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Predigt

Predigt zum Gründonnerstag

29. März 2018
Hamburg/ St. Marien-Dom

Es gilt das gesprochene Wort.

Lesungstexte: Ex 12,1-8.11-14; 1Kor 11,23-26; Joh 13,1-15.

Liebe Schwestern und Brüder,

„Meine Füße, meine Füße!“ Ein Priester berichtet von der Taufvorbereitung eines afghanischen Flüchtlings, der gerne Christ werden möchte. Für Erwachsene, die sich auf die Taufe vorbereiten, gibt es einen längeren Weg, der auch verschiedene Stärkungsriten umfassen kann. Einer dieser Riten ist die Salbung mit Katechumenenöl: Der Priester spricht die Worte „Es stärke dich die Kraft Christi, des Erlösers, der lebt und herrscht in alle Ewigkeit.“ Dann salbt er dem Taufbewerber die beiden Hände. Aber dem jungen Mann aus Afghanistan ist das nicht genug: „Meine Füße, meine Füße!“, bittet er den Priester. Seine Füße haben den Mann aus dem kriegsgebeutelten Land über die Gebirge in die Freiheit und Sicherheit gerettet. Auch sie sollen gesalbt werden.

Der Wunsch des Täuflings macht deutlich: Der Leib ist nicht nur für unser Leben zentral, er ist es auch für unseren Glauben. Das Christentum ist eine leibhaftige Religion. Sie flieht nicht vor dem Leib, so begrenzt er oft auch ist. Sie verachtet den Leib nicht. Das Christentum versucht aber auch den Leib nicht zu vergötzen und überzubewerten. Gott hat den Menschen als Einheit von Leib und Seele geschaffen. Wir haben nicht nur einen Körper, wir sind unser Leib.

Der Leib wird sogar Ort unserer Erlösung. Jesus, der Sohn Gottes, tritt aus Gottes unendlicher Liebe und Herrlichkeit heraus und nimmt einen menschlichen Leib an. „Caro salutis est cardo – Das Fleisch ist der Angelpunkt des Heils“ , hat es das frühe Christentum auf den Punkt gebracht. Gott wird Mensch und das heißt: Gott wird leibhaftig. Er wird berührbar. Er wird greifbar. Er lässt sich ein auf die Spanne eines leibhaftigen Lebens von der Geburt bis zum Tod. Ganz konkret können wir diesen Leib fest machen an dem Datum der Geburt, an Weihnachten im Kind in der Krippe, bis hin zum Tod am Karfreitag am Kreuz.

In diesem Leib spricht Gott sich selber aus, lebt in Beziehung zu den Menschen. Alles Göttliche wird übersetzt auf die Ebene eines leibhaftigen Lebens. Der Leib Jesu Christi ist der Ort, an dem Gott uns begegnen möchte. Der Leib Jesu Christi und damit der Leib Gottes ist die Verbindung zu uns. Gott kommuniziert mit uns nicht von Geist zu Geist, sondern leibhaftig. Jesus fügt seiner Botschaft immer wieder leibhaftige Zeichen hinzu. Vor allen Dingen wenn er den Leib des Menschen berührt und heilt. Es sind die Kranken, es sind die Leidenden, es sind die Kleinen, an den Rand gedrängten, es sind die Ausgestoßenen, es sind die Sünder und Zöllner, um deren Leben er keinen Bogen macht, sondern das er konkret annimmt und berührt. Ja, auch uns lädt er ein, unsere Leiblichkeit anzunehmen – eine nicht immer leichte Aufgabe.

Liebe Schwestern und Brüder,

der heutige Gründonnerstag steht auch im Zeichen der Füße, der Leiblichkeit. Christus berührt, wäscht, reinigt, die Füße seiner Jünger. So wie wir es gleich zeichenhaft auch tun werden. Und noch eines passiert am Gründonnerstag: Der Leib gewinnt am letzten Abend Jesu eine ganz besondere Bedeutung. Jesus feiert mit seinen Jüngern das Passahmahl. Er greift dabei alte Riten auf, wie den Becherritus und den Brotritus. Aber er gibt ihnen einen neuen Sinn. Zwei entscheidende Elemente fügt er ein, beim Brot die Zusage: „Das ist mein Leib.“ und beim Becherritus: „Das ist mein Blut.“ Er sagt nicht „Das bedeutet…“ oder „Das ist wie…“. Nein, er sagt: „Das ist…“

Daraus entwickelt sich die zentrale Feier unseres Glaubens, die Eucharistie. Sie ist sozusagen das Sakrament der Sakramente schlechthin. Deswegen feiern wir sie jeden Tag. In dem Brot und in dem Wein wird Christus leibhaftig greifbar und berührbar über die Zeiten hinweg. Christus will nicht rein ideell, metaphorisch, auf einer abstrakten Ebene unter uns bleiben, sondern er ist leibhaftig, konkret, gegenwärtig durch die Zeiten hindurch bei uns. In der Eucharistie durchdringt sein Leib sich mit unserem Leib. Es kommt zur Verbindung und Einheit, zu Heilung und Annahme. Die Philosophin und Mystikerin Edith Stein drückt das in einem Gedicht aus:

„Dein Leib durchdringt geheimnisvoll den meinen,
Und Deine Seele eint sich mit der meinen:
Ich bin nicht mehr, was einst ich war.“

(Aus: Stein, Edith: „Ich bleibe bei Euch…“ In: ESGA)

Und schließlich, liebe Schwestern und Brüder, ein Gedanke gewissermaßen nach vorne: In unserem Glaubensbekenntnis bekennen wir die Auferstehung der Toten. Damit ist im strengen Sinn die Auferstehung des Fleisches gemeint, die Auferstehung des Leibes. Leib meint hier mehr als Körper. Leib meint den ganzen Menschen in seiner Konkretheit, seiner Individualität und seinen Beziehungen. Wir schauen in der Eucharistie heute schon ein wenig nach vorne und wir freuen uns darauf, selber von Angesicht zu Angesicht dem auferstandenen Christus leibhaftig begegnen zu dürfen. Noch einmal Edith Stein:

„Du kommst und gehst, doch bleibt zurück die Saat,
Die Du gesät zu künft’ger Herrlichkeit,
Verborgen in dem Leib von Staub.“

Die ersten Jüngerinnen und Jünger mussten sich da langsam herantasten. Der positive Blick auf die Leiblichkeit und die Auferstehung des Fleisches waren damals keine allgemein anerkannte Vorstellung – im Gegenteil. Vielleicht müssen auch wir das wieder neu lernen und vielleicht bietet sich uns diese Chance in diesem Jahr. Versuchen wir über den Leib, Christus an diesen Kar- und Ostertagen ein wenig näher zu kommen: Christus, der unser Menschsein angenommen hat; dem Leib Christi, den wir in der Eucharistie empfangen und schließlich unseren eigenen Leib, der zur Auferstehung der Toten gerufen ist. Gerade deshalb ist es manchmal hilfreich, wenn uns Menschen wie der junge Afghane ganz unverkrampft darauf hinweisen. Amen.

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