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Predigt

Predigt zur Christmette

24. Dezember 2020
St. Marien-Dom / Hamburg

Es gilt das gesprochene Wort!


Liebe Schwestern, liebe Brüder,

wie in jedem Jahr habe ich auch diesmal wieder zahlreiche Weihnachtsgrüße erhalten mit vielen aufmunternden Worten und guten Wünschen, gerade in der jetzigen Situation. Gerne lese ich diese Grüße und schaue mir auch die Motive an, die ich auf den Karten finde. Sie sind ganz unter-schiedlich. Aus den vielen Karten möchte ich eine herausgreifen, die mir besonders aufgefallen ist: Eine tiefschwarze, an deren unteren Rand ich die typischen Zeichen eines cm-Maßes fand, Sie wissen schon, diese kleinen Striche für jeden Millimeter. Das hat meine Neugier geweckt; man konnte die Karte auffalten, und sie ist -wie mir mein Gefühl sagte- genau 1 m 50 lang, also diese berühmten 1,50 m, die wir jetzt allenthalben internalisiert haben. Neben dem weihnachtlichen Gruß findet sich auf dieser Karte am einen Ende das Weihnachtsgeschehen mit Maria, Josef und dem Kind und am anderen Ende, eben 1,50 m entfernt, die drei Könige die noch auf ihrem Weg zum Neugeborenen sind. Ein interessantes Motiv: Weihnachten, aber mit Abstand!

Diese Weihnachtskarte bringt sehr anschaulich zum Ausdruck, was wir seit Monaten leben: Über-all und selbstverständlich auch in unseren Kirchen halten wir 1,50 m Abstand. Die Kontaktbeschränkungen sind eindeutig, sie schmerzen gerade in diesen Tagen viele. Diese Beschränkungen werden noch einmal getoppt durch das Gebot der Kontaktbeschränkungen, ja der Kontaktlosigkeit. Die Fiebertemperatur wird z.B. jetzt kontaktlos gemessen, an den Supermarktkassen sind wir aufgefordert, kontaktlos zu bezahlen, Pakete werden uns kontaktlos übermittelt, zur Begrüßung winken oder nicken wir uns nur zu und versagen uns jede Berührung. Unsere Sternsingeraktion soll zu Beginn des neuen Jahres kontaktlos stattfinden.

Ich frage mich, ob gerade diese Abstandsregeln und diese Kontaktbeschränkungen die nachhaltigsten Einschränkungen und damit auch Veränderungen für uns Menschen durch die Corona-Pandemie sein werden. Der Mensch ist doch auf Kontakt aus, er braucht die Berührung, er braucht die Begegnung. Es trifft uns besonders, wenn wir uns solche Kontakte jetzt versagen müssen. Es fehlt etwas zutiefst Menschliches. Es geht uns Entscheidendes ab!

Ein geradezu skurriles Bild konnte ich vor einigen Tagen in einer großen Zeitung sehen: In Coronazeiten nahm eine erwachsene Frau ihre alte Mutter in den Arm – aber zwischen den beiden war ein Plastiktuch, wenn auch sehr dünn, es zeigt aber, wie ungewöhnlich jetzt vieles ist. Und diese Beschränkungen und Kontaktverbote gehen ja noch weiter in unseren Altenheimen, in unseren Krankenhäusern, zu unseren Mitmenschen in anderen Ländern und Städten, hin zu den Migranten und Flüchtlingen oder den Seeleuten, die auf ihren Schiffen in Quarantäne festsitzen und eben nicht zu ihren Angehörigen nach Hause dürfen und und und und. Menschen leiden nicht nur unter dem Virus, es geht nicht nur um unser „nacktes Leben“, sondern auch um die menschlichen, seelischen und sozialen Folgen dieser Epidemie. Mit dem Verstand ist jedem klar, wie wichtig all diese Kontaktbeschränkungen für uns gerade jetzt sind, aber mit dem Herzen sind sie nur sehr schwer auszuhalten. Wir sind ja Menschen mit Leib und Seele!


Liebe Schwestern und Brüder,
auf diesem Erfahrungshintergrund, den wir jetzt machen, ist die Botschaft von Weihnachten etwas ganz anderes und etwas ganz Besonderes:

Gott bleibt uns nicht auf Abstand; er ist kein kontaktloser Gott, nicht unnahbar. Weihnachten heißt: Gott kommt uns Menschen und zwar jedem einzelnen Menschen ganz nahe, indem er genauso wird, wie wir sind: Mensch. Er überwindet jede Distanz, auch die letzten 150 Zentimeter noch.

Dieser menschgewordene Gott bleibt von unserem menschlichen Leben und Schicksal nicht un-berührt, nicht schadlos, nicht aseptisch rein, er bleibt nicht in einer sicheren, vollkommenen Quarantäne, nein, der menschgewordene Gott lässt sich von unserem Leben anstecken. In seiner Geburt als Mensch nimmt er das ganze menschliche Leben an, er übernimmt es und „infiziert“ sich so mit allem, was unser Leben ausmacht, auch mit Krankheit und Tod; dieses neugeborene Kind in der Krippe trägt wie jedes neugeborene Menschenkind den Keim des Todes mit seiner Geburt schon in sich. Es ist keine Märchengestalt, der all das nichts anhaben kann. Jesus Christus immunisiert sich uns Menschen gegenüber nicht, sondern geht das volle Risiko des menschlichen Lebens ein, er geht es bewusst ein, weil er zutiefst einer von uns sein möchte, damit wir werden wie ER.

Und genau darin liegt unsere Hoffnung begründet: Indem Jesus unser ganzes Leben mit uns teilt, es annimmt – bis zum Tod, verändert er es. Indem er am Ende herabsteigt in den Tod, haben wir die Hoffnung, dass der Tod zum Leben gewandelt wird.

Liebe Schwestern und Brüder,
auf manchen alten Krippendarstellungen, nicht so modern wie die Weihnachtskarte, die ich in diesem Jahr erhalten habe, sieht man das neugeborene Christkind nicht einfach direkt auf dem Stroh ruhen, sondern genau betrachtet liegt das neugeborene Kind auf einem weißen Tuch, so wie wir das jetzt bei der heiligen Messe auf dem Altar verwenden und darauf Brot und Wein stellen, die Gaben, die wir dann als Leib und Blut Christi empfangen. Die alten Maler wollen damit zum Ausdruck bringen: Wenn du die Eucharistie, die heilige Messe mitfeierst und zur Kommunion kommst, dann empfängst du Christus, das in der Krippe liegende Kind, selbst. Er will dich heilen und gesunden lassen. Die Eucharistie wurde deswegen von früh an als Medikament, als Heilmittel, als Arznei verstanden und Christus als Arzt oder Apotheker gesehen. Er hat die richtige Medizin für uns, ja er ist dieses Therapeutikum selbst. Ignatius von Antiochien bezeichnet die Kommunion folglich als „Arznei der Unsterblichkeit, als Gegengift gegen den Tod“ und ein Jesuit unserer Tage spricht von der „lebensnotwendigen Injektion“.

Wenn auch Weihnachten in diesem Jahr ganz anders ist, wenn wir auf Abstand bleiben (müssen) und auf die kommende Impfung hoffen dürfen, das Entscheidende dieses Festes ist: Gott will für dich da sein, dich stärken und heilen wie eine Arznei, wie eine „lebensnotwendige Injektion“. Er ist dir näher, als du denkst, näher, als du dir selbst bist!

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