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Predigt

Sommerfest in Kiel – Begrüßung durch Erzbischof Dr. Stefan Heße

29. August 2018
Erzbischöfliches Amt Kiel

Es gilt das gesprochene Wort


Sehr geehrter Herr Landtagspräsident Schlie,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages und des Schleswig-Holsteinischen Landtages,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung,
sehr geehrte Frau Präsidentin des Landesrechnungshofes,
lieber Bruder Magaard,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder!
Ganz besonders möchte ich heute Abend auch unseren Ehrengast Dr. Rudolf Seiters begrüßen!

Es waren bewegende Bilder, die wir letzte Woche sehen konnten. Von Montag bis Sonntag fanden in einem nordkoreanischen Ressort erstmals seit fast drei Jahren wieder Familienzusammenführungen statt. Seit über 60 Jahren sind Nord- und Südkorea mittlerweile voneinander getrennt. Die Teilnehmer des Familientreffens waren entsprechend alt, viele jenseits der 80. Mir persönlich haben diese fremden Bilder noch einmal gezeigt, wie dankbar wir für unsere deutsche Wiedervereinigung sein dürfen und auch, wie selbstverständlich sie uns mittlerweile geworden ist.

Man mag denken, dass wir uns bei der Einladung und Themenfindung im Jahr vertan haben. Denn die großen Festivitäten sind ja erst 2019 zum 30. Jahrestag des Mauerfalls und dann 2020 zum Jahrestag der Wiedervereinigung. Aber die deutsche Einheit ist nicht vom Himmel gefallen. Es gab Ereignisse, Bewegungen, einen Weg zum 9. November 1989. Jemand, der diesen Weg kennt und damals die Ereignisse in der ersten Reihe mitbekommen hat und in kritischen Momenten entscheiden musste, war Rudolf Seiters. Er stand neben Hans-Dietrich Genscher in Prag auf dem Balkon und neben Helmut Kohl am Brandenburger Tor. Vieles hat er vorbereitet und begleitet. Und nach dem 9. November 1989 hat er viele Situationen erlebt, die sich derzeit unter anderen Vorzeichen wiederholen: den Zuzug vieler Flüchtlinge, die Ängste der Menschen, die Hoffnungen und die Problematik und Sorge, wie unser Land das alles bewältigen kann. Es ist wirklich erstaunlich, wie sich die Szenen ähneln. Wir sind gespannt auf persönliche Erzählungen gewissermaßen aus dem Nähkästchen 1988/1989, aber auch auf Ihre Bewertung. War das, was 1988/1989 entschieden worden ist, richtig? Haben die Prognosen gestimmt? Würden Sie heute Dinge ganz anders entscheiden?

Die jährlichen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober erinnern von ihrem Charakter her oftmals eher an Familienfeiern. Wir kennen in Deutschland – Gott sei Dank – keine pompösen Militärparaden in der Hauptstadt zum Nationalfeiertag. Unsere Geschichte macht uns demütig. Vor kurzem hat eine Hamburger Reederei mit einem arabischen Unternehmen fusioniert. Der Slogan unter dem die Fusion steht, heißt „better.united“. Ich glaube, dieses schlichte Wort können wir auch über die deutsche Wiedervereinigung stellen. Natürlich waren die Bundesrepublik und die DDR keine Reedereien. Aber das Motto finde ist sehr treffend: better.united, „besser vereint“ und „vereint besser“. Das ist es, was wir heute, fast 30 Jahre danach aus vollsten Herzen sagen dürfen: Wir sind froh, dass wir wieder zusammen sind. So ist es besser. Zumindest meiner Wahrnehmung nach sind die kritischen Stimmen, was die deutsche Wiedervereinigung betrifft deutlich zurückgegangen. Zwar wird überlegt, die Arbeit der Treuhand aufzuarbeiten. Und natürlich gibt es auch Verlierer der Wende und bei vielen das Gefühl der Abgehängtheit. Aber im Ganzen erlebe ich doch ein großes Maß an Dankbarkeit und selbstverständlicher Zusammengehörigkeit.

Die Schleswig-Holsteiner haben die Grenze, aber auch die neuen Chancen und Möglichkeiten hautnah erlebt. Viele erinnern sich bestimmt noch an den erst sehr verschlafenen Ort Schlutup, durch den sich nach dem Mauerfall lange Autoschlangen zogen. Auch die sehr nahe Grenze im Lauenburgischen haben sicherlich viele noch gut vor Augen. Sie, Herr Landtagspräsident, werden als Lauenburger/Möllner davon berichten können.

Wir als Erzbistum sind ein Kind der deutschen Einheit und haben uns damit aus Ihrem Bistum, Herr Seiters, dem Bistum Osnabrück verabschieden müssen. Seitdem haben wir beim Zusammenwachsen Höhen und Tiefen erlebt. ‚Einheit‘ ist für mich auch geistlich ein sehr schöner Gedanke. Ich persönlich als Bischof und wir als Kirche verstehen uns im Dienst an der Einheit der Menschen: der Menschen untereinander und der Menschen mit Gott. Als katholische Kirche im Norden verbinden wir viele gesellschaftliche Schichten in unseren Gemeinden, verbinden Stadt und Land mit all den Herausforderungen, natürlich Ost und West, sowie Menschen aus 200 verschiedenen Nationalitäten. Und bei all dem möchten wir immer wieder die Begegnung und die Einheit mit Gott ermöglichen. In seiner ersten Enzyklika Evangelii Gaudium schreibt Papst Franziskus einige unter dem Stichwort „Die Einheit wiegt mehr als der Konflikt“. Beim ersten Lesen der Überschrift dachte ich seinerzeit: Ja, irgendwie stimmt das natürlich. Einheit ist besser als ein Konflikt. Aber reden wir nicht eher von Verschiedenheit und vom Wert der Unterschiedlichkeit? Ich bin überzeugt, beides ist wichtig. Ich möchte den Wert der Vielfalt nicht ansatzweise relativieren. Im Gegenteil: Denn es geht nicht um Einheitlichkeit sondern um Einheit. Wohin eine ideologisch gewollte Vereinheitlichung führt, mussten die Menschen im Osten vier Jahrzehnte erleben. Einheit will nicht Gleichmachung, sondern möchte Unterschiede als bereichernde Ausgangspunkte für einen gemeinsamen Weg sehen: better.united eben. Ich bin überzeugt, dass gilt auch für die Integration von Zuwanderern und Geflüchteten in unserem Land. Wenn wir es schaffen, den anderen Menschen in seiner tiefgründigsten Würde zu sehen, so Papst Franziskus, dann werden bei Unterschieden und selbst im Konflikt Einheit und Gemeinschaft möglich. Das Bild für Einheit schlechthin ist Jesus selber: Er vereint in sich „Himmel und Erde, Gott und Mensch, Zeit und Ewigkeit“. (EG 229) In ihm sind wir als Schwestern und Brüder über Alters-, Gemeinde-, Konfessions-, Länder- und Kulturgrenzen hinaus eins.

Ich danke Ihnen allen für Ihr Kommen. Ich freue mich auf einen anregenden Vortrag zur Deutschen Einheit durch unseren heutigen Ehrengast und danke auch Herrn Landtagspräsident Schlie für sein Grußwort. Ich wünsche allen fruchtbare Gespräche und ganz praktisch auch ein Stück weit die Erfahrung der bereichernden Einheit untereinander.

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