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Predigt

Predigt von Erzbischof Stefan Heße am Gedenktag des Seligen Niels Stensen

25. November 2022
Propsteikirche St. Anna / Schwerin

Es gilt das gesprochene Wort!

Niels Stensen war gerade zwei Jahre Priester, als der Herzog von Hannover auf den frommen und hochgebildeten Geistlichen aufmerksam wurde, der seinerzeit in Florenz wirkte. Johann Friedrich von Hannover forderte Stensen als Apostolischer Vikar für die versprengten Reste katholischer Gemeinden in Norddeutschland und Skandinavien (Apostolisches Vikariat des Nordens) an.

Niels Stens ging im September 1677 nach Rom, um sich auf das Bischofsamt vorzubereiten und empfing dort am 19. September durch (den heiligen) Kardinal Gregorio Barbarigo die Bischofsweihe zum Titularbischof von Titiopolis in der Kirche Chiesa dei Re magi, einer Kapelle im Palazzo di Propaganda Fide.

In der vergangenen Woche waren die deutschen Bischöfe gemeinsam in Rom, nicht um sich auf die Weihe vorzubereiten, sondern um sie zu vertiefen, um neue Impulse zu erhalten und um gerade in dieser Zeit gut als Bischöfe zu wirken. Es war der vom Kirchenrecht alle fünf Jahre vorgesehene sogenannte Ad-limina-Besuch, also ein Besuch der Schwellen (limen sg. - limina pl.) Bezeugt sind diese Besuche seit dem vierten Jahrhundert. Es sind mehrere Schwellen-Situationen, an denen wir standen.

1. Ad limina Apostolorum
Zuallererst geht es um die Schwellen zu den Gräbern der Apostel. Geistlich ist der Ad-limina-Besuch eine Wallfahrt, eine Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, aber auch zu den großen Heiligtümern in Rom. Schon oft bin ich da gewesen und habe mit verschiedenen Gruppen an verschiedenen Orten Gottesdienst gefeiert. Bei diesem Besuch haben wir Bischöfe alle zusammen mit Gläubigen aus Deutschland die heilige Messe gefeiert: im Petersdom, in Sankt Paul vor den Mauern, in Santa Maria Maggiore und im Lateran. Das war ein tiefes geistliches Erlebnis.
Alle diese Orte verbinden uns auch mit der großartigen Theologie unserer Kirche aus den verschiedensten Jahrhunderten: eines Petrus, auf dessen Glaube die Kirche aufbaut; eines Paulus, der sich aus der tiefen Verwurzelung in Jesus Christus in eine weltweite Mission hinauswagt; Maria Maggiore ist die älteste Marienkirche des Westens und Roms. Sie steht damit für Jesus den Christus und für Maria als Gottesmutter.

Hier wird deutlich, diese Pilgerfahrt zu den Apostelgräbern, ad-imina apostolorum, führt auf den Weg zu Gott. Wie jede Wallfahrt führt sie an die Schwelle Gottes: ad limina Dei!

2. Ad limina Petri
Der Besuch hat selbstverständlich auch in die Begegnung mit Papst Franziskus geführt, dem heutigen Petrus. Einen ganzen Vormittag hat er sich für uns Zeit genommen, geduldig auf uns gehört und unsere Fragen beantwortet. Er wollte uns Mut machen gegen alle Verzagtheit: coraggio - courage! Aber es braucht auch Geduld. Der Papst wandte sich gegen alle vorschnellen Lösungen; Druck ist für ihn kein Kennzeichen des Heiligen Geistes; unter Druck wolle und könne er nicht entscheiden. Deswegen ist es nicht ungewöhnlich, dass in unserer Kirche Spannungen bestehen. Sie hält er für produktiv. Der Selige Niels Stensen könnte uns aus seiner Zeit von vielen solchen Spannungen berichten, die nicht weniger ernsthaft, ja besorgniserregend waren. Die Kirche war – ähnlich, wie heute von Skandalen geprägt, die den Lebenswandel des Klerus betrafen. Viele der Fürstbischöfe und Priester führten damals einen ausschweifenden Lebenswandel, der zum Ärgernis vieler Gläubiger wurde. Niels Stensen fiel es schwer, sich der Konflikte mit Geduld anzunehmen. Er galt als Reformbischof, der sehr prägnante Positionen vertrat. Das bescherte ihm mache Nachteile - wie etwa seine Weigerung eine erkaufte Bischofsweihe in Münster mitzutragen, was dazu führte, dass er seine Position als Weihbischof verließ. Seine nächsten und letzten Stationen waren Hamburg und Schwerin. Auch hier fand er keine konfliktfreie Kirche vor. Vergeblich versuchte Stensen, die zahlreichen Konflikte zwischen den Konfessionen zu schlichten und erntete dabei Kritik von Protestanten, aber auch aus den eigenen Reihen. Eine zermürbende Erfahrung, die ihm an die Substanz geht. Die Biographen Stensens berichten von pessimistischen und deprimierten Gemütszuständen. Ad-limina kann also auch bedeuten: Bis an die Schwellen/Grenzen von Mut und Geduld zu stoßen und dennoch nicht aufzugeben.

