Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Schwestern und Brüder!
Liebe Frau Quinchiguango, ich darf Sie in diesem Gottesdienst als Gemeindereferentin im Erzbistum Hamburg aussenden.
Als wir vor einigen Monaten miteinander ein Gespräch führten, haben Sie ein wunderbares Bild gebraucht, das ich bis heute nicht vergessen habe. Ihre Berufung, Ihre Sendung als Gemeindereferentin haben Sie in dieses Bild gebracht: Ich will ein Evangelium auf zwei Beinen sein.
Ein Evangelium auf zwei Beinen, das heißt für mich zunächst einmal, das Evangelium bekommt Hand und Fuß, es bekommt Arm und Bein. Oder um es anders zu sagen: Das Evangelium wird Fleisch. Es ist eben nicht etwas Rein-Geistiges, eine Lehre, Gedanken, Ideen. Nein: das Evangelium ist konkret. Es wird in meinem Leben sozusagen verkörpert. Es gewinnt in meinem Leben Gestalt.
Und dann: Ein Evangelium auf zwei Beinen, das schreit nach Bewegung. Die Beine sind zur Fortbewegung, zum Gehen da. Offenbar lässt sich das Evangelium nicht im Stillstand leben, sondern in der Bewegung. Sie, liebe Frau Quinchiguango, haben eine weite Bewegung, einen weiten Weg bereits hinter sich. Sie sind vor einigen Jahren von Ecuador nach Österreich gekommen und dann schließlich nach Deutschland hier ins Erzbistum Hamburg. Sie haben sich auf einen weiten Weg gemacht und waren die erste aus Ihrer Familie, die ein Abitur erwarb und folglich auch die erste, die ein theologisches Studium absolvierte. Sie sind auf dem Weg bereits in Hamburg gewesen, vor allem in der Gemeinde St. Elisabeth. Aber Sie sind jetzt auf eine neue Etappe Ihres Weges getreten in der Pfarrei Heilige Katharina von Siena in Langenhorn, Norderstedt, Ochsenzoll und Henstedt-Ulzburg. Und dabei ist Ihr Weg beileibe nicht zu Ende. Ihr Weg geht Tag für Tag weiter von sich zum Nächsten, zu den Menschen, zu denen Sie nun gesandt werden, denen Sie das Evangelium bringen dürfen zu allererst durch Ihr Leben und dann – so meint es der Heilige Franz von Assisi – wenn nötig auch noch mit Worten.
Liebe Schwestern und Brüder, damit wir das Evangelium verkörpern können, damit wir es weitergeben und weitertragen können, müssen wir auch immer wieder zum Evangelium zurückkehren. Wir müssen an das Evangelium Jesu Christi anknüpfen. Deswegen die Frage an jeden von uns: Worin besteht im Hinblick auf mein Leben mein Evangelium? Was ist jetzt die Botschaft der Freude, die gute Nachricht, die Gott mir schenkt?
Wir müssen uns ein Leben lang vom Evangelium ansprechen, ermutigen und gleichsam ernähren lassen, ein Leben lang das Wort Gottes als Frohe Botschaft vernehmen, die mir jetzt in dieser konkreten Situation gilt.
Wenn ich wissen will, worin mein Evangelium besteht, dann muss ich meine Armut kennen, meine Schwäche, auch meine Sünde. Dann muss ich wissen, wo Gott jetzt eingreifen muss. Deswegen: Bevor wir als Evangelium auf zwei Beinen uns auf den Weg machen, bleiben wir ruhig stehen, setzen wir uns hin, knien wir uns vielleicht auf diese Beine, um unser Leben diesem Evangelium entgegenzuhalten. Wenn wir unser Leben für das Evangelium öffnen, dann wird die Frohe Botschaft genau da hineinfallen, wo Gott sie uns heute schenken möchte. Das ist die beste Voraussetzung, dass wir nicht Parolen, nicht Allgemeinheiten verkünden, sondern dass wir in unseren Gemeinden, und dass erst recht alle Seelsorger, das Evangelium so verkünden, dass es in unser Leben trifft und uns in unserer jeweiligen Situation betrifft. Versuchen wir alle so Evangelium auf zwei Beinen zu sein.