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Predigt

Predigt in der Osternacht 2016 im St. Marien-Dom

27. März 2016
Hamburg

„Lebenserwartung steigt weiter“, so eine Information in den Medien Anfang dieses Monats. 1910, also vor etwa 100 Jahren, betrug die durchschnittliche Lebenserwartung noch ca. dreißig Jahre weniger als heute. Mittlerweile dürfen in Deutschland neugeborene Mädchen davon ausgehen, dreiundachtzig Jahre alt zu werden und neugeborene Jungen achtundsiebzig Jahre. Die Lebenserwartung steigt!

Lebenserwartung heißt hier schlicht und einfach: Lebensdauer. Rein statistisch stimmt es: Wir werden immer älter. Was aber nützt der statistische Durchschnittswert dem Einzelnen? Was nützt er mir? Jedes menschliche Leben ist und bleibt einzigartig! Und: Eine Lebensverlängerung allein - macht die schon glücklich? Wie viele Menschen haben sogar ausgesprochene Angst vor sogenannten „lebensverlängernden Maßnahmen“?!

Viele von uns hier in Deutschland dürfen sich an einer überaus guten Lebensqualität erfreuen. Ich denke nur an unsere gesundheitliche Versorgung oder an die großen Bildungschancen in unserer Gesellschaft.

Gleichzeitig müssen wir aber immer im Blick behalten, dass es auch in unserem Land viele Menschen gibt, die keinen Zugang zur Bildung haben, oder andere, die mit großer Angst auf eine drohende Armut im Alter schauen. Ganz zu schweigen von den vielen Menschen weltweit, deren Leben äußerlich betrachtet quantitativ und qualitativ viel kürzer und bescheidener ausfällt als für viele von uns.

Liebe Schwestern und Brüder, Ostern ist das Fest des Lebens. Ostern ist das Fest des Lebens wie kein anderes Fest im Kirchenjahr. Ostern bedeutet das Leben schlechthin! Ostern weitet unsere Lebenserwartungen und unsere Lebensmöglichkeiten enorm!

Ostern weitet die siebzig, achtzig oder neunzig Jahre unseres Lebens hier auf dieser Welt um den Faktor Ewig. Wir leben also siebzig, achtzig, neunzig Jahre plus Ewig. Das gibt eine große Gelassenheit. Wir können die irdischen Jahre zwar nutzen und füllen, aber wir brauchen sie nicht zu überfrachten. Es gilt seit Ostern: Wir erwarten immer (!) mehr, als wir bereits hinter uns haben. Die Uhr läuft nicht ab, die Zeit rennt uns nicht davon, sondern wir bewegen uns auf die Fülle der Zeiten zu.

Ewigkeit heißt nun nicht einfach Unendlichkeit, wie man landläufig meint, wenn wir manchmal eher gelangweilt feststellen: „Das dauert ja eine Ewigkeit“. Ewigkeit heißt vielmehr dauernde Gegenwart, heißt immer im Jetzt leben zu dürfen. Diese österliche Ewigkeit heißt eigentlich nichts anderes, als endlich anzukommen, endlich der oder die zu sein, der oder die ich sein soll. Nicht hinter mir zurück zu bleiben und nicht vor mir selber wegzulaufen, sondern ganz bei mir sein zu können. Ich kann in der Ewigkeit ganz der sein, der ich von Gott her sein soll, weil ich in Gottes Nähe leben darf, weil mich in der Ewigkeit niemand und nichts mehr von diesem Gott trennt. Wenn ich ganz bei Gott bin und ganz bei mir selbst bin, dann sind wir auch alle beieinander. Dann entsteht jene Gemeinschaft, von der wir hier alle nur träumen können.


Und dennoch, liebe Schwestern und Brüder, für uns Christen beginnt dieses ewige Leben nicht erst dann, wenn wir sterben, sondern es ragt schon in diese Zeit herein. Ostern fordert uns auf, unsere Lebenszeit für die Qualität Ewigkeit zu öffnen.

Das österliche Leben macht sich bei den ersten Jüngern dadurch bemerkbar, dass sie den Auferstandenen von Angesicht zu Angesicht sehen, und damit leben sie schon hier und jetzt immer wieder im „Jetzt“ Gottes.

Diese Erfahrung wälzt sie innerlich um. Sie werden zu neuen Menschen, die sich selber im Licht Gottes sehen. Ihnen geht es dann nicht mehr um Zweitrangiges oder um Äußerlichkeiten. Sie finden zu ihrem Wesen und leben in großer Harmonie und Eintracht mit Gott selber.

Und schließlich, wer den Auferstandenen so nah vor Augen hat, wer sich selber neu erkennt, der wird auch fähig für die neue Gemeinschaft, die schon jetzt entsteht. Deswegen rennen die Zeugen der Auferstehung in ihre Gemeinschaften, und sie verändern diese und die ganze Welt von innen her.

Liebe Brüder und Schwestern, dieses österliche Lebenskonzept unterscheidet sich grundsätzlich von dem, was unsere Gesellschaft gerade in den letzten Tagen durch die Brüsseler Ereignisse aufgeschreckt hat. Als Christen wollen wir so etwas gerade nicht! Wir stehen zu unserer europäisch-christlichen Tradition und wollen alles tun, um sie weiter zu gestalten, um sie weiter zu leben! Wir wollen die österliche Dimension in das alltägliche Leben einbringen und es so bereichern – zum Wohle aller Menschen.

„Lebenserwartung steigt“ ist nicht nur eine Zeitungsmeldung, es ist die Osterbotschaft. Ich wünsche Ihnen allen ein erfülltes, frohes Osterfest, das in ihr Leben hineinstrahlt, also jeden Tag eine Spur von Ewigkeit im Hier und Jetzt – und das gerade in diesen bewegten Zeiten!

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