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Predigt

Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag

25. Dezember 2020
St. Marien-Dom / Hamburg

Es gilt das gesprochene Wort!


(Schrifttexte: Jes 52, 7-10; Hebr 1,1-6; Joh 1, 1-18)

Liebe Schwestern und Brüder,

„In Ihrer Haut möchte ich nicht stecken“ – mit kleinen Satz hat mir jemand aus unserem Erzbistum vor einigen Wochen schon die Idee für diese Weihnachtspredigt im wahrsten Sinn des Wortes zu-gesprochen, ohne dass er das damals bemerkt hätte. Aber bei mir war sofort die Verbindung zum Weihnachtsfest da, als er das zu mir sagte: „In Ihrer Haut möchte ich nicht stecken“. Gemeint sind die schwierige Situation um und mit Corona, die Situation der Kirche und auch die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs und noch vieles andere mehr. Ein ehrliches Wort: „In Ihrer Haut möchte ich nicht stecken.“ Wer das sagt, der möchte das Schicksal des anderen nicht teilen, der möchte eben nicht mit ihm tauschen wollen.

Unsere deutsche Sprache kennt interessanterweise viele Redensarten um die Haut. Dabei geht es offenbar um den ganzen Menschen, und nicht nur ein Körperteil. Manch einer fühlt sich in seiner Haut nicht wohl, manchmal sind wir in Situationen, in denen wir uns unserer Haut erwehren oder die eigene Haut retten wollen. Ein anderes Mal fahren wir förmlich aus der Haut oder es gibt Menschen, die partout nicht aus ihrer Haut herauskommen. Von treuen und aufrichtigen Menschen sagen wir, dass sie eine „ehrliche Haut“ nicht nur haben, sondern sind. Die Haut ist das größte Organ des Menschen. Über sie nehmen wir Sinnesreize von außen wahr. Ich denke an Menschen, deren Haut verletzt ist, wie meinem Vater, dem vor kurzem ein Stück Haut entnommen werden musste, oder wie die Kinder, die ich am Nikolaustag in unserem Kinderkrankenhaus besucht habe, die unter besonders schweren Hautverletzungen wie etwa Verbrennungen leiden. Die Haut ist ein sehr sensibles Organ. Mitleid haben wir mit Menschen, die nur noch Haut und Knochen sind.

Liebe Mitchristen,

Johannes meditiert in seinem Evangelium das Weihnachtsgeschehen. Er spricht dabei nicht von der Heiligen Familie, den Hirten oder den Königen. Der Evangelist Johannes bringt Weihnachten auf den Punkt, wenn er sagt: Das Wort ist Fleisch geworden. Das schließt ein: Das Wort ist einer von uns geworden mit Haut und Haaren. Nichts anderes meint der Gottesname Immanuel: Gott ist nicht bloß unter uns, sondern ganz mit uns, einer von uns - mit Haut und Haaren! In seinem berühmten Weihnachtslied „Zu Bethlehem geboren“, sagt Friedrich von Spee: „Dich wahren Gott ich finde in meinem Fleisch und Blut.“

Weihnachten geht unter die Haut – und damit meine ich nicht bloß die Emotionalität dieser wichtigen Tage, gleichsam die berühmte sprichwörtliche Gänsehaut. Weihnachten geht unter die Haut, weil Gott uns unter die Haut geht, unter die Haut eines konkreten Menschen wie Sie und ich.

Weihnachten sagt mir: Gott steckt in der Haut jedes Menschen. Der Mensch, der ich bin, ist Jesus Christus auch gewesen. Deswegen kann ich nicht groß genug von den anderen und von mir selbst denken.
Wenn es wirklich stimmt, dass das Wort Fleisch geworden ist, mit Haut und Haaren, dann heißt das auch: Diesem Gott gehen wir unter die Haut. Wir sind ihm eben nicht gleichgültig, er empfindet Mitgefühl für uns, Solidarität. Er fühlt nicht nur wie wir, sondern er fühlt mit uns. Einer der bewegenden Sätze aus meinem Theologiestudium heißt für mich: Nichts Menschliches ist Gott fremd. Der Gott, an den ich glauben darf, weiß um alles - aus ureigenster Erfahrung.

Schwestern und Brüder,

dieser Gott steckt in unserer Haut und er bringt sich nicht irgendwie in Sicherheit. Am Ende ist dieses kleine Kind der Mann am Kreuz, dessen Haut von Nägeln durchbohrt wird, der bis auf die Haut entblößt ist, der geschunden und geschlagen wird.
Ganz am Schluss des Johannesevangeliums steht wieder eine Begebenheit, die unter die Haut geht – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Ich meine das Evangelium von dem sogenannten ungläubigen Thomas. Er sagt fest entschlossen: „Ich glaube nicht, wenn ich nicht die Male der Nägel sehe und meine Hände in seine Seite legen kann“. Das Evangelium lässt es offen, ob er das wirklich tut. Die Kunst ist aber voll von vielen Bildern, auf denen der Apostel Thomas seine Finger in die Seite Jesu hineinlegt. Thomas geht sozusagen unter die Haut. In Jesu Haut sind wir geborgen wie unter einem Schutzdach.

Vielleicht darf man die großartige Meditation über die Geburt Jesu am Anfang des Johannesevangeliums, wie wir sie eben als Evangelium gehört haben, und die Begegnung des auferstandenen Christus mit dem Apostel Thomas ganz am Ende des Johannesevangeliums wie zwei Brennpunkte dieses vierten Evangelisten betrachten.

„In Deiner Haut möchte ich nicht stecken“ so sagt man. Weihnachten zeigt uns, dass Gott ganz anders dachte und ganz anders handelte. Er steckt in unserer Haut – Gott sei Dank! - bis hin zu den Wundmalen, die auch der auferstandene Christus an seinem Leib trägt. An der Begegnung mit dem Apostel Thomas wird aber auch das Gegenteil deutlich: wir stecken in seiner Haut. Offenbar bedeutet genau das zu glauben: „Thomas, reiche deinen Finger her und sieh meine Hände an und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du? Selig, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20, 27ff).

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