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Predigt

Gottesdienst am ersten Tag der Bistumswallfahrt

19. Oktober 2025
San Gregorio VII, Rom

Das Beten ist der Atem und die Seele des Christen. Wenn der Christ nicht mehr betet, dann ist er seelenlos, ja zugespitzt gesagt, wie tot. Dann läuft „nichts mehr“.

Erzbischof Dr. Stefan Heße

Es gilt das gesprochene Wort!

Liebe Schwestern und Brüder, 

Sie haben einen langen Pilgertag hinter sich, sind wahrscheinlich müde und deswegen soll es nun eine kurze Predigt geben, und zwar zum immerwährenden Beten. Das Beten ist der Atem und die Seele des Christen. Wenn der Christ nicht mehr betet, dann ist er seelenlos, ja zugespitzt gesagt, wie tot. Dann läuft „nichts mehr“. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir versuchen, im Gebet zu bleiben- dabei ist es einerlei, wie wir beten: Manchmal mögen wir singen und uns freuen beim Beten. Manchmal mögen wir klagen, ein anderes Mal bitten, vielleicht auch einfach nur schweigen. Manchmal wird man die Nähe und manchmal die Ferne Gottes „aushalten“ müssen.

Das Gebet kann ganz verschieden aussehen. Ich finde das immer wieder bemerkenswert, wenn man sich im Alten Testament die Psalmen anschaut oder diese betet. Darin findet man alle Mühen und Tiefen des menschlichen Lebens. Die  Kirche hat von Anfang an die Psalmen gebetet. Theoretisch hätte man sagen können, dass die Psalmen, die sich im ist Alten Testament finden und zum alten Bund gehören, nicht mitgenommen werden. Es wäre ein Schlussstrich und etwas Neues wäre dran. Aber die Psalmen finden wir bis heute im Gottesdienst, in der Messe, in anderen Gottesdiensten und vor allem im Stundengebet.

Und auch wenn man manchmal nicht in der Situation ist, über die der Psalmist betet, kann man sagen, dass es irgendjemandem auf der Welt momentan so ergeht. Mir wird es vielleicht irgendwann einmal so ergehen. Und dann kann ich mir mit diesen Stimmungen die Psalmen zu eigen machen.

Die Mönche beten diese Psalmen im Stundengebet. Wenn man zu Benediktinern ins Kloster geht, dann fangen sie früh morgens an und den ganzen Tag strukturieren sie durch mit Gebet aus den Psalmen. Und wenn man manche Bilder vom Heiligen Benedikt sieht, dem Gründer der Benediktiner, dann wird er mit erhobenen Händen dargestellt.

Es erinnert an die Lesung, die wir eben gehört haben aus dem Alten Bund, wo der Mose auf dem Berg ist und die Hände zum Gebet zu Gott erhoben hat. Und wie das dann so ist, wenn man die Hände lange genug oben hat, werden sie schwerer und schwerer und man lässt die Hände sinken. Immer dann, wenn Mose die Hände hat sinken lassen, war die Schlacht für die Israeliten schlecht bestimmt. Also haben seine Begleiter unter die Hände des Mose einen Stein gelegt, damit die Hände des Mose hoch erhoben bleiben. 

Auch die Mönche vom Heiligen Benedikt beteten Tag für Tag mit erhobenen Händen. Und vielleicht haben sie das eben beim Gottesdienst gesehen, hier in Italien beim Vaterunser, da breiten die Menschen die Hände aus und heben sie hoch. In Deutschland mag uns diese Gebetshaltung manches Mal befremdlich erscheinen. Doch ich ermutige Sie: Versuchen sie es einmal die Hände zum Gebet einfach zu erheben Trauen Sie sich. Wir Priester machen das. Und vielleicht sind die erhobenen Hände ein Zeichen dafür, dass man mit Gott in Kontakt sein möchte.

Ich will mit ihm in Berührung sein. Beten ist Kontakt mit Gott. Beziehung zu Gott.

Am besten immer. Und deswegen ist vielleicht neben den erhobenen Händen etwas Zweites wichtig. Das erhobene Herz. Wenn die Messe in die Eucharistie übergeht, beginnt die Präfation. Und dann ruft der Priester den versammelten Menschen zu: Erhebet die Herzen! Sursum corda auf Lateinisch. Und die Antwort lautet: Habemus ad Dominum -  Wir haben unsere Herzen beim Herrn.

Manchmal hat man sich gefragt, warum dieser Aufruf erst so spät in der Messe kommt. Eigentlich müsste er am Anfang kommen, denn wenn man das Herz nicht zu Gott erhebt, dann ist er nicht viel dahinter. Vielleicht ist das die Vergewisserung, der Impuls. Nimm dein Herz in die Hand, strecke es Gott entgegen und rück dein Herz in die Nähe Gottes. Wir werden vielleicht in diesen Tagen in der ein oder anderen Kirche ein Herz-Jesu-Bild sehen. Zum Beispiel in der großen Kirche, wo Philipp Neri bestattet ist, gibt es dieses Herz-Jesu-Bild, wo also Jesus ein brennendes Herz hat.

Und dann sieht das so aus, als wolle er das Herz uns heben. Jesus gibt dir sein Herz, weil er sich wünscht, dass du dein Herz Jesus gibst. Dein Herz erheben und Gott übergeben.

In diesen Tagen habe ich begonnen, ein kleines Büchlein des französischen Theologen Yves Congar zu lesen. Er war zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils eine bedeutende Persönlichkeit. Congar hat das Beten bei den Benediktinern gelernt, und er beschreibt, wie ein Besuch in einem Benediktinerkloster ihn tief verwandelt hat. Er hat sich diesen Tag gemerkt und ihn jedes Jahr als Erinnerungstag gefeiert, weil er sagte: An diesem Tag ist beim Beten etwas in mir aufgebrochen. Eines seiner wichtigsten Gebete lautete: Gott, schenke mir die Gnade echten Lebens.

Vielleicht sollten auch wir so beten. Herr, hilf mir beten. Oder in anderen Worten: Gib mir immer wieder deinen Geist. Denn Paulus sagt: Der Geist ist es, der in uns betet. Wenn man sich das einmal vorstellt – der Heilige Geist betet in uns –, dann bedeutet das: Wir sind zutiefst eins mit Gott. Darum: Bitte nie geistlos beten. Kein Gebetswort ohne den Heiligen Geist – sondern immer im Heiligen Geist. Dann liegen wir richtig, und unser Beten ist ganz nah bei Gott. Dann heben wir unser Herz hoch, ihm entgegen.

Vielleicht finden Sie in diesen Tagen in Rom immer wieder einen Augenblick, um still zu werden. Manchmal ist in den Kirchen viel los, manchmal ist das Programm umfangreich, und man ist müde und erschöpft. Aber dann – einfach einmal in die Stille gehen, eine ruhige Ecke suchen, abschalten und das Herz zu Gott erheben: Mein Herz, Gott, ist bei dir. Ich habe mein Herz beim Herrn.

Und wenn der Heilige Geist dann sein Werk in uns tut, dann hoffe ich, dass Sie die Kraft und die Dynamik des Betens am eigenen Leib spüren – und dass sie Sie bereichert und stärkt.

 

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