Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Mitbrüder im diakonalen, priesterlichen und bischöflichen Dienst,
liebe Schwestern und Brüder!
Die letzten Wochen und Monate sind nicht nur eine Krise der Weltpolitik, eine Krise für Frieden und Gerechtigkeit, eine humanitäre Krise für Millionen von Menschen, die ungerechtfertigter-weise ihr Land verlassen müssen und als Flüchtlinge woanders und auch hier bei uns in Deutschland Zuflucht suchen. Es entwickelt sich immer mehr auch eine Handelskrise, eine Wirtschaftskrise und nicht zuletzt auch eine Energiekrise: an der Tankstelle sind die Preise zwischenzeitlich drastisch gestiegen; das Speiseöl war in manchen Supermärkten gar nicht mehr zu finden; und auch die Kosten für Heizung und warmes Wasser, für die Fahrt zur und von der Arbeit nach Hause werden deutlich steigen.
Vielleicht sind die letzten Wochen, aber auch die Zeit der Pandemie für viele Menschen sozusagen eine persönliche Energiekrise: Woraus beziehe ich die Kraft, die ich benötige, um all das zu bewältigen? Auch für manchen Seelsorger und manche Seelsorgerin sind es herausfordernde Zeiten: Wo ist meine Energiequelle?
Die Ölmesse will und kann uns darauf eine Antwort geben.
„Der Herr hat mich gesalbt“ – das ist die Erfahrung Jesu in der Synagoge von Nazareth. Die Salbung geht von keinem Geringeren aus als von Gott selbst. Es ist Gottes Tat und es ist Gottes Gabe. Gott gibt nie etwas, sondern teilt sich selber. Es ist seine Energie, die wir empfangen, „Gottes Kraft und Weisheit“ (1 Kor 1,24).
In der Salbung berührt Gott selber mich. Es geht hier nicht um einen kraftvollen Ritterschlag, es geht nicht um eine großartig inszenierte Krönung oder eine andere machtvolle, ja gewaltvolle Geste. Es geht um eine sehr sensible und persönliche Berührung, eine die unter die Haut geht, die eindringt – aber ohne Gewalt.
Der Herr hat mich gesalbt, dich und mich, uns alle: in Taufe, Firmung, Weihe und ganz besonders in der Krankheit. Es ist eine Salbung, die bleibt; eine Zusage, die nie zurückgenommen wird. Sie steht ein für alle Mal. Darauf kann ich mich verlassen – gerade in der Krise, in der Krise der Kirche, der Gesellschaft und meiner sehr persönlichen.
Der Herr hat mich gesalbt, und in einem Atemzug fügt Jesus an: Er hat mich gesandt. Salbung ist immer Sendung. Zu den Armen, den Gefangenen, den Blinden, den Zerschlagenen, den Gefesselten, den Trauernden … Es ist der Auftrag, Freudenöl zu bringen statt Öl ins Feuer zu gießen.
Als einzelne Christen, als gesandte und beauftragte Priester und Diakone und Seelsorger haben wir diese Sendung. Es ist die Sendung Gottes, die wir selber erfahren haben und die wir jetzt weitergeben dürfen. Wir sind Gesalbte und haben den Auftrag, andere zu salben, genauso sensibel und zärtlich wie Gott selber.
Viele Menschen erwarten genau das von uns. Es scheint, dass es heute mehr denn je auf diese sehr persönliche und einfühlsame Form der Begegnung ankommt. Die Zeit großer Massenveranstaltungen und riesiger Aktionen scheint nicht zu sein. Ich denke an die Geflüchteten, die jetzt dieses Freudenöl brauchen oder an die Menschen, die bei OutInChurch zusammenkommen. In der Begegnung mit ihnen habe ich spüren können, wie sehr sie von ihrer Kirche eben keinen her-ablassenden Blick erwarten, sondern ein Zeichen der Unterstützung. Ich denke auch an die Ge-schichte des einen oder anderen, der an diesem Osterfest die Taufe ersehnt und damit die Salbung von Gott empfängt. Ich denke an die vielen an Leib und Seele verletzten Menschen in unserer Gesellschaft, aber auch mitten in unserer Kirche und leider Gottes auch durch uns in dieser Kirche Verletzten, die nichts dringender ersehnen als Balsam für die Seele.
Diese Chrisammesse führt uns sinnenfällig vor Augen, dass Gott sein Wirken nicht eingestellt hat. Er handelt auch heute – er handelt an jedem von uns – er will handeln durch uns, damit sich der wohltuende Duft seiner göttlichen Salbung gerade jetzt weiter ausbreitet.