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Predigt

Predigt im ökumenischen Gottesdienst am Tag der Deutschen Einheit

03. Oktober 2019
St. Nikolai, Kiel

Es gilt das gesprochene Wort!


Liebe Schwestern und Brüder,

die Spuren des Christentums hier oben im Norden gehen bis in das 9. Jahrhundert zurück. Dennoch sind unsere beiden Kirchen die Evangelische wie die Katholische von ihrer Struktur her noch recht jung. Die evangelisch lutherische Nordkirche wurde 2012 gegründet, das katholische Erzbistum Hamburg feiert nächstes Jahr seinen 25. Geburtstag. Recht besehen sind die Nordkirche und das Erzbistum Früchte der Deutschen Einheit. Mit dem Wegfall der innerdeutschen Grenze war die Frage aufgerufen, wie geht es strukturell hier oben mit der Kirche weiter.

Wir sind nicht nur junge Kirchen, sondern wir sind fast auf dem gleichen Territorium. Nordkirche und Erzbistum sind fast deckungsgleich. Das bringt es für mich als katholischen Bischof mit sich, dass ich sehr viel unterwegs bin und dabei immer wieder zwischen den verschiedenen Regionen unserer Erzdiözese hin- und herreisen muss. Unser Erzbistum umfasst fast drei Bundesländer. Hamburg, Schleswig-Holstein und den mecklenburgischen Teil von Mecklenburg-Vorpommern. Es ist eine der wenigen Diözesen in Deutschland mit einem großen Teil im Westen und einem sehr großen Teil im Osten.

Wenn ich über die A 24 fahre, komme ich stets neu an einem Schild vorbei, das für mich von großer Bedeutung ist. An der ehemaligen Grenzübergangsstelle zwischen Ost- und Westdeutschland wird an einer touristischen Informationstafel mit einem eindrücklichen Piktogramm und der Aufschrift „Ehemalige innerdeutsche Grenze 1945-1990“ an die über vierzigjährige Teilung Deutschlands erinnert und hingewiesen. Wenn ich daran vorbeifahre, kommen in mir Erinnerungen hoch. Ich denke zurück an meine eigene Zeit als Schüler und Student und an einige Reisen in den Osten Deutschlands und in den Osten Europas. Ich denke an die Transitstrecke, an die Grenzkontrollen und an vieles Trennende mehr.

Heute am Tag der Deutschen Einheit kommt mir dieses Schild auch wieder vor Augen. Die freie Fahrt zwischen den einzelnen Bundesländern ist heute erfreulicherweise so selbstverständlich, über vierzig Jahre lang war diese Fahrt aber nur unter vielen Schwierigkeiten möglich und viele Menschen verloren beim Versuch, diese Trennung zu überwinden, ihr Leben. Ich bin dankbar, dass wir einen solchen Feiertag begehen können, Anfang Oktober in unmittelbarer Nähe zu Erntedank. Beides sind große Dankestage. Ich erinnere mich an das, was mir in meinem Leben geschenkt worden ist. Ich denke an so wunderbare Gaben wie Einheit und Frieden. Ich denke aber auch an die Herrlichkeit der Natur und der ganzen Schöpfung. Ich schmecke die Früchte und ich höre das Zwitschern der Vögel. Ich sehe voller Bewunderung das Schaffen des Menschen und seine Errungenschaften. Ich gebe all dem in meinem Herzen Raum. Mein Herz wird wie ein großer Resonanzraum und lässt all das widerhallen.

Ich kann am heutigen Tag für all das Danke sagen. Ich weiß, dass ich das allermeiste nicht mir selbst zu verdanken habe, sondern anderen, und als Christ einem, der alles zusammenhält.

Ich schaue in Demut und Bescheidenheit auf all das, weil ich weiß, dass es noch nicht fertig ist, dass die Vollendung noch aussteht und dass noch viel geschehen muss. Als der russische Schriftsteller Alexander Solschenizyn gefragt wurde, was nach dem Zusammenbruch des Kommunismus käme, antwortete er: „Eine sehr, sehr lange Zeit der Heilung.“ Ja, ich glaube, sie ist im vollen Gange, diese Zeit der Heilung, des Wachsens, des Reifens, der Erneuerung.

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