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Predigt

Mitspieler werden an der Krippe - Weihnachtspredigt 2023

24. Dezember 2023
St. Marien-Dom Hamburg

"An diesem Weihnachtsfest hat jeder von uns die Chance, sein Verhältnis zum Weihnachtsgeschehen zu Jesus Christus neu zu justieren: Man kann weiter wegbleiben, man kann näher dran gehen, man kann zuschauen, man kann aber auch einsteigen, mitmachen."

Erzbischof Dr. Stefan Heße

 

Es gilt das gesprochene Wort!

Liebe Schwestern und Brüder,

haben Sie schon einmal in einem Krippenspiel mitgespielt? Vor genau 800 Jahren, am Weihnachtstag 1223, kam der heilige Franz von Assisi auf eine grandiose Idee, die ganz einfach ist: in der Weihnachtsmesse sollten die Gläubigen das Weihnachtsevangelium nicht bloß hören, es sollte nicht bloß verlesen werden. Nein, Franziskus wollte alle das Weihnachtsevangelium erleben lassen, eine Art Live-Performance. In dem kleinen Bergklösterchen Greccio bei Rieti fand das erste Krippenspiel statt: mit Ochs und Esel, in einer Grotte, bei Stroh und Kälte. Seitdem gilt Franz von Assisi als der Erfinder der Weihnachtskrippe und des Krippenspiels.

Warum finde ich diese Idee so grandios? Ganz einfach: die Botschaft von Weihnachten ist nicht bloß für unsere Gedanken und unseren Kopf gedacht. Wir sollen sie spüren, erleben, begreifen. Denn das ist doch der Kern von Weihnachten: der unbegreifliche Gott wird begreifbar, und zwar mit Hand und Fuß. Er nimmt einen menschlichen Leib an, wird Mensch mit allem, was dazugehört und schafft so eine Verbindung der ganz neuen Art zu uns Menschen. Er kommt uns auf Augenhöhe entgegen und genau deswegen können wir ihn begreifen, berühren, betasten und uns annähern.

Warum finde ich diese Idee so grandios? Ganz einfach: die Botschaft von Weihnachten ist keine idyllische. Die Krippe von Bethlehem ist nicht zu verwechseln mit einem Miniaturwunderland, einer Modelleisenbahnlandschaft. Sie ist eben kein Theater, kein bloßes Spiel. Die Botschaft von Weihnachten ist auch nicht ein frommes Märchen. Sie ist Fakt: „verbum caro factum est“ - „das Wort ist Fleisch geworden“. Es geht hier um Wirklichkeit, um Realität. Es geht sogar um eine sehr harte und raue Wirklichkeit, vor der Gott sich nicht scheut. Die Weihnachtserzählung ist alles andere als eine Wohlfühlgeschichte. Wenn man genauer hinschaut, begegnet uns darin eine Vielzahl von Widrigkeiten, die Menschen erleben können. Da ist die Ablehnung, die das reisende Paar erfuhr: eine Hochschwangere, die letztlich unter menschenunwürdigen Bedingungen Ihr Kind gebären muss. Dann die Brutalität des tyrannischen Herrschers Herodes, der rund um Betlehem eine ganze Generation männlicher Kinder töten lässt. Und zu guter Letzt die Flucht der Familie in ein fremdes Land, um dem Wüten des Despoten zu entgehen. Das Evangelium Gottes führt uns also nicht heraus aus der Realität in eine ideale Welt, in eine Wohlfühloase. Gottes Botschaft an uns will im echten Leben ankommen.

Warum finde ich diese Idee so grandios? Ganz einfach: bei der Krippe, die wir in unseren Kirchen und Wohnungen aufbauen, können wir immer noch im Gegenüber verharren: wir stehen davor, wir schauen herüber. Beim Krippenspiel sollen wir jedoch nicht bloß Zuschauer bleiben, sondern Beteiligte werden. Die Krippe lädt förmlich dazu ein, sich mit der Frage zu konfrontieren: In welche der Figuren versetze ich mich hinein? Wo ist mein Platz in der Krippenlandschaft? Ausdrücklich sind wir eingeladen, unsere Vorstellungskraft einzusetzen und dem Geschehen von einst neue Lebendigkeit zu verleihen. Eine geistliche Übung, die auch vom Heiligen Ignatius von Loyola bekannt ist. Wer schon einmal ignatianische geistliche Übungen gemacht hat, weiß, dass diese ein Weg sind, das Evangelium zu verlebendigen und einen persönlichen Bezug herzustellen.  Die Krippe des Franziskus bei Greccio war eine lebendige Krippe. Viele Krippenbauer wollen das heute zum Ausdruck bringen, indem sie Menschen an die Krippe stellen, die aus der Gegenwart stammen. Da sieht man zwei Personen des öffentlichen Lebens, Charakterköpfe eines Dorfes oder andere aktuelle Hinweise. Das Weihnachtsgeschehen spielt bisweilen an einer Tankstelle, auf dem Boot von Flüchtlingen, oder am Bahnhof… Diese „Aktualisierungen“ der Krippenlandschaften wollen uns begreiflich machen, dass die Botschaft von Weihnachten zeitlos und gleichzeitig aktuell ist. Sie realisiert sich immer wieder neu in den Schicksalswegen der Menschheit. 

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

eine grandiose Idee, an der mich fasziniert, dass sie sich gehalten hat. Immer noch werden Krippen gebaut, Krippenspiele aufgeführt. An diesem Weihnachtsfest hat jeder von uns die Chance, sein Verhältnis zum Weihnachtsgeschehen zu Jesus Christus neu zu justieren: Man kann weiter wegbleiben, man kann näher dran gehen, man kann zuschauen, man kann aber auch einsteigen, mitmachen. Für Franz von Assisi war Weihnachten kein Spiel. Das, was er von Weihnachten begriffen und verstanden hat, hat er das ganze Jahr über gelebt, ein Leben lang: in seiner Hinwendung zu den Armen, in seiner Liebe zur Schöpfung, in seinem frohen Beten und Singen. Genau das wünsche ich Ihnen heute: Mitspieler und Mitspielerin im Krippenspiel 2023/24 zu werden. Welche Rolle ist jetzt Ihre? Keine Angst, sie brauchen keine großen Texte auswendig zu lernen. Das Drehbuch für dieses Krippenspiel ist das Evangelium Jesu; die Kulisse ist unser Alltag, wie er ist. Die anderen Mitspieler sind unsere Zeitgenossen, Freunde, Familien, Kollegen…Das Spiel ereignet sich in unserer Wirklichkeit. Und dann ist Weihnachten alles andere als ein Spiel. Alles andere als ein Kinderspiel! Unser ganzes Leben wird zu einem Spiel, einem Schauspiel von Gottes Menschenfreundlichkeit. Nehmen wir es spielerisch, dieses Krippenspiel unseres Lebens.

Frohe und gesegnete Weihnachten!

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