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Predigt

Predigt zum Pontifikalrequiem für Papst em. Benedikt XVI.

04. Januar 2023
St. Marien-Dom / Hamburg

Es gilt das gesprochene Wort!

(Schrifttexte: 2 Kor 5, 1.6-10; Joh 12, 23-26)

Liebe Schwestern und Brüder,

bei Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI wird etwas deutlich, das für jedes Leben gilt: Wir betrachten nur einzelne Facetten, bestimmte Seiten einer Persönlichkeit. Keiner hat die vollkommene Perspektive; keiner hat einen anderen ganz im Blick und sieht ihn so umfassend, wie er ist. Das kann nur einer, nämlich Gott selbst. Wenn Benedikt manches Mal davon gesprochen hat, dass er bald vor den Richter-stuhl Gottes treten werde, dann ganz gewiss nicht, um ab- oder verurteilt zu werden, sondern in der Perspektive: Hier werde ich gesehen, wie ich bin, wie ich ganz bin; freilich auch wie ich nach Gottes Plan hätte sein sollen, welche Möglichkeiten in mir steckten, von welchen ich Gebrauch gemacht habe, von welchen nicht. Für mich hat es etwas Tröstliches, dies der persönlichen Begegnung zwischen dem Einzelnen und Gott selbst zu überlassen. Deswegen kann ich mich damit begnügen, jetzt einige Linien in das Porträt von Joseph Ratzinger einzuzeichnen, die mir wichtig sind.

Da ist zuallererst der Mensch Joseph Ratzinger, der nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass er Bayer ist: „Mein Herz schlägt bayerisch“. Dort ist er aufgewachsen mit Vater und Mutter und seinen Ge-schwistern Maria und Georg, mit denen er Zeit seines Lebens auf das Herzlichste verbunden war. Wir haben gerade vor einigen Jahren noch einmal erleben können, dass es ihm ein Herzensanliegen war, sich in Regensburg von seinem Bruder verabschieden zu können. Solange es ging, hielt er die Verbin-dung – und das gilt nicht nur für die Familie, sondern auch für andere Freunde und Wegbegleiter. Vielleicht deutet sich hier schon etwas an, was er in den Satz brachte: „Wer glaubt, ist nie allein“. Für Ratzinger begann das in der Familie und weitete sich aus in die Kirche, die für ihn die große Gemein-schaft Gottes mit den Menschen ist. Und dabei wusste er immer diesen Gott an seiner Seite. Joseph Ratzinger war ein Mensch des Gebetes, der auch in den großen Stunden der Einsamkeit um die Nähe Gottes wusste und ihm alles anvertrauen und übergeben konnte. Gerade als Papst dürfte er um diese Herausforderung gewusst haben und sie immer wieder ins Gespräch mit Gott genommen haben: Wer glaubt und diesen Glauben lebt, ist nie allein, nie getrennt von Gott. Bei seiner letzten Mittwochsaudi-enz am 27. Februar 2013 sagte er: „Acht Jahre nach meiner Wahl kann ich sagen, dass der Herr mich wirklich geführt hat, er ist mir nahe gewesen, täglich habe ich seine Gegenwart wahrnehmen können. Es war eine Wegstrecke der Kirche, die Momente der Freude und des Lichtes kannte, aber auch Mo-mente, die nicht leicht waren; ich habe mich gefühlt wie Petrus mit den Aposteln im Boot auf dem See Genezareth: der Herr hat uns viele Sonnentage mit leichter Brise geschenkt, Tage, an denen der Fisch-fang reichlich war, und es gab Momente, in denen das Wasser aufgewühlt war und wir Gegenwind hatten, wie in der ganzen Geschichte der Kirche, und der Herr zu schlafen schien. Aber ich habe immer gewusst, dass in diesem Boot der Herr ist, und ich habe immer gewusst, dass das Boot der Kirche nicht mir, nicht uns gehört, sondern ihm. Und der Herr lässt sie nicht untergehen; er ist es, der sie lenkt, sicherlich auch durch die Menschen, die er erwählt hat, denn so hat er es gewollt. Das war und ist eine Gewissheit, die durch nichts verdunkelt werden kann. Und das ist der Grund, warum mein Herz heute voll Dankbarkeit gegenüber Gott ist, weil er es der ganzen Kirche und auch mir nie an seinem Trost, seinem Licht, seiner Liebe hat fehlen lassen“.

