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Predigt

Grußwort zu 25 Jahren Heinrich-Theissing-Institut

31. August 2018
Schwerin, Schleswig-Holstein-Haus

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Frau Ministerin Hoffmeister,
sehr geehrte Frau Dr. Petschulat
sehr geehrte Damen und Herren,

in seinem Buch „Gott ist jung“ schreibt Papst Franziskus drei Sätze, die wie maßgeschneidert für unseren heutigen Festanlass sind: „Der Mensch entfremdet sich von sich selbst, wenn er seine Wurzeln nicht mehr spürt. Er selbst und eine Gesellschaft sind dann verwurzelt, wenn sie Geschichts- und Gemeinschaftsbewusstsein haben. Ohne Geschichte, ohne Erinnerung lässt sich nicht leben.“

Das Heinrich-Theissing-Institut geht genau dieser Aufgabe nach. In der wissenschaftlichen Erforschung der Vergangenheit der Katholischen Kirche hier in Mecklenburg begeben Sie sich gewissermaßen auf die Suche nach den Wurzeln der kirchlichen Formen heute. Sie leisten mit Ihrer Arbeit, mit Veranstaltungen und Publikationen einen bedeutenden Beitrag zu einem guten Geschichtsbewusstsein und Gemeinschaftsbewusstsein in Mecklenburg. In meinen nunmehr dreieinhalb Jahren als Erzbischof hier im Norden konnte ich mich – und das meine ich positiv – von der eigenen Identität des Mecklenburger Katholizismus überzeugen. Sie ist geprägt von einer extremen Diaspora-Situation mit einer langen und reichen Geschichte: angefangen bei der Christianisierung im Mittelalter, über einen Niels Stensen in Schwerin, über westfälische, rheinische oder fränkische Aufsiedlungen Anfang des 20. Jahrhunderts, über das mutige „Durchhalten“ auch der vertriebenen Katholiken im Sozialismus, bis hin zur Prägekraft des Katholizismus in den Umbrüchen während und nach der Wende. All das verdient großen Respekt und ist der Erinnerung würdig. Erinnert werden muss aber auch an die Schattenseiten der Kirchengeschichte in Mecklenburg, die sich – man denke an den furchtbaren Missbrauch – in unheilvoller Weise mit einigen Ortsnamen verbunden hat.

„Der Mensch entfremdet sich von sich selbst, wenn er seine Wurzeln nicht mehr spürt“, so Papst Franziskus. Ich widerspreche dem Papst nur ungern, möchte aber zumindest eine Einschränkung vornehmen. Die Metapher „Wurzel“ zu verwenden, hat auch etwas Hierarchisches, Vereinnahmendes. Das Bild der Wurzel heißt ja, dass der Baum ohne sie nicht leben kann. Von Wurzeln kann sich der Baum nicht trennen. Denn Wurzeln sind grundlegend lebensspendend. Und natürlich: Ohne unsere Vergangenheit wären wir nicht hier. Gleichzeitig müssen wir uns hüten, in der Vergangenheit gefangen zu sein. Das Christentum ist nicht in erster Linie eine historische Tradition, sondern es ist Beziehungsgeschehen mit Christus selber. In der jeweiligen Gegenwart, im Hier und Heute will Christentum gelebt werden. Natürlich traditionsbewusst, aber eben nicht traditionalistisch. Gerade deswegen bin ich dankbar, dass die historische Betrachtung der Geschichte Mecklenburgs an einem wissenschaftlichen Institut stattfindet.

Ein Satz, der das für mich auf unnachahmliche Weise zusammenfasst ist ein Zitat aus dem Römerbrief des Heiligen Paulus: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“ Nicht wir tragen die Wurzel, sondern die Wurzel trägt uns. Das heißt doch: Wir wissen um unsere Wurzeln. Wir wissen darum, wo wir herkommen, in allem Positiven wie Negativem. Aber wir müssen diese Wurzel nicht aufrechterhalten, sondern diese Wurzel hat uns dahingeführt, wo wir heute stehen. Auf diesem Fundament müssen wir leben und tun, was heute dran ist in der Geschichte Gottes mit den Menschen. Wir müssen nicht immer das ewig Gleiche weiterführen und bewahren, sondern lebendig nach vorne gehen.

Gerade die Stabilität unserer Herkunft, unseres Glaubens ermöglicht uns, die Freiheit und die Offenheit im Hier und Jetzt zu nutzen und kreativ zu sein als Kirche. Gerade wenn wir im Glauben gefestigt sind, können wir gelassen das Alte, wenn es denn sein muss, auch ein Stück hinter uns lassen und Neuland unter den Pflug nehmen. Denn nur in der Lebendigkeit wird die Tradition bewahrt. Wir müssen im Sinne unseres Pastoralen Orientierungsrahmens fragen: Was ist heute dran? Wo sind wir heute als Kirche hin gerufen? Wo sind wir aufgefordert Zeugnis zu geben? Mit wem müssen wir uns heute vernetzen? Mit wem müssen wir solidarisch sein? Wer lehrt uns, wie heute Kirche geht? Wie wachsen wir als Erzbistum Hamburg weiter zusammen?

Bischof Wanke hat uns im letzten Jahr hier in Schwerin aufgefordert: „Lasst uns neugierig bleiben, was Gott mit uns Katholiken im Osten vorhat und Mithelfer sein für Wege in veränderter Zeit.“ Ich habe in diesen Prozess ein großes Vertrauen, dass der Heilige Geist uns trägt und die Wege der Zukunft weist. Und insofern – davon bin ich überzeugt – wird auch dem Heinrich-Theissing-Institut die Arbeit nicht ausgehen. Ich bin gespannt, was das Institut einmal über unsere jetzige Epoche schreiben wird, welche Deutungen es vornimmt, welche Wege getragen haben werden.

Ich danke allen haupt- wie ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, allen Freunden und Förderern für Ihr Engagement und wünsche Ihnen für Ihr weiteres Wirken Gottes reichen Segen!

Gemeinsam mit Ihnen freue ich mich jetzt auf die Buchvorstellung durch den Autor Dr. Georg Diederich. Es schließt die Reihe „Kirche unter Diktaturen“ ab und vervollständigt die Chronik der katholischen Kirche in Mecklenburg.

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