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Predigt

Predigt in der Chrisammesse

10. April 2017
St. Marien-Dom in Hamburg

Es gilt das gesprochene Wort


Liebe Brüder und Schwestern,
vor allen Dingen liebe Mitbrüder im Priester- und Diakonenamt,

in dieser Fastenzeit ist mit mir das Thema Gebet durch die einzelnen Wochen gegangen. Am Samstag vor dem 1. Fastensonntag durfte ich hier im Mariendom, wie in jedem Jahr, die Taufbewerber zu den Initiationssakramenten an Ostern zulassen. Im Anschluss an den Gottesdienst habe ich ihnen im Ansgarhaus ein Gebet- und Gesangbuch, unser Gotteslob, geschenkt. Ich hoffe, dass dieses Buch zu einem Gebrauchsgegenstand für sie wird und sie beim Beten und Singen unterstützt. Einige Woche später habe ich hier im Dom mit einem jungen Mann gesprochen – ich habe davon bereits bei der Bischofsweihe von Horst Eberlein erzählt – der die große Sorge hat, dass unsere Kirche derart verwaltet wird, dass kein Raum und keine Zeit mehr zum Beten bleibt. Wörtlich: „Ich habe Angst vor einer Kirche, in der man nicht mehr beten kann und in der man das Beten nicht mehr lernt“. Und dann war da noch der Film „Silence“, den ich mir hier in Hamburg in einem Kino im Schanzenviertel angeschaut habe: Er berichtet von der Christenverfolgung im Japan des 17. Jahrhunderts. Das Land hatte sich damals gegen alle westlichen Einflüsse abgeschottet und damit wurden in kürzester Zeit die Missionserfolge zunichte, die portugiesische Jesuiten, angefangen mit Franz Xaver (1506-1552) erzielt hatten. Der Film geht unter die Haut – nicht nur wegen der Grausamkeiten, die die Christen erleiden mussten, sondern er geht auch unter die Haut, weil er in diesen Grausamkeiten einen Einblick in das Innenleben der letzten Christen und Missionare eröffnet. Einer der Jesuiten ist irgendwann kurz vor der Verzweiflung und fragt: „Die Last dieses Schweigens Gottes ist furchtbar. Bete ich einfach ins Nichts?“ Damit sind wir schon mitten im Beten Jesu im Ölgarten in der Nacht zu Karfreitag angelangt.

Liebe Mitbrüder, bei der Weihe der vier Diakone am 1. April habe ich, wie immer bei der Diakonenweihe, wie bei jedem Einzelnen von uns, bei den Bereitschaftsfragen auch die nach dem Gebet gestellt: „Seid Ihr bereit, aus dem Geist der Innerlichkeit zu leben, Männer des Gebetes zu werden und in diesem Geist, das Stundengebet als euren Dienst zusammen mit dem Volk Gottes und für dieses Volk, ja für die ganze Welt treu zu verrichten?“

Liebe Mitbrüder, jeder von uns könnte seinen diakonalen oder priesterlichen Dienst unter dem Blickwinkel des Gebetes sehen und beschreiben. Vielleicht müssten wir viel öfter miteinander darüber reden und uns von unseren Erfahrungen erzählen. Unser Diakon- und Priestersein ist auch eine Gebetsgeschichte mit vielen Mühen und Höhen, aber auch mit manchen Tiefen. Die Erfahrung dieses Jesuiten aus Japan, der in das Nichts hineinspricht, gibt es auch in unserem Leben. Sie taucht nicht erst in der Situation der Verfolgung auf. Manchmal ist sie ziemlich zermürbend und schwierig zu tragen.

Immer wieder spüre ich aber, wie wir aus dem Gebet leben. Das Gebet ist gleichsam der Atem unseres Christseins, unseres Diakonseins, unseres Priesterseins. Es stimmt, was Huub Oosterhuis in seinem Lied „Ich steh vor dir mit leeren Händen“ zum Ausdruck bringt: „Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete“. Ohne Beten werden wir atemlos. Lassen wir das Beten zeitweise sein, kann es zu Atemrhythmusstörungen kommen. Aber mit Beten und im Beten – wie es auch immer aussehen mag – atmen wir tief durch: ein und aus. Und immer wieder neu: ein und aus.

