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Predigt

Predigt zum Gründonnerstag

18. April 2019
St. Marien Dom Hamburg

Es gilt das gesprochene Wort!

(Ex 12,1-8.11-14; 1Kor 11,23-26; Joh 13,1-15)

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn wir schon mal etwas vergessen, dann ist uns das oft peinlich. Schwieriger wird es, wenn wir dauernd etwas vergessen. Dann steht irgendwann ein Besuch beim Arzt an. Ganz bedrohlich ist es, wenn ein Mensch überhaupt sein Gedächtnis verliert. Alle haben wir Angst vor der Krankheit namens Demenz, weil sie offenbar mit dem Gedächtnisverlust einhergeht.

Gedächtnisverlust ist nicht nur eine Krankheit. Es gab Zeiten, da haben Machthaber bewusst die Erinnerung an vergangene Generationen ausgemerzt. Bei den Römern war es eine schändliche Strafe, wenn die Erinnerungen an Personen beseitigt wurden: Damnatio memoriae – Verdammung des Andenkens. Einige Diktaturen haben das weitergeführt.

Ohne Gedächtnis, ohne Erinnerung sind wir dem Moment ausgeliefert. Es gibt dann kein Vorher und kein Nachher mehr. Es fehlt sozusagen der Zusammenhang, der rote Faden in unserem ganzen Leben in unserer Kultur, in unserer Welt. Lernen ist nicht mehr möglich. Deswegen ist die Erinnerungskultur in unserem Leben so wichtig. Deswegen haben wir Gedenkstätten und Denkmäler. Deswegen gibt es Museen und Gedenktage, Gedenkfeiern und Jahrestage, an denen wir uns an Vergangenes erinnern.
Die jüdische Kultur ist voll von solcher Erinnerung. Immer wieder heißt es im Alten Testament: Erinnere dich. Eben in unserer Lesung: Halte diesen Gedenktag. Oder im Psalm 103,2: „Preise den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Wie selbstverständlich reicht diese Erinnerungskultur vom Judentum in das Christentum weiter. Beim Bericht vom letzten Abendmahl baut Jesus das Erinnern zweimal ein: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“

Für die Juden und auch für uns Christen ist dieses Sich-zurück-erinnern aber nicht einfach ein Schwelgen in der Vergangenheit. Es ist viel mehr. Es ist, als würden die Dinge jetzt passieren. In einer alten Pessach-Haggada heißt es: „Jeder, der jetzt mitfeiert, betrachte sich als einer, der jetzt aus Ägypten auszieht. Denn es heißt: Du sollst deinem Sohne an diesem Tag sagen: Darum geschieht dieses, weil Gott mir wohlgetan, als er mich aus Ägypten führte. Nicht unsere Vorfahren alleine hat der Hochgelobte Heilige erlöst, sondern er hat auch uns mit ihnen erlöst; daher heißt es: Auch uns hat er von dort weggeführt, um uns in das Land zu bringen, welches er unseren Urvätern zugeschworen hat.“ Für gläubige Juden ist der Exodus aus Ägypten nicht ein lang zurückliegendes Ereignis. Die Befreiung geschieht jetzt. Wenn sie Pessach feiern, dann ziehen sie mit ihren Vorfahren gemeinsam aus der Sklaverei hinaus in die Freiheit.

Auch wir Christen feiern Gottesdienst in diesem Jetzt. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt über die Feier unserer Liturgie, besonders die Feier der Heiligen Messe: „Sooft das Kreuzesopfer, in dem Christus, unser Osterlamm, dahingegeben wurde, auf dem Altar gefeiert wird, vollzieht sich das Werk unserer Erlösung.“ (Lumen Gentium 3).

Die Eucharistie ist keine Erinnerung an längst vergangene Zeiten. Sie hält nicht nur die Erinnerung an schon Geschehenes wach. Die Eucharistie macht gegenwärtig. Heute und hier geschehen Leiden, Sterben und Auferstehen Christi. Heute und Hier vollzieht sich unsere Erlösung. Deswegen werden am Gründonnerstag die Einsetzungsworte, die sogenannten Wandlungsworte, ein wenig verändert. Da heißt es dann nicht einfach: Am Abend vor seinem Leiden nahm Jesus das Brot in seine Hände, sagte Dank usw. Heute Abend schiebe ich ein: „Das ist heute.“ Es ist also nicht nur eine Erinnerung, sondern ein aktuelles Geschehen, das jetzt hier passiert.

Liebe Schwestern und Brüder, das Gedenken geschieht hier und heute und gleichzeitig nimmt uns dieses Feiern aus dem Hier und Heute mit hinein in das Jetzt Gottes. Im Bericht über das Leiden und Sterben Jesu bittet der reumütige Schächer am Kreuz zur Rechten: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ Und dann erfährt er die Antwort: „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du im Paradies sein.“ Das Gedenken verbindet uns mit der Vergangenheit. Gleichzeitig löst es diese Vergangenheit in der Gegenwart als Realität ein und führt uns hinein in die unendliche Zukunft Gottes.

So wichtig auch unser Gedenken ist, wichtiger noch ist Gottes Gedenken an uns. „Er denkt an sein Erbarmen, das er unseren Vätern verheißen hat“, singt Maria und Zacharias bekennt, Gott hat „an seinen heiligen Bund gedacht“ (Lk 1,54,55,72). Über jedem von uns steht die Zusage Gottes: „Ich vergesse dich nicht.“ Deshalb brauchen wir selbst den Verlust unseres Gedächtnisses nicht zu fürchten.

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