Es gilt das gesprochene Wort
Liebe Schwestern und Brüder,
die Pharisäer kommen zu Jesus, um ihm eine Falle zu stellen. Eine Falle soll zuschnappen. Sie will das Gegenüber dingfest machen. Sie will ihn nicht wieder herauslassen, sondern festsetzen. Jesus soll eingeengt werden. Man will sein Wirken eingrenzen, abkürzen und im Letzten beenden.
Jesus geht aber nicht in diese Falle hinein. Die Falle schnappt nicht zu. Im Gegenteil: Jesus Christus gibt den Pharisäern eine Antwort von großer Weite und Grundsätzlichkeit. Eine Antwort, die auch für uns heute überaus hilfreich und lehrreich ist: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört und Gott, was Gott gehört!“ (Mk 12,17).
Jesus baut ein Gegensatzpaar auf: Gott und Kaiser. Wir könnten vielleicht auch sagen: Gott und die Welt. Oder: Das Reich Gottes und irdische Staaten. Vielleicht deutet sich hier auch schon das Ge-gensatzpaar Kirche und Welt an. Aber es kann ja wohl nicht darum gehen, diese beiden Teile fein säuberlich voneinander zu trennen, sozusagen Gott aus der Welt herauszuhalten und die Welt von Gott abzutrennen. Es kann aber auch nicht wie bei einer Firma darum gehen, wer an meinem Le-ben die Mehrheitsanteile hält. Es wäre schon skurril, die beiden Bereiche derart voneinander zu trennen. Etwa wenn man sagen würde, 51% Gott und 49% Kaiser bzw. Welt und das versehen mit allen möglichen Börsenschwankungen. Nein, es geht hier nicht um Trennung, sondern um ein Zueinander. Die beiden Größen des ‚Gott-Gehörens‘ und des ‚Kaiser-Gehörens‘ sind aufeinander verwiesen.
Vielleicht kann uns der heilige Paulus ein wenig weiterhelfen. In seinem ersten Korintherbrief fin-den sich mehrere markante Sätze, in denen er über das „Gehören“ spricht. Versuchen wir dem ein wenig nachzugehen.
„Alles gehört euch“ (1 Kor 3,22). Paulus predigt eben keine Weltabgewandtheit oder sogar Welt-flucht. Paulus weiß, dass die Christen mitten in der Welt sind und leben. Paulus weiß darum, dass die Welt Schöpfung Gottes ist. Dass letztlich alles in dieser Welt von Gott gut geschaffen ist. Des-wegen soll und muss der Mensch diese Schöpfung verantwortlich gebrauchen. Er soll sie nicht missbrauchen und ausbeuten, sondern er trägt ihr gegenüber eine Verantwortung.
Der heilige Josemaría Escrivá de Balaguer kann ohne Abstriche sagen: „Es ist unglaublich, wie glücklich man in dieser Welt sein kann“( Josemaría Escrivá, Die Spur des Sämanns 296. Gleichzeitig weiß der heilige Josemaría auch um die Verantwortung, die wir Menschen, die wir Christen ge-genüber dieser Welt haben. Er nimmt gleichsam prophetisch einen Gedanken des Zweiten Vatika-nischen Konzils aus der Pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute vorweg, wenn er sagt: Den Christen „bewegen die Sorgen aller Menschen“( Josemaría Escrivá, Die Spur des Sämanns 303). Das Zweite Vatikanische Konzil wird im Gaudium et spes Nr. 1 etwas umfang-reicher ausführen: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jün-ger Christi.“
Von dem „Alles gehört euch“ geht Paulus noch einen Schritt weiter: „Ihr gehört nicht euch selbst“ (1 Kor 7,19). Ich besitze mich also nicht selber. Ich bin nicht der Eigentümer meines Lebens. Zwei Gründe führt Paulus dafür an: Erstens: Jeder Mensch ist um einen teuren Preis erkauft, näm-lich durch das Blut Christi. Und Zweitens: In uns wohnt Gottes Geist. Damit deutet sich schon an, dass wir einem anderen gehören. Wieder Paulus: „Ihr aber gehört Christus“. Und diesen Gedan-ken führt er schließlich folgerichtig noch einmal weiter: „Christus gehört Gott“ (vgl. 1 Kor 3,23). Wir gehören also dem dreifaltigen Gott: Wir sind von ihm gewollt, befreit und begnadet.
Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir also Gott gehören, dann ist das der umfassende Horizont unseres Lebens. Mit Gott kann man nicht kleinkariert umgehen und ihn in Segmente des Lebens und der Welt verbannen, sondern Gott bleibt der umfassende Horizont unserer ganzen Existenz. Deswegen bleibt uns gar keine andere Möglichkeit, als ihn immer wieder neu „an die Spitze und in den Mittelpunkt“(Josemaría Escrivá de Balaguer, Im Feuer der Schmiede 678) zu stellen, wie der Heilige Josemaría sagt.
Kommen wir noch einmal auf die Falle zurück, die die Pharisäer Jesus stellen wollen. Sie wollen letztlich das Eine von dem Anderen getrennt wissen und gegeneinander ausspielen. Jesus trennt nicht, sondern ordnet zu. Jesus setzt Gott und sein Reich an die Spitze und in den Mittelpunkt und von dort aus weiter. Von Gott her sollen alle Bereiche erfüllt und verwandelt werden. Von Gott her soll alles durchtränkt und durchsäuert werden.
Und damit muss es auch keinen Gegensatz zwischen Kirche und Welt geben. „Es ist nicht wahr, dass ein Leben als guter Katholik und als loyales Glied der bürgerlichen Gesellschaft sich widespre-chen. Ebenso wenig können Kirche und Staat zusammenstoßen, wenn sie ihre legitime jeweilige Autorität zur Erfüllung der ihnen von Gott aufgetragenen Sendung ausüben“( Vgl. Josemaría Escrivá, Die Spur des Sämanns 301). Ja, Kirche und Welt kann man unterscheiden und muss man unterscheiden, aber nicht trennen, feinsäuberlich voneinander abschneiden und fixieren, sondern in einer gegenseitigen Verwiesenheit sehen: von Gott her. Amen.