Nur wer hofft, kann leben! Es braucht immer einen Überschuss an Hoffnung gegen alle Verzweiflung. Es braucht ein mehr an Zuversicht gegen alle Unsicherheiten. Wer wirklich hofft, ist selig.
Erzbischof Dr. Stefan Heße
Es gilt das gesprochene Wort!
(1. Les.: Offb 7,9-17 ; 2. Les.: Hebr. 10,32-36 ; Ev.: Joh 17,20-26)
Wir stehen mitten im Heiligen Jahr und sind als Pilger der Hoffnung unterwegs. Papst Franziskus hatte zu diesem Pilgerweg eingeladen und Papst Leo setzt ihn fort. In diesen Tagen waren Seminaristen, Bischöfe und Priester zum Pilgern nach Rom eingeladen. In den letzten Wochen waren es verschiedene andere Gruppen und in der nächsten werden weitere folgen. Wir aus dem Erzbistum Hamburg werden uns mit einer großen Gruppe im Oktober in Rom in die Schar der Pilger einreihen.
Heute sind wir hier in Lübeck als Pilger hergekommen, um die Hoffnung in uns zu stärken. Nur wer hofft, kann leben! Es braucht immer einen Überschuss an Hoffnung gegen alle Verzweiflung. Es braucht ein mehr an Zuversicht gegen alle Unsicherheiten. Wer wirklich hofft, ist selig. Er hat die Energie, modern gesprochen: die Resilienz, ohne die man nicht Leben und Glauben kann. Das große Te Deum endet mit den Worten: „In te Domine speravi: non confundar in aeternum.“ „Auf dich, oh Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt. In Ewigkeit werde ich nicht zuschanden.“
Lübeck ist ein Hoffnungsort.
Diese Stadt, in der unsere vier Märtyrer gelebt und gewirkt haben, ist ein Ort, der uns bestärken kann. Es geht mir immer wieder nahe, wenn Mitbrüder, die hier nebenan im Pfarrhaus gelebt haben, davon berichten, dass es genau die Räume sind, in denen die Märtyrer, zumindest drei von ihnen, ihren Dienst getan haben. Diese Kirche, auch wenn sie in der Zwischenzeit immer umgestaltet und renoviert wurde, ist der Ort, an dem die Märtyrer gebetet, Gottesdienst gefeiert und die Sakramente gespendet haben. Die Krypta, in der wir sie heute besonders verehren, wurde seinerzeit von ihnen umgestaltet zu einem Raum, in dem sich vor allem Jugendliche begegnen konnten. Wir Menschen brauchen solche Orte, an denen wir mit der Geschichte in Verbindung stehen, an denen wir den guten Geist der Lübecker Märtyrer ein wenig einatmen können und daran teilhaben.
Die Märtyrer sind Hoffnungsmenschen.
Sie haben in Kriegszeiten hier gewirkt. Das war schon Herausforderung genug. Dann aber gefangen genommen und ins Gefängnis gesteckt zu werden, sich einem Prozess unterziehen zu müssen, das verlangte noch mehr von ihnen. Vielleicht war in ihnen damals das Wort Jesu präsent „Wenn man euch vor die Gerichte der Synagogen und vor die Herrscher und Machthaber schleppt, dann macht euch keine Sorgen, wie ihr euch verteidigen oder was ihr sagen sollt!“ (LK 12,11) Und: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann! … Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt.“ (Mt 10,28;30) Gott verlässt euch nicht. Er kümmert sich um euch, er weiß, wie viel Haare ihr auf dem Kopf habt. Vielleicht haben sich die Märtyrer immer wieder an den Kopf gefasst und die Haare gerauft. Nirgendwo wird uns überliefert, dass sie verzweifelt waren. Im Gegenteil: Sie waren in diesen Herausforderungen stark im Glauben. Sie wussten um die Quelle ihrer Hoffnung, die ihnen niemand entziehen konnte. Man konnte ihnen alles wegnehmen: Dinge, Nahrung, Kontakte, am Ende sogar das Leben - aber nicht die Hoffnung. Die Märtyrer wollen uns mit ihrer Hoffnung anstecken in den Herausforderungen, unter denen wir hier und heute leben.
Sie geben uns Hoffnungsworte mit auf den Weg.
Hoffnung kann man sich nicht einreden. Man kann sie aber immer wieder empfangen und dann bewahren, sogar vermehren. Es braucht aber immer wieder den anderen, der mir von der Hoffnung spricht, der sie wachhält, der sie mir zuspricht. Die Märtyrer sprechen ihre Hoffnung auch uns zu. Gott sei Dank sind die Quellen gut erschlossen und werden weiter studiert und eingeordnet. Worte, die die Märtyrer notiert haben, sind wie Perlen, die unser Leben zum Glänzen bringen. Es sind Hoffnungsworte an uns. Eines davon will ich Ihnen heute weitergeben: „Ich habe lange Zeit nicht mehr so ruhig und selig gelebt, vielleicht noch nie, wie jetzt. Und erst recht nicht so ruhig geschlafen, obwohl die ganze Nacht das elektrische Licht brennt. Wie ist Gott so gut, daß er mir alle Furcht nimmt und die Freude und Sehnsucht schenkt.“ (Johannes Prassek, Gefängnisbrief Juli 1942)
Liebe Schwestern und Brüder, wir sind gemeinsam als Pilger der Hoffnung unterwegs: Hier am Hoffnungsort Lübeck, zusammen mit den Hoffnungsmenschen Johannes Prassek, Eduard Müller, Hermann Lange und Karl Friedrich Stellbrink. Auch wir leben von ihren Hoffnungsworten.