3. Ad limina mundi
Wer nach Rom kommt, der taucht in die Weltkirche ein, der begegnet Gläubigen aus allen Ländern. Gottesdienste in der heiligen Stadt haben immer etwas Internationales, sind katholisch im umfassenden Sinn. Oft merkt man das an den verschiedenen Sprachen, in denen gebetet und gesungen wird. Vor uns waren die niederländischen, nach uns die belgischen Bischöfe zu ihrem Ad-limina-Besuch in Rom.
Auf der Tagesordnung der Gespräche mit dem für die Weltsynode zuständigen Kardinal Mario Grech stand das entsprechende Synodenpapier, das ein Redaktionskreis aus den weltweiten Eingaben zusammengestellt hat. In diesem Papier, das mittlerweile auf Deutsch vorliegt, sind die Themen gesammelt, die unsere Schwestern und Brüder in der ganzen Welt bewegen. Es sind auch die Themen des Synodalen Weges dabei. Offenbar sind es also keine deutschen „Sonderthemen“, sondern Fragestellungen, die in der weltweiten Kirche ebenso zur Debatte stehen wie in Deutschland. Wir alle sind weltweit Kinder dieser Zeit und so ist es nur folgerichtig zu sehen, dass wir gemeinsame Themen haben – bei aller Ungleichzeitigkeit, die in bestimmten Bereichen vorherrscht. Dass die Welt stetig im Wandel ist und damit auch neue Fragen für Theologie und Kirche aufbrechen, ist wiederum nicht neu. Zu Zeiten von Bischof Stensen waren es die zahlreichen „neuen“ Entdeckungen. Es war eine Umbruchszeit, ähnlich wie wir es jetzt mit dem digitalen Zeitalter erleben. Viele neue Entdeckungen korrigierten und erweiterten das Weltbild, das bis dato vorherrschte. Stensen war als Wissenschaftler vorne mit dabei: ob in der Anatomie oder Geologie – er lieferte wichtige Erkenntnisse der damaligen Zeit. Glaube und Wissenschaft dafür steht auch Niels Stensen, widersprechen sich nicht. Auch wir befinden uns in einer solchen Phase, wo manches neu gedacht werden muss und die Kirche dies dann für ihr Handeln und Lehren berücksichtigen wird.

4. Ad limina hominorum
Damit bringt uns der Ad-limina-Besuch an die Schwelle der Menschen weltweit, an ihre Schicksale, ihre Nöte: In der Nachfolge Jesu muss uns das Wohlergehen aller Menschen – nicht nur der Katholiken – am Herzen liegen. Und unsere Welt ist gerade in den letzten zwei bis drei Jahren zu einer Welt geworden, die manch‘ einen an seine persönlichen Grenzen geführt hat: kleinere Unternehmen, die nach Corona immer noch um ihre Existenz kämpfen oder damit gescheitert sind, eine Welt, deren Klimaveränderungen nicht nur für Hunger und Mangelernährung sorgen, sondern auch Zukunftsängste bei der jungen Generation bewirken, dann die Angst um den Frieden auch hier bei uns in Europa, der leider kein Selbstläufer war, wie es bis vor einiger Zeit noch schien. Wie mit diesen Grenzsituationen umgehen? Unser Seliger, der selbst in Folge einer Pestepidemie Zeuge von Tod und Leid wird und als junger Soldat im Dreißigjährigen Krieg seine Heimatstadt Kopenhagen verteidigt, kann uns Mut machen. Diese prägnanten Erfahrungen von Leid und Grenzsituationen haben ihn dazu gedrängt, sich innerlich zu verankern. So hat er mit seinem Verstand die Schöpfung und ihre Geheimnisse ergründet und dazu beizutragen, die Welt ein Stück besser zu machen. Seine anatomischen Entdeckungen waren vor allem dadurch motiviert, den Menschen Krankheiten zu ersparen und eine besser Gesundheitsvorsorge voranzutreiben.
Geistlich sorgte er sich nicht weniger, um die ihm anvertrauten Menschen. Er war vielen seelsorglich verbunden und hörte auf die Nöte und Sorgen der ihm anvertrauten. Zahlreiche Briefe bezeugen bis heute, wie sehr Niels Stensen ein Ohr und ein Herz für die Bedrängten hatte. Die Kraft und Orientierung dazu kamen dabei aus seinem Inneren und galten Gott, was er in seinem persönlichen Siegel, dem Herz (übrigens auch im Wappen unseres Bistums) ausdrückte. Seine feste Gottesbeziehung fasst er in die folgenden Worte „So wie eine Kompassnadel, die ständig in eine andere Richtung zeigt als nach Norden, fehlerhaft ist, so kann es keine Beständigkeit geben, wenn das Herz nicht in Gott ruht.“

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