sie kennen das aus der Feier der Heiligen Messe. Unmittelbar vor der Kommunion beten und singen wir immer das Lamm Gottes. In der Eucharistiefeier ist es nicht ein Widder, sondern ein Lamm. Damit ist für mich dieser Widder, der sich da verheddert, ein Vorausbild auf das Lamm Gottes, auf Jesus Christus, der sich sozusagen verheddert im Gestrüpp der Welt. Dieser Jesus wird einer von uns. Er kommt auf diese Erde. Er lebt sich hier ein und er geht in das ganze menschliche Leben ein. Er teilt es mit uns. Er verirrt sich sozusagen in die Dunkelheit dieser Welt. Ein schönes Bild für einen Gott, der gekommen ist, um Menschen zu erlösen und zu befreien und der deswegen keine Grenzen kennt, der sich nicht schont und sich nicht zurückhält, sondern der aufs Ganze geht. Diesen Gott, den dürfen Sie hier erfahren, dürfen Sie feiern, den dürfen Sie verkünden. Ich finde das schon etwas Großartiges und vielleicht müssen sie noch ein bisschen tiefer darüber nachdenken und es immer mehr an sich herankommen lassen, was es bedeutet, an einen Gott glauben zu können, der in Jesus ganz in die Geschichte und Geschicke dieser Welt und des Menschen sich einlässt. So sehr, dass er sich verheddert. Das tun wir nicht gerne. Wir wollen immer marschieren, freiwillig ohne Grenzen. Aber Gott erniedrigt sich so sehr, dass er sich auf das Schicksal dieser Erde und des Menschen einlässt. Und zwar so sehr, dass er sich verheddert. Vielleicht denken Sie mal daran, wenn Sie sich mal wieder verheddern. Gott ist dann mitten dabei und verheddert sich in Ihr Leben hinein.

Liebe Schwestern und Brüder, dieses Lamm Gottes nimmt uns dann mit auf den anderen Berg. Vom Berg Morija gehen wir jetzt auf den Berg Tabor. So wird er jedenfalls genannt, den Berg der Verklärung. Das Evangelium sagt, es sei ein sehr hoher Berg. Es ist offenbar einiges zu überwin-den, um diese Erfahrungen zu machen, die die Jünger auf dem Berg gemacht haben. Christus, und dann fehlen dem Evangelisten eigentlich die Worte, Christus so hell, so weiß, wie kein Bleicher das auf Erden machen kann. Das will doch wohl heißen: Weißer, heller, strahlender als Menschen sich das ausmalen oder machen können. Das will zeigen: Die Möglichkeiten dieses Jesus gehen über das Menschenmaß hinaus. Sie sind viel größer und wir wissen kaum, wie wir das beschreiben sollen, wie wir das ausdrücken sollen. Wir haben im Deutschen diesen Begriff für dieses Evangelium von der Verklärung, Christus wird verklärt. Aber vor diesem Begriff gehen wir ehrlich gesagt wieder in Deckung, weil wir sagen: verklärt - wer will das schon sein. Oder in der Sprache der Jugendlichen gibt es ein neues Wort, wenn man von jemandem sagt, dass er nicht mehr so alle ganz getrost beisammen hat, dann sagen Jugendliche manchmal, der sei ziemlich verstrahlt. Mir ist ein Begriff aus der Feder von Papst Benedikt XVI. in die Hände gefallen. Er hat einmal gesagt, es geht hier um die Durchlichtung. Jesus ist durchlichtet. Ein Wort, dass es eigentlich gar nicht gibt, aber das deutlich machen soll, das Licht Gottes leuchtet durch diesen Christus durch und dieses göttliche Licht macht ihn so hell, wie Menschen sich das gar nicht vorstellen oder wie sie das gar nicht machen können.

