Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Schwestern und Brüder,
wir gehen jetzt mit Jesus in die letzten Stunden seines irdischen Lebens. Wir erinnern uns an den letzten Abend, eine letzte durchbetete Nacht am Ölberg und schließlich den schmerzhaften Kreuzweg durch die Gassen Jerusalems bis hin zur Stätte der Kreuzigung.
Letzte Stunden sind oft mindestens genauso bedeutsam wie erste Stunden. Anfänge und Enden haben es in sich. Die letzten Stunden Jesu vermitteln sein Erbe, sein Vermächtnis, seine Hinterlassenschaft. Es geht um das, was bleibt, was uns von ihm erhalten bleibt.
Er verteilt in dieser letzten Stunde nicht irgendwelche Dinge; er verteilt nicht das Barvermögen unter den Erben; er überreicht nicht einen dicken Wälzer mit klugen Worten. Der Gründonnerstag lebt von ganz schlichten, einfachen und deswegen wohl so anrührenden, nachhaltigen Zeichen.
Christus feiert mit seinen Jüngern das Pessachmahl. Er reiht sich in eine ganz lange Tradition seines jüdischen Volkes ein. Er feiert, was Juden bis heute begehen: die Erinnerung an den Auszug aus der Sklaverei in Ägypten und dabei das Mahl mit ungesäuertem Brot und Wein. Diesem Zeichen verleiht er einen vollständig neuen Charakter, indem er zu dem Brot schlicht und einfach hinzufügt: „Das ist mein Leib für euch“. Und ebenso machte er es mit dem Wein: „Das ist mein Blut für euch“. Damit werden Brot und Wein zu Zeichen Jesu, zu sakramentalen Zeichen, zu Sakramenten: ein schlichtes Zeichen, ein klares Wort mit der Zusage: Das bin ich für euch – so bin ich bei euch- so bleibe ich mitten unter euch.
Wenn uns die Feier dieses Abendmahles, oder wie wir später sagen: der Eucharistie, der heiligen Messe als Kirche so wichtig ist, dann nicht, um eine Tradition zu retten oder einen kirchlichen Betrieb sicherzustellen, sondern um Jesu Auftrag fortzusetzen: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ und zu wissen: Unter diesen Zeichen, bei diesen Handlungen ist ER mitten unter uns, hier und heute.
Das zweite Zeichen dieses letzten Abends Jesu mit seinen Jüngern ist mindestens genauso bedeutsam: die Fußwaschung. Gottes Sohn, der an Weihnachten Mensch geworden ist, geht hier in die Tiefe des Menschseins hinab. Er tut den Dienst, den der letzte, jüngste Sklave zu tun hatte, einen sehr erniedrigenden Dienst: anderen die Füße zu waschen. Jesus versteht das als Beispiel. Wir müssen es also nicht eins zu eins umsetzen, sondern vielmehr fragen, wie ich Jesu Absicht heute verwirklichen kann: Dem anderen zu dienen, um seiner selbst willen, in den kleinsten Kleinigkeiten. Es ist die Karriere nach unten; der Weg zum letzten Platz. Dort stellt sich der Herr selber hin, dort will er uns stehen sehen.
Beide Zeichen ergänzen sich: das sakramentale Mahl und die Fußwaschung. Beide sind Zeichen von Jesu unendlicher Liebe. Von beidem leben wir und beides dürfen wir empfangen: die Eucharistie am Tisch des Altars und den Liebesdienst auf den Straßen dieser Welt, da wo heute die Füße der Menschen der Reinigung und der Pflege bedürfen. Das eine ohne das andere greift zu kurz; beides zusammen hat große Kraft und stillt die Sehnsucht der Menschen und gibt ihnen genau das, wovon wir alle leben: Das ist nichts weniger als Gottes unendliche Liebe.