Es gilt das gesprochene Wort!
(Evangelium: Lukas 10,25-37)
Liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder!
Fratelli tutti - so hat Papst Franziskus seine dritte Enzyklika, eine ausgesprochene Sozialenzyklika überschrieben. Er träumt von dem großen Wir aller Menschen. Jeder von uns kann und soll dazu seinen eigenen Beitrag einbringen.
Im zweiten Kapitel dieser Enzyklika meditiert Papst Franziskus über das Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus dem zehnten Kapitel des Lukasevangeliums, das wir gerade wieder gehört haben.
Da liegt dieser unter die Räuber gefallene Mensch am Boden, verletzt, hilflos, allein… Ganz schnell fallen mir viele solche am Boden liegende Menschen ein: Ich denke gerade jetzt an die alten und kranken Menschen, die besonders unter Einsamkeit leiden, an die, die allein sterben müssen. Ich denke an diejenigen, die mit der augenblicklichen Situation nur schwer fertigwerden, deren Leben eingeschränkt, ja in besonderer Art und Weise begrenzt ist, die wie gelähmt sind, regungs- und bewegungsunfähig. Ich denke an diejenigen, die sich um ihre Existenz sorgen, die nicht wissen, wovon sie selber und ihre Angehörigen leben sollen. Ich denke besonders an die Schwächsten unserer Gesellschaft, die jetzt am stärksten bedroht sind.
Ich sehe in den verletzten Menschen auch uns selber, unsere Kirche, die vielen Haupt – und Ehrenamtlichen, die nicht wieder hochkommen, um sich weiter eigenständig fort zu bewegen. Im Verletzten dürfen wir uns auch selber entdecken, unsere Wunden, unsere eigene Verwundbarkeit. Solche Wunden können oft sehr wehtun.
An diesem Verletzten aus dem Gleichnis gehen die einen vorbei, ausgerechnet ein Gesetzeslehrer und Levit, vielleicht sogar mit guten Beweggründen; einer aber bleibt stehen und schaut genauer hin, ausgerechnet ein Fremder, ein Mensch aus Samarien. Es gibt nur diese Alternative: weg-schauen und weitergehen oder aufmerksam sein und stehen bleiben, ja sich über den Verletzten beugen und sich ihm zuwenden.
Der Evangelist beschreibt das Handeln dieses barmherzigen Samariters mit einer Fülle von Worten: er sieht, er hat Mitleid, er geht hin, er verbindet die Wunden, er versorgt den Verletzten und übergibt ihn schließlich in die Herberge und zahlt sogar für ihn. Und mittendrin heißt es: Er goss Öl auf die Wunden. Er will also die Wunden pflegen, den Kranken heilen, ihn stärken, ihn nicht nur sehen, sondern sogar im umfassenden Sinn versehen. In alldem und im Salben mit dem Öl geht es um Zuneigung, Beziehung, Sorge. Ein Bild für eine Kirche in Beziehung, wie wir sie im Erzbistum Hamburg leben wollen; ein Urbild für Seelsorge, die auch den Leib umfasst.
Dieses Evangelium passt deswegen sehr gut in unsere Corona-Zeit und zu dieser Ölweihemesse.
Ich möchte allen Priestern und Diakonen ganz herzlich danken für ihren Dienst bei der Spendung der Sakramente, wenn sie zum Beispiel unsere Täuflinge mit dem Chrisam salben. Ich danke besonders allen Mitbrüdern, die in diesen Wochen und Monaten uns Bischöfen helfen das Sakrament der Firmung zu spenden. Ich denke auch an alle, die die Krankensalbung feiern, manchmal unter ganz besonderen Rahmenbedingungen. Jede einzelne Salbung ist nicht nur ein Ritus, sondern ein Zeichen der Begegnung, der Berührung eines konkreten Menschen, seiner Biographie und damit auch seiner Wunden. Es ist der barmherzige Samariter, Christus selbst, der diese Beziehung zum einzelnen durch unser Mittun aufbauen möchte.
Den Dienst der Salbung tun wir aber nicht nur, wenn wir das geweihte Öl benutzen, wir tun es auch im übertragenen Sinn. Diesen lebenswichtigen Dienst tun wir auch in unserer Verkündigung, gerade in dieser Zeit, wo wir auf Gott verweisen und ihn wach halten. Verkündigung erschöpft sich nicht in klugen und gewandten Worten, wie der heilige Paulus einmal sagte, sondern sie ist immer mit dem eigenen Leben und dem eigenen Glauben verbunden. Deswegen möchte ich ausdrücklich allen danken, die sich immer wieder, oft Woche für Woche, ja Tag für Tag der geistlichen Herausforderung der Verkündigung Gottes und seines Wortes unterziehen, egal ob wir das auf analoge oder jetzt auch vermehrt digitale Art und Weise tun.
Schließlich tun wir diesen Dienst der Salbung und der Heilung auch immer dann, wenn wir mit Menschen im Gespräch sind, wenn wir nicht an ihnen vorüber gehen, sondern stehen bleiben und sie und ihr Leben in den Blick nehmen und vielleicht ein gutes Wort für Sie bereit haben. Gerade in dieser Corona Zeit sind die persönliche Begegnung, das Für-einander-da-sein und schließlich die konkrete Tat der Liebe, der Dienste des Samariters, den wir heute fortsetzen.
Liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder,
lange wurde die Ölmesse am Morgen des Gründonnerstags gefeiert, genau des Tages, an dem wir am Abend bei der Fußwaschung hören: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben“. Mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter hat Jesus uns ein solches Beispiel ans Herz gelegt. Versuchen wir seinen Weg in dieser bewegenden Zeit fortzusetzen. Amen.