Diese Ein- und Ausatmen versetzt uns in eine lebendige Beziehung zu Gott, egal wie wir unser Gebet trinitarisch auch ausrichten. Ob wir uns nun direkt an den „Allmächtigen Gott“, an den Vater selbst wenden, oder ob wir „durch Christus, unseren Herrn“ beten oder im Heiligen Geist: Wir treten in das dreifaltige Beziehungsgeschehen Gottes ein. Wir nehmen sozusagen in unserem Beten am trinitarischen Dialog, an diesem Gespräch zwischen Vater und Sohn im Heiligen Geist teil. So bescheiden uns unsere Gebete oft vorkommen, erstrecht wenn wir den Eindruck haben, es bringt alles nichts, selbst mit unserem Schweigen treten wir in dieses göttliche Beziehungsgeschehen, in diese göttliche Liebe ein. Und umgekehrt: Gott tritt in unser Leben ein.

Gebet ist also Beziehung, ist Beziehungspflege.

So setzt das Gebet uns auch in Beziehung zu anderen und zueinander. Oft beten wir nicht allein, sondern miteinander. Wir beten nicht bloß für uns, sondern für andere. Wir beten stellvertretend für sie. Unser Beten ist immer ein Beten für die ganze Welt. Deswegen bin ich dankbar, dass gerade in den Psalmen des Stundengebetes alle möglichen menschlichen Erfahrungen auftauchen und sie in das Gebet einfließen. Unsere Fürbitten atmen die Weite des ganzen Kosmos.

Die Erfahrung von Dietrich Bonhoeffer stimmt: „Wo ein Volk betet, da ist Kirche. Und wo Kirche ist, da ist nie Einsamkeit“. (zitiert bei Eberhard Bethge, Zwischen Finkenwalde und Tirpitzufer, 18)

Liebe Mitbrüder, mir ist es ein Anliegen, dass unsere Pfarreien und Orte kirchlichen Lebens zu allererst Räume des Gebetes sind. Gönnen Sie sich und den anderen Zeiten des Gebetes bei den Konferenzen, bei den Teamgesprächen, bei den Versammlungen, bei den Gremiensitzungen. Öffnen Sie unsere Gotteshäuser für das persönliche Beten des Einzelnen, aber auch für das gemeinschaftliche Beten. Die Eucharistie ist Quelle und Höhepunkt allen kirchlichen Tuns. Aber da-mit ist sie nicht das einzige liturgische Tun der Kirche. Im Gegenteil: Sie soll und muss eingewoben sein in ein intensives Gebetsleben. Nur so wird sie gut vorbereitet und nur so kann sie ihre Wirkung entfalten. Unsere Kirche hat einen reichen Gebetsschatz. Den sollten wir nicht verstecken, sondern zum Glänzen bringen, die vielen Formen von Gebet, die die Kirche kennt: das Stunden-gebet, der Rosenkranz, die Anbetung, den Lobpreis, der Kreuzweg, das Ewige Gebet, Nightfever und vieles vieles mehr.

Liebe Mitbrüder, bei der Konferenz der Spirituale, die vor einigen Wochen hier in Hamburg tagte, hat mich sehr bewegt die Äußerung eines Mitbruders, der etliche Jahre als Wissenschaftler gearbeitet hat und nun als Spiritual wirkt. Er erzählte sehr persönlich von seiner Schwester, die ihm, dem Priester, vor einiger Zeit noch einmal gesagt hat: „Einen Priester beten zu sehen, stärkt mich als Christin ungemein“. Vielleicht darf ich ganz im Sinne dieser Frau ergänzen: Mit einem Priester, mit einem Diakon, mit einem anderen Christen gemeinsam wirklich zu beten, das ist eine ungeheure Kraftquelle. Ich wünsche Ihnen dazu den nötigen Mut für sich selbst und die Ermutigung für die Gläubigen und unsere Gemeinden.

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