Es gilt das gesprochene Wort!
(1. Les.: Apg 2, 1-11; 2. Les.: 1 Kor 12, 3b-7.12-13; Ev. Joh 20, 19-23 )
Ist der Heilige Geist überholt? Gar überflüssig, abgemeldet, veraltet?
Wir kennen unter den sieben Gaben des Heiligen Geistes: Weisheit, Einsicht, Rat und Erkenntnis.
Ihnen gegenüber steht in unseren Tagen etwas ganz Neues: KI, künstliche Intelligenz (englisch: AI, artificial intelligence). Es geht dabei um eine Technologie, die auf Daten und Algorithmen basiert und in der Lage ist, komplexe Aufgaben auszuführen. KI kann Artikel und Reden schreiben, Referate und Vorträge, zum Beispiel für Schule und Universität. Sie kann bei medizinischen Diagnosen und der Gesundheitsfürsorge helfen. Mit bestimmten Apps können Betroffene täglich ihre erfassten Gesundheitsparameter digital erfassen und zur Auswertung an das medizinische Zentrum übermitteln. Dort beobachten qualifizierte Fachkräfte die dokumentierten Werte. Abweichungen im Gesundheitszustand können sofort erkannt und bestmöglich therapiert werden. Im Krankenhaus oder Pflegeheimen bedeutet das eine große Unterstützung. Sicher müssen wir auch davon ausgehen, dass KI Kirche und Seelsorge ergreifen und verändern wird mit neuen Angeboten für neue Adressaten jenseits von besehenden realen Gemeinde- und Kirchenräumen.
Die Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz schreitet mit ungeahnter Geschwindigkeit voran und wird immer mehr Bereiche unseres Lebens verändern. KI birgt ungeahnte Chancen und gleichzeitig auch viele Fragen und Risiken: Was, wenn sie in die falschen Hände kommt und gegen den Menschen eingesetzt wird? Wenn sie etwa im Kriegsfall zur Zielgenauigkeit autonomer Waffen eingesetzt wird? Einige Wissenschaftler stellen die Frage, ob der Mensch nicht überfordert sei mit der rasanten Entwicklung. Sie fragen, ob die KI nicht gar eine politische Gefahr darstellt. Die Menschheit könnte „sogar in die Unmündigkeit zurückfallen und politischer Manipulation und Verführung wehrlos ausgesetzt sein.“
Sieht gegenüber diesen gigantischen, technischen Entwicklungen der Heilige Geist nicht ziemlich alt aus? Lohnt es sich überhaupt, auf ihn zu setzen? Hat er überhaupt noch etwas zu melden und wird der heutige, aufgeklärte Mensch sich seiner erinnern?
Theologen warnen immer wieder davor, den Heiligen Geist zu vergessen. Ich bin überzeugt: es wird umso mehr auf Gottes Geist ankommen.
Liebe Schwestern und Brüder,
Wir glauben nicht an einen „digitalen Gott“, sondern an einen konkreten, persönlichen. Wir verstehen den Menschen auch nicht zuerst digital, sondern ebenso konkret und persönlich.
Gottes größtes Anliegen ist es, Partnerinnen und Partner zu finden, uns, die mit ihm kooperieren. Gottes Programm ist Gemeinschaft, Beziehung. KI kennt keine echten menschlichen Gefühle, KI setzt nicht auf Gemeinschaft.
Das schönste Bild für diese Gemeinschaft im Neuen Testament ist die Urgemeinde in Jerusalem. Ihr Gegenbild findet sich übrigens gleich zu Beginn der heiligen Schrift im Buch Genesis, Kapitel 11 im sogenannten Turm von Babel. Hier geht alles drunter und drüber; man ist verwirrt und zerstreut. In Jerusalem dagegen findet man zueinander, man versteht sich - trotz unterschiedlicher Sprachen. Man ist auf einer Wellenlänge. Und das ist keineswegs nur eine Sache des Intellekts, sondern auch eine des Herzens und der Emotionen.
Der Dreifaltige ist Gott in sich schon Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft weiter auszudehnen auf alle Menschen – dabei spielt sein Heiliger Geist eine entscheidende Rolle: Er hält uns nämlich mit Gott zusammen und will Gemeinschaft unter uns Menschen stiften.
Ein Kenner dieser neuen Technologie, Henning Vöpel, formuliert einmal so: die KI „wird nichts an der ewigen Suche nach Wahrheit und Sinn ändern“. Sie eröffnen uns großartige Möglichkeiten und noch umfangreichere Informationen als bisher. Aber das Entscheidende dabei: wir müssen sie werten, wir müssen etwas draus machen. Deswegen kommt es so entscheidend auf den Heiligen Geist an. Mit seiner Kraft können und sollen wir Christen unterscheiden und uns entscheiden. Wir brauchen seine Weisheit, seine Einsicht, seinen Rat, seine Erkenntnis, um die Vielfalt der Informationen der Techniken, die uns dankenswerterweise heute zur Verfügung stehen, gut zu nutzen, sie werten und einschätzen zu können - um sie im Gottes Sinn und Auftrag anzuwenden. Die Menschen sind eben nicht ein Supercomputer, sondern lebendige Wesen, Gottes gute Geschöpfe und geliebte Kinder; wir Christen habe einen Auftrag: die Welt in Gottes Sinn zu gestalten und zu verändern. Das ist bei Leibe nicht nur ein Auftrag und eine Aufgabe, sondern auch eine Begabung: Gott schenkt uns diesen seinen Heiligen Geist, damit wir eines Geistes mit ihnen sind und diesen Auftrag auch gestalten können. Deswegen bitten wir immer wieder: „Sende aus deinen Geist und das Antlitz der Erde wird neu“.
Aber es braucht genügend Raum für Gott, für seinen Geist. Es ist wie damals beim ersten Pfingstfest, als die Jünger aus Furcht bei verschlossenen Türen zusammen waren. Gottes Geist muss immer wieder durch diese Verschlossenheit hindurch kommen können und uns innerlich aufschließen, damit wir die Welt im Sinne Gottes erschließen können. Gottes Geist will immer wieder unsere Ängste, unsere Isolation, oft unsere selbst Isolation durchbrechen und öffnen. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen dieses Wunder von Pfingsten, die Dynamik des Heiligen Geistes, die uns nach innen und in die Tiefe weist und gleichzeitig mutig nach draußen und in die Weite führt.