Es gilt das gesprochene Wort.
Liebe Schwestern und Brüder,
„Dieser Winter hat die wenigsten Sonnenstunden seit langem.“, konnte man das ein oder andere Mal in den vergangenen Monaten in Hamburg hören. Doch dann kam plötzlich der Umschwung: Vielleicht erinnern Sie sich noch an die kalten Tage Ende Februar dieses Jahres. Es war so kalt wie lange nicht mehr. Aber viele waren froh, denn es war auch so hell und strahlend war wie lange nicht mehr. Nach den lagen Wintertagen, die nicht enden wollten, wurde es zwar bitterkalt aber endlich auch wieder hell. Der Frühling konnte nicht mehr weit sein.
Der Gegensatz von dunkel und hell prägt auch unseren Ostermorgen: Die dunkle Nacht und das hell brennende Osterfeuer; die dunkle Kirche und das eine Licht der Osterkerze; der dunkle Raum und dann die vielen kleinen Lichter in unseren Händen. Licht und Schatten – Finsternis und Erleuchtung – hell und dunkel. Beide Seiten gehören zusammen – im Leben wie im Glauben. Wer Licht will, muss die Finsternis zulassen. Erst der Kontrast macht vieles deutlich.
Deswegen hat die erste Lesung aus dem Buch Genesis wieder jenen Schöpfungshymnus angestimmt über die Erschaffung von Himmel und Erde. Der erste Schöpfungswerk besteht in der Scheidung zwischen Finsternis und Licht: „Finsternis lag über der Urflut … Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht.“ (Gen 1,2-5) Jeden Tag erleben wir dieses Schöpfungswerk, wenn die Sonne aufgeht und wenn sie untergeht.
Es erinnert auch an die vielen Finsternisse und Lichtmomente in unserem Leben und damit auch an die Finsternis, die durch die Nacht des Todes Jesu in die Welt hereingebrochen ist. Vom Tod Jesu heißt es in der Passion ausdrücklich: Von der sechsten bis zur neunten Stunde herrschte eine Finsternis (vgl. Lk 23,44 f). Wenn der Tod das Leben derart finster macht, dann ist Ostern, ist Auf-erstehung, genau das Gegenbild von Finsternis. Deswegen begegnet der Auferstandene vielen am Morgen in der Dämmerung. Dann, wenn das Licht aufgeht. Ja, er selber ist dieses Licht: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12) Ostern durchbricht den Wechsel von Licht und Finsternis. Die Auferstehung Jesu verbürgt die Ewigkeit des göttlichen Lichts, das dem Menschen leuchtet.
Liebe Schwestern und Brüder,
unsere Vorfahren haben in unseren Kirchen Fenster eingebaut. Das Material Glas ist lichtdurchlässig und lässt die Strahlen erleben. Das Licht ist wohl eine der ursprünglichsten Formen der Erfahrung Gottes. Viele von Ihnen kennen das Richterfenster aus dem Kölner Dom. Der Künstler Gerhard Richter hat ein Fenster aus lauter kleinen Rechtecken in unterschiedlichsten Farben geschaffen. Es ist eine einzige Symphonie des Lichtes. Und wenn durch dieses Fenster das Licht erstrahlt, dann können wir selber in diesem Licht stehen. Dann erfahren wir etwas von dem, was der heilige Johannes beschreibt: „Gott ist Licht. Und Finsternis ist nicht in ihm.“ (1 Joh 1,5)
Gott will uns nicht ‚hinters Licht führen‘, wie es sprichwörtlich heißt, sondern das Gegenteil: Er will uns selber ins Licht stellen. Das mag uns zunächst blenden, vielleicht sogar schmerzen und man muss sich daran gewöhnen. Aber wer einmal in dieses Licht gestellt ist, kann hoffentlich nur schwer davon lassen – ähnlich wie der warme und helle Sonnenschein nach dem dunkelgrauen Winter.
Durch die Kirchenfenster können wir das Licht erfahren als etwas, was wir nicht machen können, sondern das wir stets nur einlassen und strahlen lassen können. Wenn wir uns selber einfach in diesen Lichtglanz stellen, in die Strahlen, die durch ein Kirchenfenster hereinkommen, in die Sonnenstrahlen an kalten Wintertagen oder an schönen Sommertagen, dann können wir vielleicht etwas erspüren von dem, was Paulus den Ephesern sagt: „Einst ward ihr Finsternis, jetzt seid ihr durch den Herrn Licht geworden.“ (Eph 5,8) Gott selber stellt uns ins rechte Licht. Wir selber dürfen in seinem Licht licht, das heißt durchlässig und offen werden und Christus durch uns strahlen lassen. Ja noch mehr: Wir können aufrichtig sein und uns mühen, die Dinge bei Lichte, ja in seinem Lichte zu betrachten, nicht auf Hate Speech zu setzen oder auf Fake News hereinzufallen.
Liebe Schwestern und Brüder,
bei der Feier der Taufe empfangen die Täuflinge nicht nur das weiße Kleid und die Salbung mit dem Chrisamöl, sondern auch eine Taufkerze. Viel wichtiger als die Kerze selber ist das Licht dieser Kerze. Es wird an der Osterkerze entzündet und ihm überreicht: „Empfange das Licht Christi.“ Der Täufling selber wird zum Lichtträger. Der Täufling selber ist die Kerze, die durch Christus hell brennt. Christus ist das innere Feuer, das in uns niemals erlöschen kann. In dieses Feuer, in dieses Licht dürfen wir uns an Ostern wieder neu stellen. Und dieses Feuer reichen wir einander weiter, der eine dem anderen. So sind wir Brüder und Schwestern eines Gottes, der Licht ist und will, dass wir statt Finsternis selber Licht sind und bleiben.