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Predigt

Predigt zum 75. Todestag der Lübecker Märtyrer

10. November 2018
Propsteikirche Herz Jesu zu Lübeck

Es gilt das gesprochene Wort!


(Lesungstexte: 1, Sam 8; Röm 13,1-8a; Mt 22,15-21)

Liebe Schwestern und Brüder,

die Pharisäer wollen Jesus eine Falle stellen. Die ganze Situation wird dadurch noch ein bisschen perfider, dass sie selbst den Plan aushecken, aber dann ihre unteren Chargen schicken, um die Falle sozusagen aufzubauen. Sie schicken ihre Schüler, die sich mit Jesus abgeben sollen. Sie selbst wollen diese Arbeit nicht ausführen. Klar ist, die Falle soll zuschlagen und Jesus stellen, letztlich dafür sorgen, dass er beseitigt wird und zum Tode verurteilt werden kann. Sie wollen ihn aus dem Verkehr räumen, weil er ihnen nicht in den Kram passt.
Es fällt nicht schwer, diese Situation des Evangeliums auf unsere vier Lübecker Märtyrer zu beziehen, auch wenn wir 75 Jahre danach leben und es nur noch wenige Zeitzeugen gibt, die die Märtyrer kennengelernt haben und aus eigenem Erleben von der damaligen Zeit und den Umständen wissen. Wir können uns durch die vielen Aufarbeitungen, durch die Dokumentationen und nicht zuletzt auch durch unsere Gedenkstätte, hier in der Propstei, aber auch in der Lutherkirche hier in Lübeck, ein Bild machen davon, dass auch die vier Märtyrer in einer ähnlichen Situation wie Jesus waren. Man wollte sie stellen, man wollte ihnen eine Falle stellen, in die sie hineintapsen, um sie dann zu schnappen und aus dem Weg zu räumen. Die Falle sollte sie endgültig zu Fall bringen.

Liebe Schwestern und Brüder,
ich finde es bemerkenswert, dass Jesus diese Bedrohung so nah an sich heranlässt. Ich bin mir sicher, dass er von Anfang an die Absicht durchschaut hat, aber er bannt sie nicht in Bausch und Bogen, sondern bleibt als der Sohn Gottes der Mensch schlechthin, der Mensch, der sich bis in die letzte Tiefe erniedrigt. Zu dieser Tiefe gehört es, sich dieser Anfrage, dieser Falle, dieser Herausforderung zu stellen. Mich bewegt immer wieder, dass Jesus diese Situation in seinem Leben nicht ausklammert. Es beginnt mit seiner Geburt im Stall von Bethlehem, die gleich den Herodes auf den Plan ruft. Es ist die Menschlichkeit seines öffentlichen Wirkens, die Anlass zu Fragen, zu Zweifel und zu Ablehnung gibt. Es sind gerade die letzten Stunden, in denen er vor Pilatus steht, verleugnet wird und am Kreuz bis in die Gottverlassenheit hineinfällt. Sein Leben ist nicht einfach beschaulich schön, abgeschieden, einfach und sorglos, sondern permanent herausgefordert und angefragt. Zu unserem christlichen Glauben gehört, dass Christus dies aushält.
Für unsere vier Märtyrer hier in Lübeck ging es auch um das Aushalten. Sie waren keineswegs naiv und wogen sich in Sicherheit. Jeder von ihnen wusste um die Gefahr, die ihm drohte. Er stand mittendrin. Und alle vier haben diese Situation schlussendlich ausgehalten. Mich hat sehr bewegt, vor einigen Tagen im Rahmen der Visitation, in der Lutherkirche gewesen zu sein, in der Kirche, wo Karl-Friedrich Stellbrink seine berühmte Palmsonntagspredigt gehalten hat. Die Spitzel saßen im Kirchenraum. Man hat mir die Bänke gezeigt, wo das gewesen sein muss. Stellbrink ist nach dem Gottesdienst in die Sakristei gekommen und hat schon gleich von ihnen gesprochen. Ihm war das bewusst und er hat es getragen. Wahrscheinlich sind gerade diese Stunden und Tage für ihn eine schwere Prüfung und eine Zeit des Aushaltens gewesen. Und von Johannes Prassek wissen wir, dass man ihm geraten hat: „Lehn dich bei deinen Predigten nicht so deutlich aus dem Fenster.“ Aber auch Prassek hat das ausgehalten und ist vor dieser Herausforderung nicht zurückgeschreckt.