Schwestern und Brüder, der Petrus ist offenbar ganz hilflos. Manchmal ist ja besser zu schweigen, nichts zu sagen, nichts von sich zu geben, nichts zu schreiben, sondern einfach zu staunen, sich überwältigen zu lassen. Die Äußerung „Lasst uns doch hier drei Hütten bauen“, die zeugt von großer Hilflosigkeit. Ich dachte mir, eigentlich ein gutes Wort auch für eine neue Pfarrei, für Sie, lieber Pfarrer Gouèn, für den Kirchenvorstand und für das ganze Team, für alle hier in der Pfarrei. Ihr Ziel darf nicht sein, neue Hütten zu bauen. Ich glaube nämlich nicht, dass weder die Kirche noch der Glaube von Hütten lebt. Es ist schön, dass wir so eine wunderbare Kirche St. Ulrich hier haben und verschiedene andere in diesem pastoralen Raum. Aber ich glaube, Kirche lebt mehr von Erfahrungen wie dieser Durchlichtung und nicht von Hütten, die wir drum herum bauen. Manchmal habe ich den Eindruck, wir sind immer ganz schnell dabei Hütten zu bauen, aber die Durchlichtung fehlt und dann haben wir manchmal ziemlich leere Hütten. Deswegen würde ich euch ans Herz legen, immer wieder auf den Berg Tabor zu gehen, d. h. immer wieder Christus nahe zu kommen und zwar dem verklärten, dem erleuchteten, dem leuchtenden Christus und sich von seiner Nähe und Gegenwart erfüllen und anrühren zu lassen. Dann mal abwarten, was passiert und was das pastoral und was das für die Arbeit bedeutet. Aber bitte nicht, „wir bauen erst mal eine Hütte und dann wird das geistliche und religiöse Leben schon laufen“. Ich glaube, es läuft eher umgekehrt. Das Evangelium von dem Berg Tabor, das fordert uns sozusagen auf, Christus in die Mitte zu stellen. Theologen sagen dann gerne: christozentrisch sein. Dieses Evangelium legt uns nahe, in die Mitte der Kirche gehört auf jeden Fall Christus. Das ist der innere Punkt. Das ist der innere Punkt einer Gemeinde, das ist der innere Punkt eines jeden von Ihnen und wenn der Punkt nicht da ist, dann drehen Sie sich um ein Nichts. Dann ist da eine Leere, eine Hülle oder irgendetwas, aber jedenfalls nicht Christus. Gehen Sie also immer wieder auf den Berg, gehen Sie dem Christus entgegen und versuchen Sie immer wieder in seine Nähe zu kommen, christozentrisch zu sein. Christus in die Mitte. Christus im Zentrum. Das ist die Richtung von Kirche. Das ist die Richtung von Glauben. Wenn Sie das tun, dann wird das auch Ihr Miteinander verändern. Das Evangelium erzählt, wie Mose und Elia mit oben auf dem Berg sind, aber dann sind sie auch schon wieder weg und am Ende steht nur Christus in der Mitte und dann gehen die Jünger den Berg mit Christus herunter und sie fragen ihn, was denn das heißt, von den Toten aufzuerstehen. Wenn Sie so wollen, ist dieser Abstieg und diese Wanderung wie ein Glaubensgespräch. Die besten Glaubensgespräche führen wir vielleicht auch nicht in unseren Pfarrheimen und Gemeindehäusern, dann wenn sie auf dem Programm stehen, sondern die besten Glaubensgespräche führen wir mitten im Leben. Vielleicht wenn man am Strand spazieren geht, vielleicht bei einer Wallfahrt. Ich erinnere mich noch daran, als wir vor einigen Jahren eine Schöpfungswallfahrt, damals mit Ministerpräsident Albig, in Sankt Peter Ording gestartet haben. Einfach im Gehen entwickeln sich Glaubensgespräche und im Gehen entwickelt sich vieles in unserer Kirche. Ehrlich gesagt, wann haben Sie sich zum letzten Mal mit der Frage beschäftigt, was das denn sei, von den Toten auferstehen? Wenn Sie sich mit der Frage beschäftigen, dann ist diese neue Pfarrei St. Knud auf einem ziemlich guten Weg. Dann wird sie auch viele andere Herausforderungen bestehen in der Ökumene, in der Bewahrung der Schöpfung, in der Tourismuspastoral mit den vielen Gästen, die hier zu Ihnen kommen, für die Kinder, für die Jugendlichen, für die Senioren, für die nicht deutschen Muttersprachler usw. Immer da, wo Christus in die Mitte gerückt ist, Christus im Zentrum ist und wo unser Miteinander sich um Christus dreht, da sind wir auf einem guten Weg.

