Es gilt das gesprochene Wort
Evangelium: Lukas 9,7–9
Liebe Schwestern und Brüder,
Herodes, genauer gesagt Herodes Antipas, also nicht der König Herodes, war Tetrarch von Galiläa und damit der Landesherr Jesu. Er hatte dieses Amt über eine sehr lange Zeit inne, von 4 vor Christus bis 39 nach Christus. Dieser Herodes war eine schillernde Persönlichkeit. Das merken wir auch am heutigen Evangelium. Er tritt uns vor Augen als jemand, der neugierig ist, aufgeschlossen, der Jesus bewusst sehen will, der ihn kennenlernen möchte und der sich fragt: Wer ist denn dieser Jesus?
Viele Jahre später, beim Prozess gegen Jesus, tritt Herodes wieder auf den Plan. Auch da gibt es diese Interessiertheit. Herodes stellt viele Fragen. Insgeheim hofft er, Wunder zu erleben, Zeichen, irgendetwas Staunenswertes. Und dann kippt die Neugier des Herodes um in Spott und Hohn. Schließlich lässt er Jesus den Mantel umlegen, in dem er nur noch verhöhnt wird.
Liebe Schwestern und Brüder, Herodes stellt uns einiges vor Augen. Ein Erstes: Er will Jesus sehen. Aber was oder wen will er sehen? Geht es ihm um die äußere Gestalt oder geht es ihm um diese Zeichen, um Aufsehenerregendes, um etwas Spektakuläres? Wenn ich Jesus sehen möchte und ich glaube, dieser Wunsch steckt auch in uns drin, will ich dann jemanden sehen oder will ich eher etwas sehen? Will ich eine Person sehen oder etwas von und an ihr? Ein Zweites: Einen Menschen, eine Person sehen zu wollen, kann nie bedeuten, ein Objekt in den Blick zu nehmen. Deswegen lernt man einen Menschen auch nicht kennen, wenn man ihn noch so genau von außen anschaut. Es braucht ein inneres Sehen. Es braucht ein inneres Verhältnis zu einem Menschen, um ihn zu erkennen, um sein Persongeheimnis ein wenig zu lüften.
Deswegen nützt es gar nichts, Jesus von außen zu sehen, seine Gestalt, seine Größe, seine Haare, seine Hände und vieles andere mehr. Um Jesus wirklich kennenzulernen, kann es nur eines geben: ihn zu begleiten, mit ihm zu gehen, sich mit ihm auf den Weg zu machen.
Als die Jünger Jesus kennenlernen wollen und herausfinden wollen, wo er lebt, wo er wohnt, da gibt er ihnen nur die Antwort: Kommt und seht. Das heißt: Kommt, geht mit und dann werdet ihr etwas sehen. Deswegen besteht Jüngerschaft im Mitgehen und es ist aufschlussreich, dass das Lukasevangelium wie ein Reisebericht verfasst ist, wie eine Weggeschichte. Jesus ist auf dem Weg und andere schließen sich diesem Weg an und darauf erkennen sie ihn.
Herodes kommt mir vor wie ein Mann, der an den Start, geht aber diesen Weg nie beginnt. Wie jemand, der an der Startposition verharrt und nie aufbricht.
Liebe Schwestern und Brüder, der hl. Gregor von Nyssa predigt einmal über Mose und bringt darin einen wichtigen Gedanken auf den Punkt: „Gott nachfolgen, wohin er auch führt, ist: Gott sehen.“ Und wenn wir das vom Alten Testament auf das Neue übertragen, dann müssen wir sagen: Christus nachfolgen, das heißt, Christus sehen.
Vielleicht noch einen Gedanken dieses Heiligen, den er in diesem Zusammenhang äußert. Wer nachfolgt, schaut auf den Rücken dessen, dem er nachfolgt – vielleicht nicht immer, aber auch. Für mich heißt das: Unser Sehen bleibt immer auch unscharf, begrenzt, bruchstückhaft, unabgeschlossen. Es fordert sozusagen auf, immer noch einmal genauer hinzuschauen und tiefer zu sehen. Nachfolge geschieht in diesem Wechselspiel zwischen Sehen und Nichtsehen. Zwischen Sehen und immer noch tiefer sehen wollen.
Liebe Schwestern und Brüder, ich habe die Hoffnung, dass wir uns auf diesen Weg machen. Jesus tiefer zu sehen, dass wir darin wieder neu und stärker aufbrechen, ganz im Gegensatz zu Herodes. Ich bin der Überzeugung, je tiefer wir uns in Jesus Christus einsehen, umso transparenter können wir Jesus sichtbar und berührbar machen in dieser unserer Zeit. Meine Hoffnung ist nicht, dass zu allererst die Kirche ansehnlicher dasteht: Meine Hoffnung ist, dass wir uns in Christus einsehen und wir ihn ein wenig mehr aufscheinen lassen können und sichtbarer machen können in dieser Welt für die Herodes-Typen unserer Tage.