Startseite > Erzbistum > Bistumsleitung > Predigt zur Diözesanwallfahrt in Lübeck
Schreiben Sie uns per Messenger
Startseite > Erzbistum > Bistumsleitung > Predigt zur Diözesanwallfahrt in Lübeck
Predigt

Predigt zur Diözesanwallfahrt in Lübeck

23. Juni 2018
Lübeck

Es gilt das gesprochene Wort!

„Ihr werdet meine Zeugen sein“

Liebe Schwestern und Brüder,

seit der Himmelfahrt Jesu steht über dem Leben von uns Christen die Überschrift: „Ihr werdet meine Zeuge sein!“ Es ist das Wort des auferstandenen Christus an seine Jünger vor seiner Himmelfahrt. Er kehrt zum Vater heim und gibt uns in diesem einen Satz Entscheidendes mit auf den Weg: „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.“

In diesem Satz ist jedes Wort wichtig. Ich will kurz darauf eingehen:

Wichtig ist zuallererst das Hauptwort: Zeuge

Ein Zeuge wiederholt nicht etwas, das andere ihm vorsagen. Ein Zeuge ist auch nicht einfach ein Sachverständiger, der von einer Sache möglichst viel Ahnung hat durch Studium und Lektüre. Ein Zeuge ist auch nicht zu verwechseln mit einem Informanten, der eine Information weitergibt. Nein, der Zeuge hat etwas gesehen und gehört. Der Zeuge macht eine eigene Erfahrung und genau die gibt er weiter.

So hat der Unfallzeuge den Unfall selber gesehen und bezeugt ihn. Der Zeitzeuge ist jemand, der in einer Zeit drinsteht und darüber bereitwillig Auskunft gibt. Der Glaubenszeuge ist einer, der seinen Glauben nicht nur kennt, sondern der ihn lebt, der etwas von Gott erfahren hat und genau das bezeugt.

Schon die gemeinsame Synode der Diözesen Deutschlands, die sogenannte Würzburger Synode hat in den 70er Jahren schlicht und einfach gesagt: „Christsein heißt … Zeuge sein.“

Das zweite bedeutsame Wort: Ihr
Jesus Christus spricht hier nicht den einzelnen an: Du wirst, sondern er spricht in der Mehrzahl: „Ihr werdet Zeuge sein“. Dieses Wort passt auf die zwölf Apostel damals. Schon im Alten Testament galt die Auffassung, eine Sache müsse durch zwei oder drei Zeugen bestätigt werden (vgl. Dtn 19, 15 bzw. 2 Kor 13, 1). Es gilt also offenbar nicht nur: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen“, sondern auch: Nur zwei, drei, viele sind gemeinsam meine Zeugen. Von den ersten Christen hat man gesagt: „Seht, wie sie einander lieben“. Zeugenschaft ist nichts Individuelles, sondern etwas Gemeinsames, ist immer kirchlich.

Wir verehren die Lübecker Märtyrer, genauer: die vier Märtyrer gemeinsam. Jeder von uns kennt dieses berühmte Wort über sie: „Sag niemals drei, sag immer vier“. Die vier geben gemeinsam Zeugnis – in ihrem Sterben, aber auch in ihrem Leben. Es ist offenbar so, dass man nicht allein Zeuge sein kann; man kann es immer nur gemeinsam. Johannes Prassek, Eduard Müller, Hermann Lange und Karl-Friedrich Stellbrink sind miteinander Christi Zeugen. Sinnbildlich kommt dies in der großen Märtyrerkerze zum Ausdruck mit ihren vier Dochten. Die vier Flammen verschmelzen zu einer großen.

Schließlich ein drittes wichtiges Wort, das Verb: Ihr werdet sein.
Darin steckt die Zusage: „Ihr werdet“, nicht: „Ihr sollt, ihr müsst…“, nein, „Ihr werdet“ es sein! Man ist offenbar nicht Zeuge allein durch das Tun oder das Re-den, sondern durch das Sein, durch unser Da-Sein und So-Sein. Ja, unser ganzes Sein, unser ganzen Leben, wir mit unserem ganzen Person-Sein sind seine Zeuge. Das heißt dann auch nicht nur in einer bestimmten Phase, in bestimmten Abschnitten unseres Lebens, sondern ganz und immer.