Liebe Schwestern und Brüder, Verklärung ist für uns ein schwieriges Wort und wir wissen kaum damit umzugehen. Vielleicht hilft uns weiter, dass unsere orthodoxen Mitchristen, die Griechen, für Verklärung Christi ein eigenes Wort haben. Die Griechen sprechen in ihrer Liturgie von der Metamorphose, der Metamorphose Christi, also der Verwandlung. Auch wenn mein Biologieunterricht schon ein bisschen her ist, Metamorphose gehört zum menschlichen Leben. Metamorphose ist ein Prozess, das ganze Leben lang eine einzige Veränderung. Wir haben heute zwar die Pfarrei gegründet, aber jetzt geht es erst richtig los. Also bitte nicht jetzt zurücklehnen und sagen „wir haben's geschafft und jetzt sind wir auf dem Papier eine Pfarrei und damit ist alles gelaufen und geritzt“. Von wegen: Jetzt geht‘s los, jetzt geht‘s los auf Morija, auf Tabor hin, Christus in die Mitte und miteinander im Glaubensgespräch wie die Jünger damals. Für diesen Weg wünsche ich allen in dieser Pfarrei, die hier leben, die hier Urlaub machen, die hier herkommen, hier arbeiten Gottes reichen Segen und ich wünsche Ihnen, dass Sie reich werden an Erfahrungen und dass Sie in diesen Gesprächen immer neue Entdeckungen machen. Bitte bleibt im Gespräch nicht nur unter Euch, sondern katholische Kirche muss eine Kirche sein, die im Gespräch ist mit allen. Die Kirche gehört eben als Player in diese Landschaft dazu und deswegen soll und darf sie im Gespräch sein mit der Politik, mit der Wirtschaft, mit Erziehung und Bildung, mit Kultur, mit dem Tourismus, mit allen Facetten des menschlichen Lebens. Also nie Selbstgespräche führen, sondern Glaubensgespräche mit Christus in der Mitte und mit vielen anderen. Dann werden wir die Entdeckung machen, dass die anderen vielleicht viel mehr vom Glauben an Gott in sich tragen als wir meinen. Seien Sie eine Kirche, die wirklich gastfreundlich ist und das meine ich im doppelten Sin-ne. Gerade hier, wo wir so viele Touristen haben, müssen unsere Türen immer geöffnet sein. Umgekehrt ist es aber auch wertvoll, wenn wir Gast sein dürfen im Leben der anderen. Deswegen kann ich Euch nur wünschen, dass Ihr möglichst oft eingeladen werdet in die verschiedenen Zusammenhänge und sagen Sie dann nicht zu schnell ab. Dann fehlt nämlich jemand am Tisch, dann fehlt Glaube. Dann kommt dieses Gespräch, das wir im Evangelium gelesen haben, gar nicht zustande. Seien Sie also eine gastfreundliche Kirche, die andere einlädt und die dankbar dafür ist, dass sie von anderen eingeladen wird. Das ist nämlich etwas sehr Wichtiges und Großartiges.

In diesem Sinne Gottes Segen für den Weg in die neue Pfarrei, Gottes Segen für diesen Weg, in die Metamorphose. Lassen Sie sich überraschen, welche Verklärung, welche Entwicklungen, welche Veränderungen bei Ihnen allen in der nächsten Zeit vonstatten gehen. Daran können Sie merken, ob Sie auf dem Weg des Evangeliums sind oder vielleicht noch nicht so ganz.
Amen.

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