Liebe Schwestern und Brüder,
ich glaube, dass dieses Moment des Aushaltens, des nicht vor der Realität fliehen, sich nicht in irgendwelche Sonderwelten zurückzuziehen, ein ganz wichtiges Moment unseres Glaubens ist. Im Moment wird es für mich sehr deutlich, durch die sogenannte MHG-Studie über den sexuellen Missbrauch in der Katholischen Kirche in Deutschland. Hier kommt eine schmerzhafte Wahrheit über unsere Kirche ans Tageslicht. Vieles, was bisher verdeckt war, tritt an die Oberfläche. Das, was verschwiegen und vertuscht worden ist, sprechen wir aus und wir fangen gerade erst an. Ich bin der Überzeugung, dass für die nächsten Jahre, ja Jahrzehnte, das Thema der Aufarbeitung schlechthin für unsere Kirche sein wird. Dieses Thema nicht kleinzureden und wieder wegzudrücken, darauf kommt es an, es vielmehr auszuhalten und durchzuhalten. Das wird entscheidend sein, um daran zu wachsen und zu reifen und sich der Herausforderung zu stellen. Deswegen bin ich dankbar, dass wir nicht nur auf der Bischofskonferenz so intensiv darüber diskutiert haben, sondern auch in verschiedenen Kreisen unserer Erzdiözese: im Erzbischöflichen Rat, im Diözesanpastoralrat mit der Laienvertretung unserer Erzdiözese, im Priesterrat und sicher in vielen Kreisen in unseren Gemeinden.

Liebe Schwestern und Brüder,
die Pharisäer fragen Jesus, ob es erlaubt ist, dem Kaiser Steuern zu zahlen oder nicht. Das Zahlen von Steuern könnte ihm den Vorwurf einbringen, ein Freund der Besatzungsmacht, also der Rö-mer, zu sein. Das Verweigern der kaiserlichen Steuer hätte dazu geführt, ihn bei der römischen Besatzungsmacht anzuklagen. Er war also wirklich in eine Klemme geraten. In eine Klemme zwischen den ganz Frommen, die für die Sache Gottes stehen und nichts anderes kennen und den eher Liberalen, die es mit dem Gesetz nicht so genau nahmen und mit der Besatzungsmacht zusammenarbeiteten. In dieser Klemme muss Jesus Partei beziehen – so die Auffassung der Heuchler.

Aber Jesu Antwort ist souverän. Steuern zu zahlen ist für Jesus kein Problem, denn das bedeutet keine Vergöttlichung des Staates oder des Kaisers. Nur da, wo sich Kaiser und Könige oder andere Herrscher göttliche Ansprüche anmaßen, da darf man ihnen nicht gehorchen. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“, wie die Apostelgeschichte sagt (Apg 5,29 b) und wie es auch auf dem Grabstein von Karl-Friedrich Stellbrink festgehalten ist. Wenn man Gott Gott sein lässt und ihm den ersten Platz einräumt, dann ist klar, dass der Mensch höchstens der zweite ist. Und dann ordnen sich die Dinge, dann entsteht Freiraum für die Gestaltung dieser Welt und unseres politischen, gesellschaftlichen und sozialen Zusammenlebens.

Liebe Schwestern und Brüder,
Jesus lässt sich die Münze zeigen und schaut darauf. Vielleicht hilft auch uns ein Blick auf die Münze. Jede Münze hat ihren Wert durch das Material aus dem sie ist, aber ihren eigentlichen Kurs-wert bekommt sie erst durch die Prägung, die auf ihr zu sehen ist. Eine Münze ohne Prägung ist wertlos, aber eine mit Prägung wird zu einem Zahlungsmittel von unter Umständen hohem Wert. Denken wir an Golddukaten oder Ähnliches. Jeder von uns ist geprägt – und zwar nicht nur durch seine Erziehung oder durch die Umstände, in denen er aufwächst und lebt. Jeder Christ ist geprägt durch Christus. Jeder Christ ist Ebenbild Gottes und trägt Gottes Bild in sich. Jeder von uns ist wie eine Münze, die den unendlichen Wert Gottes in sich trägt. Das wussten unsere vier Märtyrer. Und deswegen haben sie sich für das Leben und jeden Menschen eingesetzt, egal ob alt oder jung, ob von hier oder aus der Fremde, ob arm oder reich. Jeder Einzelne ist Gottes Ebenbild und trägt deswegen einen unendlichen Wert. Und das dürfen wir auch 75 Jahre nach ihrem Martyrium niemals vergessen.

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