"Möge das Feuer der Netter Schwestern weiter brennen in jedem, der Gottes Geist in sich wirken lässt. Hoffentlich nicht nur als kurzes Aufflammen, sondern in tiefer Treue und großer Kontinuität."
Erzbischof Dr. Stefan Heße
Es gilt das gesprochene Wort
(1. Les.: Jes 61, 1-2a.10-11 ; 2. Les.: 1 Thess 5, 16-24 ; Ev. : Joh 1, 6-8.19-28 )
Der heutige dritte Adventsonntag beschert uns im Propheten Jesaja einen wunderbaren Text, den Jesus nicht nur wie viele andere Texte selbstverständlich gekannt hat, sondern den er in der Synagoge von Nazareth sogar selbst vorliest und auch auslegt. Es ist seine Antrittspredigt, eine kurze und zugleich sehr klare und pointierte Predigt. Er nimmt dieses Wort aus dem 61. Kapitel des Propheten Jesaja und bezieht es auf sich. Jesaja sagt: „Der Geist Gottes ruht auf mir“. Und Jesus fügt hinzu: „Heute hat sich dieses Schriftwort, das ihr eben gehört hat, erfüllt“ (Lk 4,21).
Jesus inspiriert mich, es ihm gleich zu tun, nämlich das Wort vom Geist Gottes auf uns anzuwenden. Als getaufte und gefirmte Christen können wir mit Fug und Recht von uns sagen: der Geist Gottes ruht auf mir. Nicht von ungefähr wird dieser Text immer wieder bei der Tauf- und Firmspendung gelesen.
Die klassischen Orden sehen das Mönch- oder Nonnewerden als Vollendung der Taufe an. In diesem Sinne kann man sicher auch sagen: das dürfen auch die Netter Schwestern auf sich anwenden. Offiziell sind es die Missionsschwestern vom heiligen Namen Mariens, die Bischof Wilhelm Berning am 25. März 1920 gegründet hat. Nach ihm wurden die mit Schwestern des Ordens liebevoll „Wilhelminschen“ genannt. Sicher ist es auch nicht abwegig, die Gründung durch den Bischof schon als Werk des Heiligen Geistes aufzufassen. Einen Orden zu gründen, das ist weit mehr als eine Strukturmaßnahme oder so etwas wie eine Vereinsgründung, die bestimmten Rechten und Pflichten unterliegt. Jeder Ordensgründung beruht auf einem gewissen Charisma, auf einer Geistesgabe. Gott sei Dank haben im Laufe der über 100 Jahren, in denen dieser Orden existiert, viele Frauen dieses Charisma erkannt und mit Leben gefüllt.
Die erste Niederlassung in Mecklenburg wurde am 2. Januar 1922 in Graal-Müritz gegründet. Der Orden hat sich in der Zeit der DDR in Mecklenburg mit eigenem Nachwuchs weiterentwickelt. Hier in Schwerin wurde ein eigenes Noviziat begründet. Am 4. Mai 1952 treten die ersten vier Postulantinnen hier ein. Ein Jahr später, am 25. März 1953 findet die erste Einkleidung statt, die erste in Mecklenburg seit der Reformation. Zur Errichtung des Erzbistums Hamburg im Jahre 1995 gibt es 17 Niederlassungen in allen drei Regionen der Erzdiözese.
Am heutigen Tag verabschieden sich die Mitschwestern aus der letzten noch bestehenden Niederlassung in unserem Bistum. Das kann man bedauern und beklagen, vielleicht sogar beweinen. Aber jenseits aller Trauer ist es zuallererst ein Anlass zum Danken. Am heutigen dritten Advent, dem sogenannten Sonntag GAUDETE, also dem Sonntag der Freude wollen wir eine tiefe Dankbarkeit und Freude für ein segensreiches Wirken an vielen Orten und in vielen Bereichen durch viele einzelne Ordensschwestern dankbar feiern.
Danke für jede einzelne Berufung.
Danke für jede einzelne Schwester, die wie Maria ihre Berufung erkannt und angenommen hat.
Danke für Ihr Dasein in der Diaspora, in der Mission. Da sein, präsent sein, dableiben und sich nicht verstecken – das ist hier Mission.
Danke für Ihr Gebet im Stillen, im Kloster, in den Gemeinden. Danke, dass Sie immer wieder Anliegen aus dem ganzen Erzbistum ins Gebet genommen und dem Herrn anvertraut haben.
Danke für Ihre vielfältigen Dienste: in der Caritas, bei den Kranken, in der Seelsorge und Katechese, in den Kirchen und Sakristeien, bei den Jungen und bei den Alten, im Haushalt (meines Vorgängers), in Bildungshäusern, in Mecklenburg, Schleswig-Holstein und Hamburg…
Weil wir als ganzes Bistum so dankbar sind, können und dürfen wir uns heute freuen: GAUDETE IN DOMINO SEMPER! Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Echte Freude kommt immer aus der Tiefe, nie aus der Oberfläche; letztlich aus der Tiefe Gottes, dem wir alles verdanken.
Liebe Schwestern und Brüder,
der Prophet Jesaja ruft uns in Erinnerung: Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir! Paulus lebt aus dem gleichen Geist, wenn er sagt: Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles… Und: löscht den Geist nicht aus! (vgl. 1Thess 5). In der Tat, wir wollen den Geist nicht auszulöschen, der sich durch die Schwestern hier ausgebreitet hat. Wir wollen aber auch den Geist nicht auslöschen, der heute mit Kraft und Feuer am Werk ist. Beim Heiligen Geist braucht es keine Feuerlöscher, sondern solche die sich von ihm erfassen und anstecken lassen. An einer Stelle in unserem Gotteslob, das mittlerweile zehn Jahre alt ist, steht geschrieben: „Du kannst in anderen nur entzünden, was in dir selber brennt“. Möge das Feuer der Netter Schwestern weiter brennen in jedem, der Gottes Geist in sich wirken lässt. Hoffentlich nicht nur als kurzes Aufflammen, sondern in tiefer Treue und großer Kontinuität.
Amen.