Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Schwestern und Brüder,
die Kathedrale Notre-Dame in Paris stand Anfang der Woche in Flammen. Nicht nur für die Bewohnerinnen und Bewohner von Paris und die Franzosen überhaupt, sondern auch für uns ein schrecklicher Anblick, der einem förmlich die Sprache verschlägt. Dieses alte, würdige, harmonische, wohlproportionierte, künstlerisch höchst wertvolle und wunderbare Gotteshaus brennt. Luftbilder der Kathedrale zeigen den brennenden Dachstuhl – von oben wie ein Kreuz, das in Flammen steht. Einfach schrecklich!
Liebe Schwestern und Brüder, vor vierzig Tagen haben wir die Fastenzeit begonnen – nicht mit einem Feuer, sondern mit Asche. Der erste Tag der Fastenzeit ist der Aschermittwoch. Seit den ersten Jahrhunderten der Christenheit gibt es den Ritus, sich Asche auf das Haupt streuen zu lassen oder ein Aschenkreuz auf der Stirn zu tragen. Wir haben die Fastenzeit begonnen mit dem Zeichen der Vergänglichkeit. Alles geht dahin, alles wird einmal vergangen sein und zerbröselt wie feiner Staub, wie Asche.
Aber die Fastenzeit will uns nicht einfach nur auf die Vergänglichkeit stoßen. Sie fragt uns auch etwas: Liegt unter dieser Asche Glut oder ist wirklich alles nur noch Asche? Auch in Notre-Dame waren es manche Glutnester, die die Feuerwehrleute in Atem hielten. Ein Glutnest, das unter der Asche ist, kann eine Brandstelle wieder zum Brennen bringen. Sind wir als Kirche nur noch Asche? Bin ich als Christ wirklich nur Asche? Oder gibt es da die Glut, gibt es da etwas, was zum Brennen bringt?
Liebe Schwestern und Brüder, heute ist die Fastenzeit zu Ende und Ostern beginnt. Ostern beginnt nicht mit einem Ascheritus, sondern mit einem Feuer. Das Osterfeuer macht mitten in der Nacht, mitten im Dunkeln alles hell. Nach dem furchtbaren Brand in Paris wird mir in diesem Jahr deutlich, das Osterfeuer ist nicht harmlos. Feuer ist nie harm- oder gefahrlos. Feuer hat es in sich. Es trägt eine große Kraft in sich.
Und das Osterfeuer wird für mich in diesem Jahr zu einem ganz wichtigen Symbol. Einerseits verbrennt etwas, das Holz, und andererseits erstrahlt ein helles, ein loderndes, ein warmes Feuer, das uns Licht gibt. Größer können die Gegensätze nicht sein. Da vergeht etwas und da wird etwas eröffnet. Da verbrennt etwas und da wird Licht gespendet. Das Osterfeuer ist ein Symbol für Christus, der stirbt und im Tod aufersteht. Beides liegt ineinander. Der Tod wird zum Leben. Andersherum gilt, ein Holzhaufen, der nicht verbrennt sondern verrottet, ist schon tot. Die Schweizer Benediktinerin Silja Walter hat diesen Zusammenfall von Sterben und Leben in einem ihrer Gedichte auf wunderbare Weise ins Wort gebracht. In einem einzigen Satz fasst sie es zusammen: „Ich sterb mich lebendig.“
Liebe Schwestern und Brüder, beim Osterfeuer geht es nicht nur um ein mehr oder minder großes Feuer vor unseren Kirchtüren. Das Osterfeuer will in uns brennen, in jedem von uns. Die bei-den Jünger, die dem Auferstandenen am Ostermontag auf ihrem Weg nach Emmaus begegnen, die spüren etwas davon. Er unterhält sich mit ihnen. Jesus erklärt ihnen alle möglichen Zusammenhänge und schließt ihnen die Bibel auf. Und während er das tut, haben sie ein warmes, wohliges Gefühl. Sie sagen von sich: Brannte uns nicht das Herz? Das ist das Osterfeuer in mir, das brennende Herz, das von Gott entflammt ist. Deswegen ist Christus auf die Erde gekommen, um Feuer zu legen, um Menschen zu entflammen, um sie zu entzünden. Und er sagt: Wie froh wäre ich, es würde brennen!
Schwestern und Brüder, ich wünsche Ihnen dieses österlich brennende Herz der Emmausjünger. Ich wünsche Ihnen, dass Sie unter der Asche des alltäglichen Lebens dieses Osterfeuer neu finden und entfachen können. Manchmal ist es schwierig, dieses Feuer in seiner ganzen Kraft zum Brennen zu bringen und zu erhalten. Aber in der knisternden Begegnung mit dem Auferstandenen dürfen wir immer neue Erfahrungen im Glauben machen. Es ist kein Zufall, dass am Ende der Osterzeit, an Pfingsten Feuerzungen auf die Jünger herabkamen.
Ostern will in uns die Flamme des Glaubens lichterloh zum Brennen bringen. Ostern will, dass wir dieses Feuer nicht für uns behalten, sondern dass wir es weitergeben und andere damit anstecken. „In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst“, soll der heilige Augustinus es ausgedrückt haben. Wir haben das am Anfang dieser Osternacht alle erlebt. Die kleine Flamme der Osterkerze hat durch die Weitergabe der Flamme des Osterfeuers den ganzen Kirchraum ausgefüllt. „Wenn auch ihr Licht sich in die Runde verteilt hat, so verlor es doch nichts von der Kraft seines Glanzes.“
Lassen Sie uns gemeinsam brennen! Frohe Ostern!