(Schrifttexte: Apg 1,12-14, Lk 1,26-38)
Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Schwestern und Brüder,
der heutige Festtag erinnert an Maria als die Königin des Rosenkranzes, und damit natürlich an das Beten des Rosenkranzes, wie an das Beten überhaupt. Welche Bedeutung hat das Beten?
Schauen wir zuerst auf das Leben Jesu. Bei Jesus scheint alles an das Gebet rückgebunden zu sein. Er beruft seine ersten Jünger, nachdem er gebetet hat. Das große Messiasbekenntnis des heiligen Petrus (vgl. Lk 9) geschieht auf dem Boden des Betens Jesu. Die Verklärung auf dem Berg ist eingebettet in Jesu Gebet. Als die Jünger ihren Meister beten sahen, bitten Sie ihn selbst für sich um die Gabe des Gebetes. Am Ende stirbt Jesus betend (Lk 22). Bei Jesus ist das Beten nicht eine von vielen Tätigkeiten, sondern seine Grundhaltung.
Augenscheinlich überträgt sich dies auf die junge Kirche. Eben in der Lesung haben wir von Maria und den Aposteln gehört, die im Gebet verharrten. Lukas vermittelt uns fast den Eindruck, dass die Frauen und die Jünger Jesu an jedem Ort und zu jeder Zeit gebetet haben. Das Beten ist ein Kontinuum der Kirche. Gebet ist Urvollzug unserer Kirche. Die Kirche findet zu ihrer Identität im Beten. Nirgends ist sie so sehr in ihrem Element, wie wenn sie betet.
Dieses Gebet der jungen Kirche geschieht in Gemeinschaft. Hier kommen alle zusammen, die Gruppierungen und Einzelinteressen werden überwunden, geradezu aufgelöst. Das Gebet ist der Weg zur Einheit der Kirche. Wenn wir nicht mehr miteinander beten können oder nicht mehr miteinander beten wollen, dann ist nicht nur die Einheit gefährdet, sondern dann fehlt der Kirche ihr eigentlicher Daseinsgrund.
Das Beten führt die junge Kirche zusammen; das kontinuierliche Beten hält sie zusammen; und es gibt der jungen Kirche die Kraft, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ein paar Verse nach der heutigen Lesung geht es um die Wahl des Matthias zum Apostel (Apg 1, 15-26). Es werden zwei Kandidaten aufgestellt und bevor die Wahl getroffen wird, betet man miteinander. Das Gebet öffnet die Augen für die richtigen Entscheidungen und für die Sorgen und Anliegen der Menschen.
Liebe Schwestern und Brüder,
im Leben Jesu und am Anfang der Kirche hat das Gebet eine herausragende Stelle. Manchmal habe ich bei mir selbst den Eindruck, ich schiebe es soeben dazwischen in die Lücken, die sich ergeben. Es braucht Raum für das Gebet, es braucht nicht nur lokale Gebetsräume, Kirchen oder Herrgottswinkel, wo wir beten können, sondern es braucht auch Zeitzonen, die freigehalten werden für das Beten. Der Rosenkranz ist nicht einfach nur die alte Leier, die permanent wiederholt wird, sondern eine Meditation, die in die Tiefe führt. Man muss ihn tausendfach einüben, um in diese Form hineinzufinden. Die Wiederholung ermöglicht einen neuen Anfang. Neben vielen anderen Formen ist der Rosenkranz eine Möglichkeit, im Gebet wieder an den Daseinsgrund Jesu und der jungen Kirche anzuknüpfen. In jedem Gesätz wird an die Ereignisse im Leben Jesu angeknüpft oder, wie es Romano Guardini sagt, ein Verweilen in der Lebenssphäre Mariens, deren Inhalt Christus selbst ist.