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Predigt

Predigt von Erzbischof Stefan zur Missa Chrismatis

26. März 2018
Hamburg/ St. Marien-Dom

Es gilt das gesprochene Wort


Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Mitbrüder im Priester- und im Diakonenamt,

das Erkennungszeichen von uns Christen ist das Kreuz, eines unserer ursprünglichsten ‚Logos‘. Deswegen tragen viele von uns ein Kreuz an einer Kette. Deswegen haben viele Diakone und Priester am Revers ein Kreuz angesteckt. In unseren Wohnungen hängen die Kreuze, in unserer Liturgie verwenden wir sie. In der Kunst gibt es großartige Kreuzesmeisterwerke: In der evangelischen Nikolaikirche in Kiel ist ein riesiges Kreuz und ein ähnliches großartiges Triumphkreuz im Schweriner Dom. Es gibt das Barlachkreuz in unserer Lübecker Propstei und das Kreuzfenster in der Edith-Stein-Kirche in Hamburg-Neuallermöhe. Vielleicht haben Sie jetzt alle ein oder Ihr Kreuz vor Augen, von dem Sie sagen: „Das begleitet mich mein Leben lang. Das sagt mir etwas.“ Vielleicht braucht man ein Kreuz, mit dem man auf Du und Du geht.

Mich beschäftigt das in diesen Tagen sehr. Mir hat vor kurzem jemand geschrieben: „Bei der Bischofsweihe hast du das Schmuckkreuz umgelegt bekommen. Aber es ist etwas anderes, das Kreuz auf den Schultern tragen zu müssen.“ Und natürlich kennen wir alle das Wort Jesu: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23). Offenbar hat jeder seine Kreuz. Mir fiel gestern noch ein Wort des heiligen Albert in die Hände, der einmal sagt: „Das Maß [des] Auftrags im Dienste Christi ist jeweils das Maß des Kreuzes, das [wir] zu tragen haben.“ Jeder von uns hat daran Anteil.

Ich erinnere mich noch gut an meine Priesterweihe vor nun fünfundzwanzig Jahren. Wir waren damals ein wenig überrascht, weil Kardinal Meisner in Köln einen ‚Eigenritus‘ einbaute, vor dem uns vorher niemand gewarnt hatte: Wir traten vor den Bischof, um den Kelch und die Hostien-schale zu empfangen. „Empfange die Gaben des Volkes für die Feier des Opfers.“, wird dann dazu gesprochen. Und es endet mit der Aufforderung: „…stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes.“ Dann passierte Folgendes: Plötzlich zückte der Erzbischof ein kleines Kreuzchen und überreichte es jedem einzelnen und irgendwie wusste man nicht, wohin damit. Man hatte ja noch den Kelch und die Hostienschale in den Händen, man war nervös und alles wackelte. Wohin jetzt mit dem Kreuz? Man fängt an zu kramen und versteckt es unter der Albe. Aber dieses Kreuz von Hans Dinnendahl, ein kleines, begleitet mich seitdem und liegt immer auf meinem Schreibtisch. Jeden Tag schaue ich darauf und jetzt ein bisschen mehr als sonst.

„Stell dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes.“ Beim Nachdenken ist mir aufgegangen: Das Kreuz ist nicht nur etwas Schweres, ist nicht nur eine Last. So verstehen wir das ja oft. Jeder hat sein Kreuz. Hinter dem Kreuz steckt mehr. „Stell dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes“, das heißt zunächst: Du musst gar nichts tragen. Du musst auch gar nichts opfern, sondern steh einfach da und öffne dich für das, was vom Kreuz ausgeht.

