Die Aufgaben des Priesters sind sehr vielfältig. Das Berufsbild ist bunt, interessant. Es ist umfas-send, ganzheitlich. Die Stellenausschreibung für einen Priester gerät lang – manchmal so lang, dass sie überfordernd wirken kann.
Vieles davon hat unser Weihekandidat in seinem Diakonatspraktikum in Schwerin erfahren. Nach den Jahren des Studiums scheint ihm das richtig gut getan zu haben. Denn er sagt: „Schöner als in Schwerin kann es im Himmel nicht sein.“ (Warten Sie ruhig mal ab!)
Alles Mögliche haben Sie dort erlebt: Jugendarbeit, die Schule, die religiöse Kinderwoche, den Gottesdienst, Jugendfreizeiten, Krankenbesuche, Predigtvorbereitung, die ersten Sakramenten-spendungen … Wenn man all das sich vor Augen führt, dann kann der priesterliche Dienst gera-dezu zersplittern. Da kann er sich in ein Vielerlei verlieren. Zur Identität kommt das priesterliche Leben dann, wenn es eine Mitte hat. Es braucht einen „roten Faden“. Es braucht so etwas wie einen Ruhepunkt, von dem alles seinen Ausgang nimmt.
1. Freund
Einen solchen Ruhepunkt haben Sie ins Auge gefasst in dem heutigen Evangelium, das Sie sich selber gewünscht haben: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; ich nenne euch Freunde“. Dieses Wort spricht nicht von den Aufgaben, von den Erwartungen oder der Verantwortung. Ein Freund hat nicht nur Interesse an dem, was man tut, sondern vor allen Dingen, an dem, was man ist und wie es einem geht. Freundschaft lebt davon, dass Freunde sich begegnen, aneinander denken und miteinander sprechen. Sie müssen sich austauschen. Sie wollen das Beste füreinander. Bei einem Freund kann man sich ausru-hen. Man kann sein Herz ausschütten und sich Luft machen. Dort findet man Verständnis und neuen Mut, Anerkennung. Von einem Freund nimmt man Rat und auch Korrektur an.
Priester sein heißt zu allererst Freund Jesu Christi zu sein. So wie Jesus Christus immer in der Beziehung zu seinem Vater lebte, und sein ganzes Wirken darin aufging, diese Bezie-hung uns Menschen lebendig zu vermitteln, so soll der Priester in der Beziehung zu Chris-tus leben. Und das genau bedeutet es, Freund Jesu Christi zu sein.
Gleich, wenn Sie geweiht worden sein werden, wenn Sie bereits die Paramente des Pries-ters angelegt haben, Ihre Hände gesalbt sind, und Sie die Gaben von Brot und Wein emp-fangen haben, folgt gleichsam als Abschluss der Priesterweihe die Umarmung des Neupriesters. Und dabei könnte die Schola den Gesang anstimmen „Jetzt seid ihr nicht mehr Knechte – ihr seid Freunde“. Der Ritus sieht das so vor. Zum Priester geweiht zu werden, heißt also Freund Jesu Christi zu sein und zu bleiben.
2. Dornbusch
Freunde haben keine Geheimnisse voreinander. Sie teilen alles einander mit und vertrauen aufeinander. Deswegen finde ich es wunderbar, dass Sie mit der alttestamentlichen Le-sung aus dem Buch Exodus – und hier wird uns allen deutlich, dass das Alte Testament für uns Christen unverzichtbar und ein wahrer Schatz ist –eine der Schlüsselstellen aus dem Alten Testament ausgewählt. Mose darf die Offenbarung Gottes erfahren, die Nähe Got-tes, das Feuer, den lebendige Gott, das Leben Gottes schlechthin: „Ich bin der Gott Abra-hams …“
Ich hoffe, dass dieser brennende Dornbusch stets mit Ihnen zieht. Respektive: Dass Sie mit diesem brennenden Dornbusch durch Ihr Leben ziehen. Und dass Sie so immer wieder heiligen Boden unter den Füßen haben (Nicht nur in Schwerin!). Vielleicht kommt Ihnen Papst Johannes Paul II. in den Sinn, der immer, wenn er ein neues Land betrat, beim Aus-steigen aus dem Flugzeug zuerst die Erde geküsst hat, weil er wusste: auch dieser Land-strich ist Gottes heiliger Boden. Denken Sie daran, wenn Sie in der stillen Betrachtung auf die Knie gehen und mit Ihren Knien die Erde berühren. Sie haben heiligen Boden unter den Füßen, und Gott will Ihnen im brennenden Dornbusch nahe sein.
Vielleicht hilft Ihnen dann ein kleines Gebet des langjährigen Generaloberen der Jesuiten weiter, Pedro Arrupe. Sie haben ja bei Jesuiten in Frankfurt St. Georgen studiert. „Lass dein Licht für mich sein, was der brennende Dornbusch für Moses, die Vision vor Damas-kus für Paulus, der Cardoner für Ignatius gewesen sind. Ein Anruf aufzubrechen auf einen Weg, der dunkel sein mag, der sich aber vor mir auftun wird, wie es Ignatius widerfuhr als er ihm folgte“.
3. Das Tun
Damit sind wir jetzt wirklich bei Ihrem zukünftigen Dienst angelangt. Aus dieser Identität des Freundes, die immer wieder gespeist wird in der Begegnung mit dem brennenden Dornbusch, so dass Sie selber immer wieder neues Feuer fangen, können sie herausge-hen und Ihren Dienst tun. Das, was heute hier beginnt und was in der Priesterweihe grundgelegt wird, das müssen Sie jeden Tag aktualisieren. Fangen Sie jeden Tag im Gebet, fangen Sie jeden Tag in der Freundschaft mit Jesus an und verrichten dann Ihr Tagewerk, wo immer es Sie auch hinführt. Dann können Sie wirklich ein „guter Verwalter der Gnade, der vielfältigen Gnade Gottes sein“. Dann werden Sie ganz gewiss in der Spur Jesu blei-ben. Sie werden seine Freundschaft und sein Feuer zu den Menschen bringen. Und das werden die Menschen spüren. Dann werden nämlich alle Ihre Aktivitäten von diesem in-neren Geist und von dieser Freundschaft durchdrungen sein. Erst so gewinnt all Ihr Tun Tiefe, Substanz und Transzendenz. Auf diese Weise werden Sie davor gefeit sein, dass sich Ihr Dienst in ein Vielerlei verliert. Sie werden mit dem Grund ihrer Berufung in Berüh-rung bleiben und so ein authentischer Priester sein können – einer, der dem Priester Jesus Christus entspricht. Dann werden um Sie herum viele Freunde und Freundinnen Gottes sein. Vielleicht wird es den einen oder anderen geben, der als Priester oder Diakon diese Freundschaft zu leben versucht oder in einer Ordensgemeinschaft.