Liebe Schwestern und Brüder,
genau heute vor 75 Jahren sind die vier zum Tode verurteilt worden; am 10. November 1943, abends nach 18.00 Uhr sind sie dann im Dreiminutentakt in Hamburg unter der Guillotine getötet worden. Sie sind in ihrem Sterben Zeugen. Sie lassen sich, bevor sie auf das Schafott steigen, noch das Kreuz anreichen, ein Heiligenbild oder sie verabschieden sich mit der festen Zuversicht: Auf Wiedersehen im Himmel! Damit sind sie an dieser ganz wichtigen Stelle im Tod Zeugen für ihren Glauben an den Auferstandenen und die Auferstehung.

Dieses Zeugnis leuchtet schon in ihrem Leben auf. Man kann es nicht auf den Moment des Todes einschränken, sondern es überstrahlt ihr ganzes irdisches Leben. Das, was mir in der Gedenkstätte unter unserer Propsteikirche hier in Lübeck in der neuen erweiterten Ausstellung auffällt, sind neben den Dingen, die man direkt mit den Geistlichen verbindet wie ein Messgewand, ein Kreuz, die Bibel und ähnliches, ganz alltägliche Dinge des Lebens. Da sehen wir eine Kamera. Da ist die Hängematte eines der Geistlichen zu sehen, ein Musikinstrument … Und manche Fotos, die man von ihnen betrachten kann, zeigen sie als aufgeschlossene lebensfrohe Menschen. Sie sind Zeugen des Lebens, Zeugen des Leben-schenkenden Gottes mitten in ihrem alltäglichen Tun.

Und deswegen stehen sie aufseiten der Menschen. Sie bezeugen ihren Glauben mitten im Alltag zusammen und vor ihren Zeitgenossen. Zwei Gruppen möchte ich herausheben aus ihrem seelsorglichen Wirken. Das sind einerseits die Jugendlichen, denen sich die Geistlichen zuwenden auf Fahrten und in Gruppen-stunden, und andererseits die polnischen Zwangsarbeiter, denen sie seelsorglich zur Seite standen, indem sie ihnen die Beichte abnahmen oder sie auf die Hochzeit vorbereiteten, so dass nach dem Krieg eine ganze Menge von ihnen hier in Lübeck geheiratet haben.

Liebe Schwestern und Brüder, „Ihr werdet meine Zeugen sein“. Die vier Lübecker Geistlichen sind das in ihrer Zeit vor 75 Jahren gewesen – im Leben und im Sterben. Heute sind wir gemeint und dran. Wir sind es hier und heute mit unserem ganzen Sein und in Gemeinschaft. Die Märtyrer wollen uns dabei helfen.

Was macht mein Leben froh und reich? Was sind meine Hängematte, in der ich gelassen ausspanne? Mein Musikinstrument, mit dem ich meine Gefühle aus-drücke? Meine Kamera, mit der ich die Welt entdecke? Worin drückt sich meine Lebensfreude und Weltgewandtheit aus?

Und wer sind die Menschen, für die ich mich besonders einsetze, denen ich Zeuge sein darf? Was für die Lübecker Geistlichen die Jugendlichen und die ausländischen Mitmenschen waren – wer ist das für mich? Sind es meine Nachbarn, die eigene Familie, Menschen am Rande unserer Gesellschaft, Menschen in Not, Menschen auf der Flucht, Menschen mit Einschränkungen?

Liebe Schwestern und Brüder, ihr werdet meine Zeugen sein! Nur der Zeuge zeugt im Glauben. Nur der Zeuge über-zeugt! Amen.

Weitere Predigten

Hirtenwort anlässlich des Ansgarfestes 2024

St. Marien-Dom Hamburg
02. Februar 2024

Jahreswechsel 2023/24

St. Marien-Dom Hamburg
31. Dezember 2023

Mitspieler werden an der Krippe - Weihnachtspredigt 2023

St. Marien-Dom Hamburg
24. Dezember 2023
powered by webEdition CMS