Es gilt das gesprochene Wort!
(1. Les.: Jes 61, 1-3a.6a.8b-9; 2. Les.: Offb 1, 5-8; Ev. : Lk 4, 16-21 )
Liebe Schwestern und Brüder!
Liebe Mitbrüder im diakonalen, priesterlichen und bischöflichen Dienst!
Gott bleibt nicht abstrakt, rein geistig; er ist kein weltabgewandter Schöngeist, der sich selbst gefiele. Gott will immer konkret werden, in diese Welt, in unser Leben hineinsprechen und hineinkommen. Das zeigt sich auch in der ganzen Schöpfung, die eine einzige „Manifestation der Liebe Gottes“ ist (Papst Franziskus).
Das ist auch ein Charakteristikum unserer katholischen Liturgie. Sie ist das „Gegenteil von spirituellen Abstraktionen“, so Papst Franziskus in seinem apostolischen Schreiben Desiderium Desideravi vom 29. Juni 2022 ( Nr.42). „Unsere Liturgie besteht aus Tatsachen, aus konkreten Zeichen: Brot, Wein, Wasser, Luft, Feuer, Asche, Stein, Tuch, Farben, Körper, Worte, Töne, Stille, Gesten, Raum, Bewegung, Handlung, Ordnung, Zeit, Licht“ (ebd.) Mit allen diesen Zeichen will Gott uns berühren, leiblich und persönlich.
Eines dieser Zeichen ist das Öl. In dieser heiligen Messe wird es geweiht: das Öl für die Taufbewerber, das Öl für Taufe, Firmung und Weihe, der heilige Chrisam, und das Öl für die Kranken. Im Zeichen des Öles geht Gott nicht auf Distanz, sondern in Kontakt mit uns. Er berührt unser Leben, sehr feinfühlig.
1. Energie
Spätestens seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine spüren wir, wie kostbar Energie ist. Naturschützer und schöpfungsbewussten Menschen, darunter viele Christen, haben immer schon einen Wert darauf gelegt. Wenn wir heute die heiligen Öle weihen, dann wird uns diese Energiequelle vor Augen gestellt. Gleichzeitig mit ihr sehen wir auch die vielen Menschen, die unter Energiemangel leiden. Das dürfen wir im Rahmen der Liturgie durchaus auch im übertragenen Sinn deuten: Wir denken an die vielen, denen die Kraft zum Leben fehlt, die Energie zum Durchhalten, die sich ausgebrannt fühlen. Jedes dieser heiligen Öle wir deutlich machen, dass wir als Christen eine überirdische Kraftquelle haben, eine göttliche, Gott selbst: ER ist unsere Kraft! Die heiligen Öle wollen uns auf sehr leise Art und Weise darauf hinweisen, dass wir ohne diese Kraftquelle nicht Christ sein können, nicht Diakon, nicht Priester und auch nicht Bischof!
2. Glanz
Die Öle verleihen Glanz. In einer Zeit der Krise, der Mattigkeit, wo so vieles glanzlos und vergebens zu sein scheint, da tut es gut, auf die Glanzpunkte zu schauen, auf das, was leuchtet und strahlt. Wenn man in einer Krise ist, besteht die große Versuchung darin, sich in ihr einzurichten. Am Ende sieht man nur noch schwarz. Das wird der Realität nicht gerecht. Das Leben, der Mensch, die Kirche, der Glaube – sie sind doch nicht alle nur schlecht! Ja, das Leben ist herausfordernd und die Liste der Schattenseiten ist nicht gerade kurz, aber das Leben ist schön und (das ist beileibe nicht nur ein Filmtitel). Es ist zu allererst schön. Franz Kafka vertritt die Überzeugung: Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird niemals alt werden. Für viele Theologen ist Schönheit eine unverzichtbare Kategorie. Gerade in der Feier des Paschamysteriums in dieser Woche offenbart sich uns die wahre Schönheit der Liebe Gottes.
Der Mensch, wir, ich bekommen vieles nicht geregelt, versagen, scheitern, sündigen. Aber selbstverständlich gibt es auch Großtaten von Menschen, gelingende Beziehungen, Gemeinschaft, Versöhnung… Gleiches gilt für die Kirche: Man kann Kirchengeschichte als Skandalgeschichte schreiben; man kann als ein einziges Schwarzbuch lesen. Aber es gibt auch die Heiligen; es gibt das Helle, das Strahlende, das Weißbuch. Es gibt das, was wächst und gedeiht, sei es noch so klein und oft ganz anders, als wir es aus der Vergangenheit gewohnt sind. Oft geschieht es genau da, wo wir es nicht erwarten oder suchen. Dieses schöne gibt es auch im Erzbistum Hamburg. Im Sinne der revision de vie könnte es geradezu eine tägliche geistliche Übung sein, am Abend bei der Komplet dem Herrn für wenigstens drei schöne Erfahrungen eines Tages Dank zu sagen.
3. Leben
Jedes dieser Öle ist flüssig. Es ist nicht abgestanden, nicht eingetrocknet, erst recht nicht ranzig geworden. Das Öl fließt. Es ist ein Zeichen des lebendigen Glaubens. Manchmal sagen Priester, wenn die Priesterweihe noch nicht allzu lange hinter ihnen liegt, dann sei das Chrisam, das bei der Weihe aufgetragen wurde, immer noch flüssig. Eigentlich sollte man das nicht nur spaßeshalber sagen, sondern den tieferen Sinn dahinter sehen. Es gilt unsere Berufung im Fluss zu halten, sie soll lebendig bleiben, und eben nicht abgestanden, vertrocknet, porös sein. Und das gilt selbstverständlich nicht nur für Geweihte, sondern für jeden Christen. Wir alle sind in Taufe und Firmung mit diesem Chrisam gesalbt worden. Unsere Berufung liegt niemals hinter uns als ein Ereignis vergangener Tage. Berufung ist und bleibt immer aktuell, sie ist nie überholt. Wir leben Tag für Tag aus Gottes Ruf und versuchen stets neu darauf Antwort zu geben. Wo wir auf diesen Ruf hören und ihm antworten, da bleibt unsere Berufung lebendig und im Fluss wie dieses Öl!
Liebe Schwestern und Brüder,
diese Öle wollen uns Gottes Energie schenken, unser Leben und Glauben zum Glänzen bringen und und unsere Berufung im Fluss halten. Wir weihen sie heute. Sie gehen mit uns durch das Jahr bis zur nächsten Karwoche 2024. Sie sind unsere Begleiter und zeigen uns, dass wir an keinen abstrakten Gott glauben, sondern einen, der konkret den Menschen umsorgt.
Liebe Mitbrüder, immer, wenn wir die Öle benutzen, wenden wir sie nicht nur an anderen an, sondern sie bleiben auch an unserem eigenen Daumen. Vermitteln Sie diese Zeichen bitte nicht nur den Gläubigen, sondern nehmen Sie es ebenso als Zeichen für sich selbst. Mit diesem Zeichen will Gott konkret auch in mein Leben als Diakon, Priester und Bischof hineinsprechen und hineinwirken. Amen.