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Predigt

Weihnachtspredigt 2019

24. Dezember 2019
St. Marien-Dom zu Hamburg

Es gilt das gesprochene Wort!


Liebe Schwestern und Brüder,

möglich war es, aber jetzt wird es Realität: der Austritt eines Mitgliedsstaates aus der Europäischen Union. Doch Großbritannien hat sich dafür entschieden. Im Juni 2016 stimmte eine knappe Mehrheit der britischen Stimmbürger in einer Referendumsabstimmung für den EU-Austritt ihres Landes. Seither beherrscht das Thema Brexit die britische Politik und die internationalen Nachrichten. Nach vielen Austritts-Aufschüben soll Großbritannien die EU nun bis zum 31. Januar 2020 verlassen. Möglich soll dies der sogenannte Brexit-Deal machen. Deal oder No Deal – diese Frage hat uns in den letzten Wochen und Monaten in Atem gehalten. Die Vertragspartner einigten sich auf diesen Deal, jetzt hat auch das britische Parlament diesem Deal zugestimmt.

Vom Brexit Deal zum Green Deal. Es erscheint fast unmöglich, aber es ist eine Riesenchance: Als erster Kontinent soll Europa bis 2050 klimaneutral werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Europäische Kommission ihren europäischen Green Deal vorgestellt, eine äußerst ehrgeizige Maßnahme. Durch zeitlich gestaffelte Maßnahmen hat der Green Deal ein Ziel: den Erhalt unserer natürlichen Umwelt. Ein Deal, der allen zugutekommt, aber der auch alle herausfordert.

Deal – dieses Wort taucht immer mal wieder auf. In den Medien, in der Politik und auch in unserem Alltag. Es geht um ein Geschäft, das verschiedene Vertragspartner miteinander schließen. Es ist ein Handel, ein Tausch. Am Beginn allen wirtschaftlichen Denkens und Handels steht der Gedanke des Tauschens. Einen Handel treiben die Menschen schon immer. Das ist keine Erfindung der Neuzeit.

Dieses Handeln und Aushandeln zwischen Menschen, dieses Geschäftemachen, dieser Handelsverkehr hat schon vor vielen hundert Jahren die Phantasie der Theologen angeregt, das Weihnachtsfest als einen Deal zu bezeichnen, als einen Austausch, einen Handelspunkt. Auf Lateinisch klingt das dann sehr vornehm: ad-mirabile commercium oder sogar sacrum commercium, ein heiliger Tausch. Doch damit ist aber kein Tausch in unserem Verständnis gemeint. Es geht nicht um die Formel 1:1 und nicht nach dem Motto: Wie du mir so ich dir. Das Tauschgeschäft, das Gott an Weihnachten eingeht, verzichtet auf jede Form von Gegenleistung. Dieser Handel will den Menschen nicht über den Tisch ziehen und ausbeuten. Nein, es ist ein ganz selbstloser Tausch.

Zu allererst will dieser Gott, der heute Mensch wird, da sein, wo wir sind. Dieser Gott tauscht die Seiten. Er kommt aus seiner Herrlichkeit auf diese Erde. Er will unser Leben teilen, unsere Freude und Hoffnung, aber auch unsere Angst und unsere Unsicherheit. Sein Wohnort ist nicht mehr ein göttlicher Palast, nicht mehr der Himmel, sondern er bindet sich an die armselige Krippe und an das harte Kreuz. Er sagt nicht nur: Ich möchte da sein, wo ihr seid, sondern er tut es. Er tritt auf unsere Seite. Er tauscht sich für uns ein.
Dabei bleibt er nicht einfach ein Gegenüber, vor dem alle in Ehrfurcht erstarren, sondern er wird unser Mitmensch. Er wird unser Bruder, unser Freund. Er bringt Gottes frohe Botschaft, Gottes Liebe, Gottes Leben zu uns und er will es mit uns teilen. Er will es in den Austausch mit uns Menschen bringen. Ich denke an die Heilungen. Ich denke an die faszinierenden Predigten, die er gehalten hat. Ich denke an die Wunder, die er gewirkt hat und nicht zuletzt an die Vergebung, die er geschenkt hat. Im letzten gibt er sich selber und darin gibt er uns Gott – und das nur, damit wir empfangen, damit wir aufnehmen.

Und dieser Tausch geht noch weiter. Gott rückt nicht nur an Weihnachten auf unsere Seite. Gott teilt nicht nur das Leben mit uns, sondern er will uns in sein Leben hinüberführen. Der Heilige Irenäus von Lyon (ca. 115 - 202) erklärt: „Dazu wurde der Logos Mensch, damit der Mensch Sohn und Tochter Gottes wird.“ Das ganze Leben Jesu ist ein Herabsteigen. Damit hat Gott nichts sehnlicher im Sinn, als dass wir unser irdisches Leben öffnen für sein himmlisches. Und dass wir es in unserem Sterben mit seinem göttlichen Leben austauschen können.

Liebe Schwestern und Brüder, wie der Brexit-Deal aussehen wird, wissen wir nicht. Ob der Green-Deal wirklich funktioniert, wissen wir wohl erst 2050. Aber dass wir vom göttlichen Tausch heute schon profitieren, dass dieser Tausch wirklich ein gelungener Tausch ist, dürfen wir in der Liturgie, im Gottesdienst erleben. Denn hier lebt dieser Tausch weiter, geschieht er.

Gottes selbstloser Tausch, den er mit der Menschwerdung seines Sohnes eingeht, kann für uns ein guter Deal sein, wenn wir uns darauf einlassen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie etwas von dem, was Sie von Gott empfangen, was Gott Ihnen schenken möchte, austauschen mit anderen in Gesprächen, in Begegnungen, im Feiern.
Amen.

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