Joseph Ratzinger konnte und wollte seinen Glauben mit einem großen theologischen Denken zusam-menbringen: Glaube und Theologie, Glaube und Vernunft - das waren für ihn keine Gegensätze, son-dern eine untrennbare Einheit. Vielleicht war es auch genau das, was mich bei seinen vielen Büchern immer wieder angesprochen hat: Gedanken, die ich ins Leben und in meinen Glauben übersetzen und weiterführen konnte. Deswegen gibt es in meinem Bücherregal viele seiner Werke. Ich bin dankbar, dass er auch als Präfekt der Glaubenskongregation und sogar noch als Papst theologisch weitergear-beitet hat, etwa in seinen drei Jesusbüchern, aber auch in einem Bestseller, den ich als junger Student verschlungen habe: „Einführung in das Christentum“. Von dieser Spannung zwischen Glaube und Leben hat Joseph Ratzinger auch im Februar 1998 hier in Hamburg bei einem großen Vortrag gespro-chen und viele Menschen berührt. Er konnte nicht nur reden wie gedruckt, er wusste um die wesentli-chen Fragen des Menschen und konnte sie mit dem Glauben harmonisch zusammenbringen. Deswe-gen erreichen seine Texte eine Tiefe, die viele berührt und weiterhilft. Ich gehe davon aus, dass ich immer wieder einmal in dieses oder jenes Buch von Ratzinger hereinschaue und erst im Laufe der Jahre entdecken werde, wie groß der Schatz ist, den er uns hinterlassen hat.

Am Silvestertag in der vergangenen Woche starb Benedikt in Rom; am 16. April 1927 wurde er in Marktl am Inn geboren. Damals war das ein Karsamstag. Er war stolz darauf, bereits wenige Stunden nach seiner Geburt getauft worden zu sein mit dem neuen Osterwasser. Bezeichnenderweise hat Josef Ratzinger in seiner Theologie oft vom Karsamstag gesprochen und ihn zusammen mit Hans Urs von Balthasar theologisch durchdacht. An diesem Tag passiert äußerlich nichts. Er ist der Tag dazwischen; der Tag zwischen dem bereits erfolgten Tod, aber noch nicht der Tag der Auferstehung, geradezu das Bindeglied zwischen dem Tod am Karfreitag und der Auferstehung am Ostersonntag. Am Karsamstag tritt Jesus in die Realität des Todes voll und ganz ein. Im Glaubensbekenntnis sagen wir: „hinabgestie-gen in das Reich des Todes“. Weil Jesus Christus den Tod bis ins Letzte durchlitten und erfahren hat, konnte er ihn von innen her verwandeln in das österliche Leben. Aus dieser Hoffnung hat Joseph Ratzinger gelebt und konnte er jetzt sterben. Er hat die Schwelle der Ewigkeit überschritten und darf Gott schauen von Angesicht zu Angesicht. Der Mensch, der Theologe, der Bischof und Papst darf nun dem Gott gegenüberstehen, über den er so viel nachgedacht, gepredigt und geschrieben hat. Er wird ganz gewiss staunen, er wird sich freuen, dass sich erfüllt, worauf er gehofft hat.

Ratzinger hat in der Nachfolge Jesu sein Leben als Weizenkorn verstanden, das in die Erde fällt und stirbt. In einer Meditation zum Karsamstag betete er vor Jahren: „Herr, wie zaudern wir, wie wehren wir uns, wenn du uns als Weizenkorn nehmen willst, wenn du uns herausnehmen willst aus der klein-lichen Hut der Selbstbewahrung, in die wir uns großsprecherisch verkrochen haben. Ach, du weißt, wie schwach wir sind, wie wenig Dunkel wir zu tragen vermögen, wie ängstlich wir festhalten an uns selbst. Mach du uns frei; führe uns hinüber über die Schwelle unserer Furcht und was wir nicht vermö-gen, schenke du uns aus dem nie versiegenden Reichtum deines geöffneten Herzens… Gibt uns die demütige Einfalt des Glaubens, der sich nicht beirren lässt, wenn du uns in die Stunden des Dunkels, der Verlassenheit rufst, wo alles fraglich zu werden scheint; gib uns in dieser Zeit, da deine Sache wie im Todeskampfe liegt, Licht genug, um dich nicht zu verlieren; Licht genug, damit wir anderen Licht werden können, die dessen noch mehr bedürfen. Lass das Geheimnis deiner österlichen Freude wie eine Morgenröte hineinleuchten in unsere Tage. Lass uns wahrhaft österliche Menschen sein inmitten des Karsamstags der Geschichte. Lass uns durch die hellen und dunklen Tage dieser Zeit hindurch frohgemut unterwegs sein, hin zu deiner kommenden Herrlichkeit“.
Morgen und wird dieses Weizenkorn in die Erde gelegt, damit es aufgeht und Frucht bringt und bei der ewigen Ernte in Gottes Scheune eingeholt wird. Amen.

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