Unter dem Kreuz beginnt die Kirche. In einem unserer Gebete in der Messe beten wir: „Gott, unser Vater, deine Kirche … feiert den Tod deines Sohnes, aus dessen Seitenwunde sie hervor-gegangen ist.“ Also bevor wir etwas tun, bevor wir etwas tragen, bevor wir etwas machen, sind wir Empfänger. Und deswegen gilt es, dass wir uns öffnen für das, was vom Kreuz auf uns über-kommen soll und will. Durch Maria, die unter dem Kreuz steht – sozusagen als Sinnbild der Kirche – und die sich öffnet für den Strom, der vom Kreuz auf sie hinabfließt, bringt die Kunst das zum Ausdruck. Auf dem Fuß meines Primizkelches ist genau diese Szene angedeutet. Sie erinnert mich jeden Tag neu daran: Bevor du etwas tust, empfängst du und bist du. Vor allem Tun kommt das Sein und das Da-sein. Dieses Sein ist nichts als Geschenk, nichts als Gnade. Gott gibt alles und da-mit fängt Kirche an. Längst bevor wir etwas machen, bevor wir pastoral tätig werden, ist Kirche. Sie war vor uns und sie wird auch nach uns sein. Nicht, weil wir so toll wären – wir sind zwar nicht unwichtig. Aber viel wichtiger ist er, der alles grundiert und der seine Kirche nie allein lässt. Stell dich unter dieses Geheimnis. Öffne dich dafür. Empfange das jeden Tag neu.

Sich unter das Kreuz stellen kann man, indem man darauf schaut und den Gekreuzigten ansieht. Das ist der Anfang. Aber dann kann man sich umdrehen und sozusagen mit dem Blick des Gekreuzigten auf die Menschen und die Welt schauen. Das Kreuz lädt uns ein, den Blickwinkel Jesu auf-zugreifen, wie er zu schauen, seinen Liebesblick aufzunehmen und selber mit diesem Liebesblick auf die Menschen zu sehen. Vielleicht brauchen wir ein ganzes Leben, um diesen Blick zu erlernen: Nicht die Augen zu verschließen, obwohl wir vieles gar nicht ertragen könnten. Auch nicht wegschauen, sondern ansichtig sein, einen klaren Blick haben. In einem Gebet heißt es sinngemäß: ‚Gib mir deinen Blick, Herr. Gib mir deinen Blick der Liebe, so wie du ihn am Kreuz gehabt hast und dein ganzes Leben.‘ Wenn wir aus dieser Liebe selber leben und uns in diesen Blick einüben, dann stehen wir nicht allein unter dem Kreuz des Herrn, sondern dann kann es uns gelingen, unter den vielen anderen Kreuzen zu stehen, die in unserer Welt aufgerichtet sind. Überall stehen sie – kleine und große. Sie sind immer wieder unangenehm. Aber ich glaube, unsere Aufgabe als Kirche und erst recht als Seelsorger besteht doch darin, unter dem Kreuz der Menschen zu sein. Der Papst fordert uns dazu immer wieder auf: ‚Geht an die Ränder, geht an die Peripherie!‘ Er meint ja nicht die Geografie, sondern die existentiellen Ränder. Das sind diese Kreuze. Da zu stehen und solidarisch zu sein mit und für die Menschen in ihren Kreuzessituationen. Theologisch sagen wir Proexistenz, ein schönes Wort – eine große Wirklichkeit.

Liebe Schwestern und Brüder,
hier in unserem Dom und in vielen Kirchen ist jetzt das Kreuz verhüllt. Das lädt uns dazu ein, es neu auszupacken. Das lädt uns dazu ein, es neu anzuschauen und es neu sehen zu lernen. Des-wegen wünsche ich Ihnen allen in diesen Tagen, die besonders intensive Tage sind, dass Sie sich – egal ob Sie nun zum Priester geweiht sein mögen oder nicht – dass Sie alle sich unter das Geheimnis des Kreuzes stellen. So wie das in der Priesterweihe ausgedrückt wird und wir das erfahren haben, als wir dieses kleine Kreuz in die Hand gesteckt bekamen: Stell dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes und empfange. Sieh dich ein in seinen Liebesblick und schau mit diesem Blick in die Welt und auf die Menschen – auch auf dich selbst. Und dann versuche bei dem einen oder anderen Kreuz auszuhalten und zu stehen wie Maria und Johannes. Stell dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes. Amen.

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