„Papst Franziskus ist mitten im Heiligen Jahr verstorben. Für ihn war es das Jahr der Hoffnung. Immer und immer wieder hat er deutlich gemacht: vergesst und verliert die Hoffnung nicht! Deswegen bin ich mir sicher dass er in der Hoffnung auf die Auferstehung verstorben ist.“
Erzbischof Dr. Stefan Heße
Es gilt das gesprochene Wort!
(Les: Apg 4, 1-12; Ev.: Joh 21, 1-14 )
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
viele der Zeitgenossen Jesu stehen ihm durchaus kritisch gegenüber und stellen sich die rhetorische Frage: woher hat er das wohl alles? Die Apostel in der heutigen Lesung stehen vor einer ähnlichen Herausforderung: wie konnten sie dieses Wunder nur wirken? Mit welcher Kraft? Woher?
Wenn wir in diesen Tagen von Papst Franziskus abschiednehmen, dann vielleicht mit der wohlwollenden Fragestellung: Wie hat er gewirkt? Aus welchen Quellen? Was war sein Stil? Woraus hat er geschöpft?
Am 17. Dezember 1936 in Buenos Aires geboren, dort an Weihnachten getauft, trat er 1958 in die Gesellschaft Jesu ein. 1969 wurde er zum Priester geweiht, schließlich 1992 Bischof, später Kardinal und am 13. März 2013 zum Papst gewählt. Sein Pontifikat währte also 12 Jahre. Wurde er aufgrund seiner labilen Gesundheit anfangs für eine Übergangslösung gehalten, gelang es ihm, in diesen 12 Jahren eigene Akzente zu setzen und die Kirche zu prägen. Franziskus hat nicht versucht, einen seiner Vorgänger zu kopieren. Er war ein Original, so wie jeder von uns ein Original und keine Kopie ist. Eben eine authentische Persönlichkeit, und dadurch zutiefst glaubwürdig. Was macht ihn also aus?
Da sind zunächst die vielen Ansprachen, Predigten, Botschaften und Lehrschreiben, die er verfasst und gehalten hat. Sie tragen jedenfalls seine charakteristische Handschrift.
Seit den ersten Schreiben kommt immer wieder ein tragender Begriff vor: die Freude. Er spricht über die Freude der frohen Botschaft in Evangelii gaudium, über die Freude der Liebe in Amoris laetitia oder über die Freude der Heiligkeit in Gaudete et exultate. Papst Franziskus hat offenbar seine helle Freude an der Freude. Christsein ist für ihn zuallererst keine Last, keine Regieanweisung für das Leben, sondern Freude, Freude an Gott, an Jesus Christus, an der Kirche, an den Menschen. Von dieser Freude hatte nicht nur geschrieben, sondern die hat er gelebt. Am Ende hat der noch im letzten Jahr mit einem eigenen Schreiben über die Liebe des Herzens Jesu aufgewartet: Dilexit nos. Er war sich felsenfest sicher, dass wir zuerst vom Herrn Geliebte sind und damit einen Grund zur Freude haben, den uns niemand nehmen kann.
Ein Zweites, das Papst Franziskus ausmacht: er hat Zeichen sprechen lassen, Gesten gesetzt. Seine erste Reise führte ihn nicht in irgendeine Hauptstadt dieser Welt und auch nicht an ein besonderes Heiligtum. Seine erste Reise ging zu den Flüchtlingen, die auf der Insel Lampedusa gestrandet waren. Die Migranten, die Geflüchteten lagen ihm besonders am Herzen. Noch vor wenigen Wochen hat er an die amerikanischen Bischöfe geschrieben und ihnen Mut gemacht, sich weiterhin an die Seite gerade dieser Menschen zu stellen, auch wenn die Regierung ein gegenteiligen Stil an den Tag legt. Der gleiche Gedanke zieht sich durch im Welttag der Armen, den er für die ganze Kirche eingeführt hat. Ich bin froh, dass wir ihn auch hier bei uns in Hamburg jährlich begehen und das damals im Jahr der Barmherzigkeit viele Obdachlose aus Hamburg eine Wallfahrt nach Rom unternommen haben. Die daraus entstandene Fratello-Bewegung geht nun hier in Hamburg bald in ihr 10. Jahr. Bis heute gibt es regelmäßig jeden Monat ein Treffen zum Austausch, zum Bibelgespräch und zur Begegnung. Franziskus ist selber an die Ränder gegangen und hat die Kirche aufgefordert, an die existenziellen Ränder des Lebens zu gehen. Noch am vergangenen Donnerstag, dem Gründonnerstag, hat er es sich nicht nehmen lassen, Gefangene in einem römischen Gefängnis zu besuchen – trotz seiner Schwäche. Vielleicht war das eine klare Botschaft: der schwache Papst an der Seite der Verwundeten.
Schließlich ein Drittes: der Papst hat der Kirche und der Welt nichts vorgelegt, wo er nicht selber ganz dahinter stand. Er hat sich auch wahrscheinlich nicht zurückgezogen, um eine Strategie oder ein Programm für sein Pontifikat zu entwerfen. Er hat aus einer persönlichen Beziehung zu Gott gelebt; Gebet, Exerzitien, Mediation waren sein Lebensquell. Er hat das verkündet und weitergegeben, was er darin in seinem langen Leben selber empfangen hat, was er sich dann angeeignet hat, was sozusagen in ihm Fleisch und Blut geworden ist und was er dann weitergeben konnte. Der Weg eines Christen geht immer von innen nach außen. In uns muss Wurzeln schlagen, was wir dann weitergeben und tun können. Ganz im Sinne Jesu: Wovon das Herz voll ist, davon läuft der Mund über (Lk 6, 45). Wovon das Herz voll ist, das äußert sich in Wort und Tat. Wenn aber die Innenseite fehlt, dann ist alles bloß äußerlich und damit hohl und leer. Echte Spiritualität bleibt aber nie bloß innerlich, sondern ist immer lebenstüchtig.
Liebe Mitchristen,
Papst Franziskus ist mitten im Heiligen Jahr verstorben. Für ihn war es das Jahr der Hoffnung. Immer und immer wieder hat er deutlich gemacht: vergesst und verliert die Hoffnung nicht! Deswegen bin ich mir sicher dass er in der Hoffnung auf die Auferstehung verstorben ist.
In seiner zuletzt erschienenen Autobiografie mit dem Titel „Hoffe“ meint er, dass er zwei linke Füße habe. Er ist der Auffassung, ein „Geher“ zu sein - auch wenn der von sich sagt, zwei linke Füße zu haben (und offenbar zum Fußball nicht ganz so viel zu taugen wie unser Alterzbischof Werner Thissen, den wir gestern begraben haben). Geher sind Menschen mit Kondition. In seinem Leben hat Franziskus sich als ein zäher Geher erwiesen, als ein lebenslänglicher Pilger, der sich in die große Geschichte der Kirche einordnet: „in der Kirche bin ich einen Schritt“. Jetzt hat er den wohl wichtigsten Schritt seines Lebens getan, hinein in Gottes Ewigkeit. Versuchen wir, seine Schritte weiter fortzusetzen.